Subrealistische Bewegung – Zur Kritik der Politischen Ökologie

Diese Kritik der politischen Ökologie schlägt durch das Gestrüpp scheinbarer Widersprüche eine Bresche, zeigt das auf, was zu den Elementen einer menschlichen Praxis der Befreiung gehört und das, was sich nicht von der Herrschaft des Kapitals trennt. Sie zeigt weiter, wie gerade die diffusen Ansichten über die Natur eine Vernunft beinhalten, die schon heute mit dem Versuch der kapitalistischen Ökonomie korrespondiert, eine neue Rationalität zu finden. In der ökologischen Vernunft soll die Krise der kapitalistischen Produktionsweise behoben werden. So verjüngt sich Industrie und politische Macht, während die ökologische Bewegung entdecken wird, daß auch 5% Ökologie auf der politischen Bühne der die Warenproduktion sichernden Gesellschaft nur 5 Anteile an deren Macht sind.

 

Die Aufhebung der Ökologie als des illusorischen Glücks des Kopfes ist die Forderung eines wirklichen Glücks, das den ganzen Menschen aufnimmt. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusion bedarf.

Die Kritik der Ökologie ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Ökologie ist.

Verhältnisse, die man nicht besser schildern kann als durch den Ausruf eines Franzosen bei einer projektierten Hundesteuer: Arme Hunde! Man will euch wie Menschen behandeln!

Zur Kritik der Politischen Ökologie

Vorwort der Neuauflage

Zur Kritik der Politischen Ökologie wurde vor nunmehr 43 Jahren, von der Subrealistischen Bewegung, veröffentlicht. Diese Gruppe selbsternannter Situationisten, aus deren Zusammenhang die Edition Nautilus entstand, versuchte zu ihrer Zeit das situationistische Denken im deutschsprachigen Raum zu verbreiten und sich in die Diskussionen ihrer Zeit einzumischen. Das vorliegende Werk ist ein Versuch ebendiesen Vorhabens. Es ist ein Rundumschlag gegen die damalige Alternativ- und Ökologiebewegung, als auch die daraus im Entstehen begriffenen Grünen Parteien.

Es mag auf den ersten Blick verwirrend wirken, dass ein Buch aus der “Frühzeit” der Umweltschutzbewegung veröffentlicht wird. Wer es liest und verstehen will, erkennt aber recht bald, dass sich die Themen bzw. wie diese angegangen werden nicht sonderlich verändert haben. Natürlich verschiebt sich die Schwerpunktsetzung der Szenen im Laufe eines halben Jahrhunderts. War es damals Atomkraft und nukleare Vernichtung, haben wir es heute scheinbar mit Klimawandel und Artensterben zu tun. Aber nur scheinbar, denn ebenso wie damals ist das Kernproblem der (industrialisierte) Kapitalismus, mit dem perfiden System des Spektakels. Genauso wie damals marschieren die falschen Kritiker des Bestehenden ins Feld und rittern um Anhänger in ihrer legitimatorischen Stellvertreterpolitik. Die jetzigen Experten der Vertretung sehen sich schon jetzt als die zukünftigen Verwalter des Elends der schuldbeladenen Individuen, die in ihrer armseligen Nachhaltigkeit dahinvegetieren sollen. Was aber vergessen wird: schon damals hatte niemand, außer einer handvoll esoterischer Randgestalten und ausgebrannter Aktivisten, Lust auf diese Form der Selbstkasteiung.

Der Text wurde unverändert übernommen, nur offensichtliche Schreibfehler wurden ausgebessert. Zum besseren Verständnis der Mannigfaltigkeit der damaligen Akteure, wurde ein Namensverzeichnis mit kurzen Anmerkungen zur gesellschaftlichen Funktion der Personen angelegt.

Was der Umfang der kritisieren Positionen zeigt, ist die Diffusität der damaligen Bewegung. Die Grünen, als Sammelbecken der verschiedensten Strömungen, sind hier quasi der Akkumulator. Die revolutionäre Wertlosigkeit und Absurdität der Umweltbewegten lässt sich an diesem, bereits an der Wurzel verrotteten, Keimling erahnen: fröhlich tummelten sich Ex-K-Gruppen-Möchtegernrevoluzer mit esoterischen Spinnern und völkischen Heimatschützern. Erst mehr als ein Jahrzehnt später konnte sich diese Partei in bester staatsmännischer Manier durch die proaktive Beteiligung an einer militärischen Offensive etablieren und sich scheinbar von diesen Altlasten befreien. Und das soll nicht heißen, dass irgendeiner ihrer Flügel in irgendeiner Form, außer in offener Feindschaft, ernstzunehmen sei.

Das Gleiche gilt für all die Fraktiönchen der heutigen Umweltbewegten. Seien es die Parteijugenden der verschiedenen ökologischen Parteien, in ihrer institutionalisierten oder außerparlamentarischen Form, technologisch-fortschrittsfreundliche Nachhaltigkeitsenthusiasten, völkische Hinterwälder, apokalyptische Sekten, Primitivisten oder Aufständische, mit ihrem neuentdeckten Faible für “nationale” Befreiungsbewegungen.

Dieses Werk muss auch als ein Beitrag gegen die Ahistorität des heutigen Diskurses gesehen werden, dessen Nachhaltigkeitsbegriff die historische Entwicklung als Versuch des Weiterbestehens hergebrachter Lebens- und Produktionsweisen immanent eine Reform kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse innehat. Nichts anderes ist die Perspektive des Degrowth: schlicht eine lustbefreite Verarmung des täglichen Lebens aller, wie sie schon seit Jahrzehnten Alltag der kapitalistischen Gesellschaft ist, die die Reduzierung der Menschen auf Konsummaschinen durch das Vergnügen in Warenform substituiert. Und das ist der Punkt: In einer Gesellschaft, in der alle Freuden zu Waren werden, kann die einzige Freude die Zerstörung dieser Warengesellschaft sein. Es geht um nichts weniger, als die Wiederentdeckung der notwendigen Totalität revolutionärer Perspektiven, die eine sich verallgemeinernde Wut bedingen.

Dazu wird dieses Buch wahrscheinlich keinen Beitrag leisten können, aber es kann einen Beitrag zur notwendigen Erkenntnis der Negativität einer notwendigen Kritik des Bestehenden liefern und zur Zerschlagung des Mythos des absolut Neuen jetziger aktivistischer Themen.

Wenn sich die Geschichte wiederholt, dann als Farce.

– Hayek

Zum Weiterlesen empfohlen:

– Guy Debord: Der kranke Planet; erschienen bei Libri Felis Nigrae im Sammelband Schriften nach der Situationistischen Internationale (2023)

– Encyclopédie des Nuisances: Adresse an diejenigen, die Schädlichkeiten lieber abschaffen als bewältigen wollen; erschienen bei Libri Felis Nigrae (2023)

– René Riesel, Jaime Semprun: Katastrophismus, Desasterverwaltung und nachhaltige Knechtschaft; erschienen bei Hostis Editionen (2021)

Editorische Notiz der Originalausgabe

Die Gruppe der Subrealisten versteht sich der Situationistischen Tendenz zugehörig, die in fast allen europäischen Ländern und den USA am Wirken ist. Vorliegende Publikation wurde Anfang Juni 1980 begonnen und am 12. August abgeschlossen. Bei den hierbei verwendeten Comic-Elementen handelt es sich um die unveränderte Wiedergabe, im Sinne einer Ultra-Entwendung, aus dem Serienband “Phantom” No. 159, Köln 1980.

Als weitere Veröffentlichungen sind in der Collection Subrealist bei Edition Nautilus erschienen: “Jetzt! Ein subrealistisches Manifest” sowie “Des Kaisers neue Kleider — Über die orientalische Revolution”, beides 1979. Im Frühjahr 1980 erschien ebenfalls in der Flugschriften-Reihe “Das Ende der Schule — Ein Bericht”.

Desweiteren wird als ständiges Organ der Gruppe die Zeitschrift “Revolte!” halbjährlich herausgegeben.

Vorrede

Wir haben in diesem Pamphlet nicht mehr gesagt, als nötig ist, um eine Frage mit der Bestimmtheit zu beantworten, die ihr gebührt. Von allzuvielen Seiten wird die Begrenztheit der Ökologie geleugnet, indem alles in sie hineingelegt wird, so daß das, was ein konkreter Aspekt des heutigen unmöglichen Lebens ist, zu einer allgemeinen Lösung dieser Misere werden soll.

Weil wir dies, was nun abgeschlossen vor den Augen des Lesers liegt, ausdrükken wollten, damit es den begrenzten Gesichtskreis verlassen kann, mußten wir uns durch ein Labyrinth von Gedanken bewegen, in denen nicht eine Vielzahl verschiedener, sondern eine einzige unterschiedslose Masse an Ideen vorherrscht, die mit sich selbst nur im Detail uneins sind, global hingegen ständig dasselbe sagen. Daß es dabei Unterschiede der Qualität gibt, liegt auf der Hand, wenn auch darunter keineswegs anziehende Temperamente zu verstehen sind. Nein, das, was die Leidenschaften ausmacht, herrscht in der mehr oder minder ökologisierten Literatur nicht vor. Sie ist vielmehr ganz einer biederen Mentalität des aufklärenden Sach- und Schulbuchs ergeben und dort, wo sie darüber hinausgeht, gelangen ihre Autoren ins apostolische Delirium, als wenn sie mit der‘ Apokalypse unzufrieden wären, deren feste Verbundenheit mit der christlich-jüdischen Kultur – deren Überbleibsel noch ein groteskes Dasein fristen – die Autoren augenblicklich so erfolgreich macht. So wie seit Jahrzehnten die Hoffnungslosigkeiten der kapitalistischen Gesellschaften sich innerhalb der Science-Fiction-Literatur ihre heimlichen Hoffnungen schaffen, eine in die Zukunft weisende Verlängerung des Unzulänglichen, so ist die ökologische Literatur deren Erneuerung als Verteidigung einer unzulänglichen Gegenwart. Es ist die Gegenwart, die nun nicht mehr als Zukunft gedacht werden muß, sondern im Heute beginnt und endet, indem die Vergangenheit die Zukunft der menschlichen Misere ist.

Für uns kann eine wirkliche radikale Kritik, die auf die herrschenden Lebensverhältnisse zielt, sich nicht im mäßigen akademischen Ton aufhalten, in dem keineswegs, wie fälschlicherweise behauptet wird, eine argumentierende Rationalität liegt, sondern bloß eine intellektuelle Abart des Strangulierens. Dies zeigen auch die Wissenschafts-Dissidenten, die aus der Sprache der Wissenschaft die Wissenschaft der Sprache machen. Unsere Kritik denunziert und wir gestehen offen ein, daß wir es nicht fertig bringen, auf vertrautem Fuß mit dem Falschen stehend zu plaudern, so als sei dies nicht die praktische Art, sich unglücklich zu machen. Diese Art, sich das unglückliche Bewußtsein anzueignen, ist nicht das Unvertraute, Unbekannte, sondern das allzu Bekannte und für uns deshalb auch das Erkannte, das sich als ein überdrüssiges Wissen erweist, mit dem wenig Ehre zu machen ist.

Das, was als ökologische Kritik vor der Gesellschaft herläuft, bleibt tatsächlich hinter dieser zurück, denn es ist ein Denken, das etappenweise stehenbleibt, jeweils auf der Stufe, auf der es die Gesellschaft bestätigt. In diesem Sinn haben wir es bei der Ökologie mit einem Denken zu tun, das gesellschaftlich ist, indem es dieser Welt einen neuen Geist zu geben bereit ist, ohne daß dieser mehr ist als alle vorhergehenden zu ihrer jeweiligen Zeit. Es ist der Geist, in dem die barbarische Fratze dieser Welt als reinigende Maske erscheint, um ihr Wesen zu erneuern.

Zum Glück aber liegt in der Manifestation des geschichtlichen Fortschritts genügend Potential, das die halbverdaute grüne Leiche, schon für jeden sichtbar, als stinkenden Kadaver auf dem Weg zu ihrer vollständigen Auflösung innerhalb der Warengesellschaft zeigt. Wenn auch unklar mit allerlei Duseleien verbunden, macht sich diese Tatsache im Handeln der Individuen bemerkbar. Ist diese Praxis auch noch vielfach getrennt vom Bewußtsein, so ist die tastende Suche nach einer anderen menschlichen Praxis doch näher bei den Individuen verblieben als das ideologische Gebräu der ökologischen Denker, die als schlechte Köpfe über nichts gebieten als über dessen Unendlichkeit.

Alle Anstrengungen müssen sich heute darauf richten, in der notwendigen tabula rasa nicht den x-beliebigen Kellner eines Gartenlokals nachzustellen, der ständig die Tische für neue Gäste reinigt, die die alten bleiben. Und so wie unser Vorhaben eine Haltung ist, die der Welt unsentimental feindlich gegenüber bleibt, so verbleibt bei den Ökologisten auch jener alte Wein, der so bitter geworden ist, daß selbst die neuen Schläuche, in die sie ihn füllen, daran nichts zu ändern vermögen. Es sollte also mehr Gelassenheit herrschen gegenüber den Umfüllversuchen der verschiedenen Essigsäuren, die gleichermaßen von marxistischen, faschistischen Ideologen und metaphysischen Spekulanten betrieben werden. Was sie nötig haben, braucht sich als Notwendigkeit niemand anders einreden zu lassen. Dazu fehlt – fast – jeder Grund.

Deshalb sollte man auch nicht glauben, daß das, was diese schlechten Köpfe denken, auch das ist, was viele tun; und das, was absurd falsch getan wird, läuft nicht deshalb dem ökologischen Kramhandel zuwider, weil es sich insgesamt um dessen schlechte Leserschaft handelt, sondern weil nur solange Falsches geschehen kann, wie die Grundlagen – diese Zeit nämlich – verhindern, daß das vollkommen zum Tragen kommt, was trotz der ökologischen Repression schon geschieht. Die Ideologie ist der Mühsal enthoben, sich um die Kohärenz ihrer Anwendung zu sorgen – ihr Feld bleibt der Kopf, auch wenn dieser einem Papierberg entspricht und der praktischen Neo-Vernunft eines entfremdeten Lebens zuspricht. Die schlechten Arbeiter Italiens oder die schlechte Jugend Zürichs sind exemplarisch das, was überall diese glückselig machende Misere hinausweist. Wir haben daher keinen Grund, mit der Melancholie der Warengesellschaft zu wetteifern.

Im übrigen wollten wir nicht schlechter sein als die polnischen Arbeiter, wenn wir im gegenwärtigen Augenblick schon nicht besser sein können als ihre Aktionen.

Darüber, was heute als drückende Last herrscht und zugleich den Schlüssel darstellt, die lastenden Verhältnisse auszusperren, wußte der funkelnde dialektische Stern Hegel zu sagen:

“Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit.”

Sich dieser Anstrengung auszusetzen, die als Gegensatz zum fortschreitenden Verschleiß im Bewußtsein der Unfreiheit schon aufhört, eine niederdrückende Last zu sein, bringt uns dem näher, was Guy Debord vor mehr als einem Jahrzehnt jener revolutionären Praxis zu sagen hatte, die seitdem so glänzend die Welt verdunkelt:

“Wir müssen weiter vorangehen und mehr Rationalität in die Welt bringen – das ist die Vorbedingung, um ihr die Leidenschaften zu bringen.”

Zwar hat die Welt insgesamt nichts gewonnen, sehr wohl aber ist es den Revolutionären gelungen, gegen die tote Idee die Leidenschaften zu finden und zugleich dieser Welt zu zeigen, daß ihr weder Rationalität noch Leidenschaften verblieben sind, nur die rationalisiert leidenschaftslose Idee zu überleben. Die Leidenschaft ist in dem Willen verblieben, die allen menschlichen Fortschritt in der Beseitigung dieses Zustands sieht.

Daher fällt es heute leichter, sich das Verlassen einer zweitausendjährigen Vorgeschichte vorzustellen, als die Wanderung in sie zurück anzutreten. Die Wege haben sich verkürzt.

Ein Zeitalter wird geplündert

“In einem schwankenden Zeitalter scheut man alles Absolute und Selbständige; deshalb mögen wir denn auch weder echten Spaß, noch echten Ernst, weder echte Tugend noch echte Bosheit mehr leiden. Der Zeitcharakter ist zusammengeflickt und gestoppelt wie eine Narrenjacke, und was das Ärgste dabei ist – der Narr, der darin steckt, möchte ernsthaft scheinen.”
Bonaventura, Dritte Nachtwache

Immer, wenn das Übel endlos erscheint, wird in seiner Verkleinerung nicht nur ein bloßer Trost gesehen, sondern seine Eingrenzung. So scheint im Wahllosen der Lage die Wahlmöglichkeit gegeben, die angenommene Verkleinerung erscheint nicht als Vollendung der Misere, sondern als deren Gegenteil. Die Eingrenzung ist der Bereich der größtmöglichen Ausdehnung der verlorenen Freiheit.

Welche Seichtigkeit liegt in diesem kleineren Übel, grün, rot, schwarz, Kokarde an den Revers der neuen Politiker des alten Scherbenhaufens. Neu eingekleidet regt sich die Demagogie und ein harter Kanzler steht Europa vor, als Neo-Bismarck im eisernen Harnisch, in den Sattlerhosen Bebels den Adlerschatten auf die Landkarten werfend und im Lichtkegel doch bloß ein angestrahlter Karl Valentin.

Trachtenjacken aus grünem Stoff bis zum abgewetzten braunen Patriotismus, gesättigt in mäßigen Ansichten, die sich nicht über eine darin verhaftete Tradition hinausbewegen. Was liegt Abgründiges in einem Staatsmann wie Strauß, dem die lächerliche Rolle eines kleinbürgerlichen Bildungsdünkels zufällt und die eines Projektionsfeldes für einen in langen Unterhosen pantoffelnden Sozialismus. Seine Gegner, die alten Mörder von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, verteidigen gegen einen Putschisten, der den Putsch als Versprechen androht und im Dementi sich selbst widerspricht. Tarngrün und echtes Grün, Melonenrot oder fauliges Braun, innen so leer wie äußerlich voller Phrasen. Ein Unentschieden zwischen Schauder vor und durch die Apokalypse.

Niemand kann mehr Durchblick erlangen, am allerwenigsten diejenigen, die davon am meisten profitieren, die Staatsdenker. Ihnen genügt diese Lage so, wie sie ist. Von Gipfeltreffen eilen sie zwischen den Machtzentren herum, um einen gegenseitigen Nutzen auszubalancieren. Während sie die Märkte stabilisieren und die Machtsphären neu abstecken, werfen sich ihnen briefschreibende Intellektuelle vor die Füsse und bitten um die Verhinderung von etwas, das niemandem droht, solange diese Periode allen Machthabern alles an Vorteilen erlaubt. Die Freiheit, die genommen werden soll, existiert als Freiheit derjenigen, die sie schon besitzen und den Besitzlosen wird der Rat zuteil, friedlich zu verbleiben. Die Welt droht ihnen mit kalten Öfen und dem heißen Krieg, an den zu glauben nicht einmal den Militärs überzeugend gelingt, sondern nur Schriftstellern zweier Republiken.

Was für ein Übel soll drohen innerhalb personeller Gleichheit und identischer Perspektiven beim Durchsetzen politischer Macht, als daß dies stille Einvernehmen zusammenbricht? Die Personen fuchteln, um die Politik zu dramatisieren, sorgen für jene Aufregung, die in einem armseligen Alltag fehlt, den Takt aber schlagen Verhältnisse, die der Steuerung entglitten sind und ständig drohen, einen geschichtlichen Agenten zu begünstigen, der dieses Spiel nicht nötig hat.

5. Oktober oder 15. November, es ist gleich, weil alles, was hereinbrechen soll, schon vorhanden ist. 1914 ist das Stichwort, um das Kriegsspektakel in Szene zu setzen, was doch als Parole für den Burgfrieden dient, der benötigt wird. Die Raketen aus den Silos sind das Schachpatt, die Mattigkeit eines nicht mehr korrigierbaren Zustands im Äußeren, während nach innen die Bohrstelle 1004 die Wahrheit des thermonuklearen Krieges ist. Die Panzerarmeen setzen sich in diese Richtung in Bewegung.

Nachts, wenn durch Deutschland die Kolonnen der Ordnungstruppen transportiert werden, zeigt sich ein europäisches Gleichgewicht, das die Schwerkraft der Verhältnisse interkontinental hervorhebt. Das Landungsmanöver, das in der persischen Wüste mit Motorschaden endete, gelang reibungslos in der Gorlebener Heide. Rot-Gelb-Grün, die Ampeln stehen auf Durchfahrt. Überall ist die Ordnung am Werk, zügellos wie die inkohärenten Manifestationen des Aufruhrs. Die Gewalt des Staates muß sich beweisen, weil sie labil ist, nicht nur in Frage steht, sondern massiv verworfen wird in dem sozialen Krieg, der weitergeht und die Macht zwingt, die Gewalt von menschenleeren Verhältnissen aufrecht zu erhalten. Diese Welt ist enttarnt, sie verfügt über eine Geschichte, die sie im Kreise führt und deren Modernismus zerfällt, so daß sie nun wieder als einzige Gewähr zur Selbsterhaltung die alten Waffen der Ordnung in die vorderste Linie entsendet; die Waffen der Polizeien. Die Politik belegt damit das Gelände mit einem Sperrfeuer, der Demagogie, durch die – zur Blockierung der aufständischen Kräfte – ein staatstragender Gegner geschaffen wird. Die Wege sollen verbaut werden, indem alle Wegweiser falsche Aufschriften erhalten. An dieser vermeintlich letzten Aufgabe bewährt sich das Bataillon professioneller Denker, die selbst den Hyperreformismus der Sozialtechnokraten angreifen dürfen, weil diese ein zu kompliziertes Gestrüpp von Repressionen für die jetzt notwendige Taktik der Macht geschaffen haben. Im Wohle dieser Verhältnisse ist das Gemeinwohl ein Begriff des Gleichklangs, Marschtritt des gesellschaftlichen Trümmerhaufens. Die einfache Tatsache, daß nichts von dem, was ist, wert ist, zu sein, macht die Angst aus, mit der diese Epoche geschmiert ist. Übersatt ist sie gleich bleich vor Alter und der Blässe ihrer Taten. Was sie zu vollbringen vermag, hat sie bereits getan, und sie ist nicht zu fein dafür, es noch ein zweites Mal zu tun, sondern nur zu aufgeklärt darüber, wie solche Farcen enden. Ein Dilemma, mit dem sie nur insoweit auskommt, wie sie genügend Gegner zu ihren Verteidigern machen kann, wie sie diese zu verleiten weiß, in ihr schon das zu sehen, was sie woanders suchten. Je plumper diese dabei sind, um so wirkungsvoller ist ihre Zuvorkommenheit gegenüber der Macht, um so weniger schlägt die Verkommenheit dieser Welt durch die verschiedenen Maskenbälle, die sie veranstaltet, hindurch.

Die Welt ist entschlossen, sich zu verteidigen und diese ihre Entschlossenheit trifft auf einen verwirrten Gegner. Die Ökologisten sind dazu bereit, ihre entschiedene Verwirrung als System zu betreiben. Als Bedrohung der kapitalistischen Ökonomie sind sie dennoch deren Anwalt, wie sie jetzt schon für einen mittelfristigen Aufschwung des Marktes sorgen. Ihre bunte Inkohärenz nutzt den Ordnungskräften, Schritt für Schritt, das Seichte aufzunehmen, das die geschichtliche Radikalität in Schach hält, und verlagert hierdurch den ökologischen Standpunkt in den Zenit einer ökonomischen Vernunft. Diese Vernunft hält unter einigen Neuerungsphrasen nichts als die gehabten Tatsachen der Ökonomie. Der Verzicht, die Unterwerfung und die Tauschbarkeit werden ökologisch geläutert, ohne sich von der Stelle zu rühren, die sie im Leben einnehmen – dafür rückt ihnen das Individuum näher. Die Ökologie renoviert die Ware. Zum Ruhme einer höheren Ordnung, die scheinbar zwischen den Regeln steht, als Regelkreislauf die Gattung umklammert und mit der Natur verbindet, zerquetscht sie das Individuum nur anders als bisher unter der geschwächten Warenanästhesie; die billigsten Formen neuer Staatlichkeit werden in diesem weihevollen Klang eingesegnet, die Volksgemeinschaft und die Verteilungsbürokratie. Die mythische Naturleiche und die kapitalistische Rationalität entdecken ihren gemeinsamen Nutzen und schließen die Ökologie als negatives Element einer gegen die Ökonomie zielenden Praxis aus.

Es wurde solange vom positiven Nutzen der Ökologie geredet, bis es selbst dem rückständigsten Vertreter der derzeitigen Verhältnisse zu dämmern begann, welchen Nutzen sie aus den Apologien des industriellen Untergangs ziehen können. War die Welt wie ein neon-buntes Etikett, so ist nun eine andere Stufe auf der Treppe des Scheins etabliert, auf dem das etikettenhafte Überleben sich alternativ und natürlich, umweltbewußt und sparsam gibt. Das Gestrige ist in den Ablagekörben der Werbebüros verschwunden, in derselben Bewegung, die es im Heute anders einpaßt.

Die Sparrechnungen um Tankertonnagen dienen der Rationalität und schlagen als Profit zu Buche, und so wie die Kompliziertheit, mit der sich diese Welt dem Einzelnen anbietet, nur ihre verwirrte Selbstbehauptung ist, verrät ihre Verdrehtheit schon das Unkomplizierte ihrer Lösungen. Das Gefährliche dabei sind nicht die Dutzende falscher Ansichten, die allzuviele Zeitgenossen mit sich schleppen, sondern die Konstante des menschlichen Verlustes, den diese Wandlungserscheinungen des Spektakels forcieren. Denn so wie alles beim alten bleibt, ohne dasselbe zu sein, bleibt das Individuum in diesem Prozeß zurück, entwickelt sich der Fortgang dieser Welt zu Lasten des Menschen, und diese Last ist es, die sich bemerkbar macht, die Tatsache des immer Gleichen vermenschlicht. Das Wie ist anders, das Ergebnis bekannt. So verbucht das Spektakel unaufhörlich den menschlichen Verlust als Gewinn, das Leben als laufenden Verlust, der mit der Künstlichkeit wetteifert. Das Konto wirkt ausgeglichen.

Diese Ungleichgewichtigkeit bringt jenen diffusen Protest hervor, in dem viele eine Lösung darin sehen, sich die künstliche Landschaft des Spektakels durch die Rückkehr zur Fremde ihres Ursprungs anzueignen und der Geschichte der Entfremdung durch die Verherrlichung ihrer primitiven Natur zuzustimmen. Ist im Spektakel das Primitive der Entfremdung künstlich vervollkommnet, so vervollkommnet sich im Spektakel des Natürlichen nur die primitive Künstlichkeit der Entfremdung als ökologische Spekulation. Es ist das Spekulieren mit dem Ausmaß der Entfremdung.

Das Diffuse ist der Nährboden, auf dem die menschliche Misere ausufernd ruht.

Das Kapital versucht, die Krise seiner Welt zur Krise der Ansprüche zu machen, doch welche Ansprüche gab es denn unter der Herrschaft des Kapitals als die, die befriedigt wurden. Die Warenproduktion macht sich daran, die neuen, bisher vermißten Bedürfnisse aufzunehmen. So wie Suzuki die Alternativen entdeckt hat – ihre Bedürfnisse ernst nimmt -, Innenminister Baum mit dem neuen Staatsdenker Mahler eine einheitliche Plattform entwirft, eine Versammlung von Industriellen, Technokraten und Wissenschaftlern in Rom die Rohstoffvorräte durchrechnet, so hat die Welt insgesamt die Ökologie als ihren Zweitgeist entdeckt. Für sie ist die Ökologie eine geschäftliche Glaubensfrage, wie sie für den Ökologen die des Glaubens an sich ist.

Die heilige Allianz aus Staatsdenkern, Technokraten, Lebensreformlern und Mystikern tanzt selbst nicht mehr, sie läßt tanzen, und ihr Wiener Kongreß findet dezentral statt: von der Spiegelredaktion bis zum venezianischen Gipfeltreffen jüngster Tage, von der klassischen Tafelrunde des Club of Rome, lärmend, bis zur stillen Einfalt bei sozialistischen Konferenzen. Ratschläge ratloser Kleinbürokraten, die es ihrem großen Bruder nachmachen, der milde lächelnd bereitwillig seine besten Kräfte entsendet, wie Glotz oder die heimattreue sozialdemokratische Jugend zum Ausflug nach Gorleben. Der Geist von Karlsbad liegt beschlossen ohne ein formelles Protokoll vor, da Metternich die vervielfachte Ordnungsperson ist, deren Geist überall wirkt.

Wie die Welt so einer Ansicht ausgesetzt ist, die zwei Gesichter in ihr erblickt, kann schon jetzt gesehen werden, worin die Aussichten bestehen, die den Ideen auf dem Fuße folgen.

Wachstum der Grenzen

“Der Mensch weiß, daß sein Reich nicht stirbt, daß das Universum einen Anfang hat. Das Universum weiß nichts: bestenfalls ist es ein denkendes Schilfrohr.”
Isidore Ducasse

Die Krise des Wachstums ist die Krise einer Welt, die vergesellschaftet worden ist, aus der die Unterschiede getilgt sind, in der weiße Flecken zur verbrannten Erde wurden, in der die Traumzeit verging und die Grenzgänger leerlaufen. Überall sucht sich Unzufriedenheit ihren Ausdruck und Unruhe ist allen gemein unter einem Prinzip, dessen Produktion und Befriedigung im Wesen unruhige Unzufriedenheit ist. Darin begründet sich die Knappheit und der Mangel und das, was den Giftstaub aufwirbelt, den Jahrzehnte verdampfender Arbeitskraft abgelagert haben.

Früh werden heute die Erinnerungen beschworen und sie enden alle in einer Katastrophe, anders kann der Verlust der Zukunft nicht vorgestellt werden; doch die Angst speist sich aus der Gegenwart. Alles schmeckt nach Endzeit, fühlt jedoch eine Zeit ohne Ende, in der apokalyptischen Bedrohung verbirgt sich die bedrohliche Garantie auf eine sichere Zukunft.

Das Öl auf den Meeren, das Gift aus den Flüssen, Antibiotika in den Eutern, Staub in den Lungen, Wehmut im Hirn, der Dreck ist so universal, daß er Weltanschauung wird.

In der verklärten Anschaulichkeit einer unklaren Welt schwand die Zuversicht, die noch die 60er Jahre bestimmt hatte, um den Blick dafür zu öffnen, daß nicht nur zuviel Dreck produziert worden war, sondern eigentlich nichts anderes als Dreck zustande gekommen ist. Die Aussicht auf Beherrschung der Zukunft ist dem Zwang zur Selbstbeherrschung gewichen, sobald diese Erkenntnis aufgelöst und vergessen werden mußte. Doch dieser Bewegung liegt kein “Umschwung des Empfindens” zugrunde, auch nicht eine feinere Empfindlichkeit, erst recht kommt nicht die alte universelle Vernunft zur Wirkung; es ist allein die Dynamik der sozialen Widersprüche, der die Gesellschaft des Spektakels kein schmuckvolles Bühnenbild mehr sein kann.

Die Zeit der Zuversicht war eine Zeit der unaufhörlich verstärkten Ausbeutung der Arbeitskraft, die wissenschaftlich-technische Nutzung der menschlichen. Energie beschleunigte die Produktion bis zu einem Punkt, an dem sie nur noch der Energie bedarf, aber nicht mehr ihrer menschlichen Kraft.

Zuvor jedoch feierte die moderne Warenproduktion ihre Ausbreitung auf dem ganzen Erdball und die neue Produktionsweise, die in den 50er Jahren entwickelt und für die die Zauberformel “Kybernetik” – Losung für die Ewigkeit – gefunden worden war, fraß sich tiefer in den sozialen Raum der Industriegesellschaften hinein, machte es möglich, den Rohstoff Arbeitskraft mit immer feineren Methoden und glänzenderen Versprechungen abzubauen. Der Einsatz neuer Technologien schien das alte Problem der kapitalistischen Produktionsweise, den mit dem Zwang zur Akkumulation verbundenen Fall der Profitrate, aufzufangen. Sowohl im sozialstaatlichen Kapitalismus als auch im bürokratischen Sozialismus wehten die Fahnen im freudigen Aufwind, der Fortschritt gab sich als unbegrenzt aus, schoß in den Weltraum vor, Kritik wurde übergangen, verlacht oder heimlich zertreten, die Claims auf die Zukunft waren abgesteckt und die Berechnungen der Prognostiker wendeten sich nur noch ethischen und politischen Problemen zu. Die Erneuerung des Ethos stand als Problem der Vervollständigung der Warenherrschaft an. Ihr kanonisches Recht war die Wahl zwischen zwei Standardwelten. Allerdings vermochten ihre Voraussagen noch nicht überraschungsfrei zu sein; unter “Überraschungen” wurden Kriege, Revolutionen und andere Katastrophen gezählt, deren Verhinderung noch keiner gewährleisten konnte. Während es tatsächlich nicht überraschen kann, daß die Armseligkeit solcher Vorstellungen nicht den Standard verläßt, aus dem sie geboren wurde. Außerdem bedarf eine kräftige Produktivität des einen oder anderen Krieges; der Frieden bezeichnet die Verfügbarkeit der Waffengänge.

Im Geschäft mit der Zukunft zählt nicht die Kunst der Seher und Wahrsager, es geht darum, wer Herr ist. Die Futurologie spiegelt das Selbstbewußtsein der Macht. Heute orakeln dieselben Stellen: “Die Zukunft, meine Herren, die Zukunft ist dunkel”, verbreiten Pessimismus und beschwören die Angst.

“Ich mache mir Sorgen um die jungen Leute. Häuser können die sich bei diesen Preisen und Hypothekenzinsen nicht mehr leisten.” (Margaret, Die Zeit)

Diese Veränderung, von manchen wetterfühlig als “Umschwung des Empfindens” registriert, anderswo laut als “planetarische Wende” verschrien, wird mit den “Grenzen des Wachstums” in Verbindung gebracht, die zuerst der Club of Rome errechnet haben wollte.

Doch die Veröffentlichung des brisanten Geheimnisses, daß die Erde rund, aber eine Kugel nicht unendlich ist, konnte nur Ausdruck eines geschichtlichen Prozesses sein, wohingegen es Beschwörungen des unausweichlichen Endes der modernen Maschinenwelt spätestens seit dem Vernichtungsfeuerwerk von Hiroshima im Überdruß gibt. Die Idee der Endlichkeit hat nur Brisanz, wenn ihr eine gegenwärtige Erfahrung zugrundeliegt, während die Beschwörung einer Möglichkeit oder Erinnerung – das hat der Widerstand gegen Atomkrieg und Kernwaffen gezeigt – sich nicht gesellschaftlich durchsetzen kann. Mit der Angst kann man Politik machen, aber nicht die Geschichte in Bewegung setzen.

Während in der Weltwirtschaftskrise von 1929 ein Papier gewordener Glaube an die Ökonomie zu Staub zerfiel, schien in der Ölkrise 1973 nur etwas Schmierstoff zu fehlen. Dennoch reicht heute schon dieser Anlaß aus, um das Erbe der Fragwürdigkeit anzutreten, der die Ökonomie seit ihrem großen Debakel ausgesetzt ist, und um die Erneuerung zu betreiben, der sie so dringend bedarf.

Mittlerweile sind die Rohstoffe tatsächlich teurer geworden, wenn auch die Reserven noch 50 Jahre oder länger standhalten, was in der Mentalität der sechziger Jahre Anlaß gewesen wäre, mit dem Hinweis auf die angebliche Unendlichkeit des Universums den Abbau von Meteoritenknollen planen zu lassen. Jetzt aber bescheiden sich die Astronauten der Entfremdung darin, die gequälte Erde als Raumschiff zu deuten, in dem die festgesetzte Besatzung zusieht, wie langsam der Sauerstoff ausgeht. Merkwürdige Reise.

Der Club of Rome, Lobby für die Befreiung der Rechenmaschinen, leistet seinen Beitrag zur Vergegenwärtigung dessen, was jeder schon wußte, aber nicht offizielle Wahrheit sein konnte, daß die industrielle Ausbeutung der Erde nicht sonderlich gut bekommt. Er beziffert die Sterblichkeiten, geht von einem einheitlichen Weltsystem aus, stellt erkenntnisreich fest, daß der Mensch noch keine bio-kybernetische Maschine ist, was heimlich bedauert wird, während man anerkennend dem alten Adam auf die Schulter klopft. An diesem Punkt sind den Exekutivkräften der neuen Algebra französische Professoren voraus, weil sie bereits die Vorarbeit geleistet haben, den denkend-sinnlichen Menschen in Maschinenteile, Ströme des Begehrens und Wunschverkettungen zu zerlegen. Der Club of Rome gibt dagegen zu, “die materielle Seite überzugewichten, weil soziale Wertfaktoren bei diesem ersten Versuch einfach noch nicht quantitativ beschrieben werden konnten … Und so hoffen wir, daß diese Erkenntnisse schließlich auch dazu führen, die quantitativ nicht erfaßbaren Kräfte, die unsere Welt bewegen, unter Kontrolle zu bringen. Obwohl alle wichtigen Erscheinungen im Weltsystem grundsätzlich miteinander in Wechselwirkung stehen, wurde bis jetzt noch keine Methode entdeckt, wie sie wirksam als Ganzes beherrscht werden könnten.”

Das soziale Moment, das geschichtlich Menschliche der gesellschaftlichen Organisation, ist aber die Variable, mit der sie nicht rechnen können, solange die Beziehungen zwischen Individuen noch nicht vollends in Regelkreise, Wechselbeziehungen und Schaltverbindungen übergegangen sind. Diese Arbeit ist begonnen. Während sich bis zum Ende der 60er Jahre die Warengesellschaft begnügte, die sozialen Beziehungen zwischen Individuen mehr und mehr zu vereinnahmen und durch Warenbeziehungen zu ersetzen, erleben wir in den letzten Jahren verstärkt den Versuch des Staates, Kontrolle über den gesamten sozialen Raum wiederzuerlangen und ihn störungsfreier zu verwalten. Dabei sind Datensammlungen, Personenkennziffern und Zentralcomputer nur Stichproben auf die Erfaßbarkeit der sozialen Regungen. Diese aufzuspüren, greifbar zu machen, in geordnete Bahnen zu lenken, sogar das Spiel zur Regel zu machen, das ist Aufgabe des motivierten Heeres von Animateuren der sozialen Kontrolle.

Die Hoffnung der Ordnungskräfte gründet sich auf die imaginäre Voraussetzung, mit den Auswirkungen der sozialen Gärung auch diese Widersetzlichkeit selbst in ihren Griff nehmen zu können, ohne auf den Menschen ganz verzichten zu müssen, dessen Beseitigung ein nicht zu lösendes Problem bleibt. Allerdings darf man die Forschung des Bio-Engineering und der Gen-Manipulation unter heutigen Bedingungen durchaus als Beitrag zur Entwicklung des “neuen Menschen” im Sinne der Ordnung nehmen. Unter Beibehaltung einer gewissen biologischen Grundmasse soll ein funktionierendes Teilstück kybernetischer Regelkreise zusammengeklont werden.

Den willfährigen Hirnen aus den Denkfabriken obliegt zunächst aber die Rettung des produktiven Weltsystems, den Kybernetikern des MIT ebenso wie dem vielzähligen Typus des politisierenden Wissenschaftlers, so wie den übrigen Besorgten, die vorgeben, sich Gedanken zu machen, ohne noch das Gemachte denken zu können. Die Belastbarkeit des Planeten ist ihre Sorge, die Menschen sind ihre Last, so sehr noch, daß sie eine grundsätzliche Änderung menschlichen Verhaltens und gesellschaftlicher Verhältnisse ins Auge fassen.

“Wir sind schließlich überzeugt, daß jeder vernünftige Versuch, einen dauerhaften Gleichgewichtszustand durch geplante Maßnahmen herbeizuführen, letztlich nur bei grundsätzlicher Änderung der Wert- und Zielvorstellungen des einzelnen, der Völker und auf Weltebene von Erfolg gekrönt sein wird.” (Club of Rome)

Über die politischen und ideologischen Unterschiede stellen sie die Einheit der Warenrationalität. Sie markieren den Punkt, an dem die Warenrationalität so sehr zum menschlichen Denken gereift ist, daß der enteignete Mensch sich die Unterwerfung der Zukunft nur noch als Unterwerfung unter die Gegenwart vorzustellen vermag. Indem er in der Dinglichkeit, die er geschaffen hat, das Natürliche anerkennt, zeigt er sich bereit, zu ihrer Bewahrung auf sich selbst zu verzichten.

Dieses großartige Projekt haben sich die Ökologen vorgesetzt weiterzuführen. Die Ökologen sorgt die Krise der Produktivität, sie suchen eine neue Rationalität. Nachdem die des Wachstums versagt hat, wollen sie das Quantitative harmonisieren. Die Harmonie, das Gleichgewicht, also die Ordnung der Dinge, wird zur bestimmenden Qualität. Da diese neue Qualität eine ideelle ist, wird die Bemühung des Ökologismus, die globale Krise der Gesellschaft zu erklären und zu lösen, deren Ursachen gerade da suchen, wo nur der Schein ist und nicht die Wirtschaftsweise, die ihn nötig hat.

“Das wirtschaftliche Wachstum, das Überfluß und Wohlstand für alle sichern sollte, hat die Bedürfnisse schneller anwachsen lassen, als es sie befriedigen konnte, und geriet in eine Reihe von Engpässen, die nicht nur ökonomischer Natur sind: der Wachstumskapitalismus steckt in einer Krise, und zwar nicht nur, weil er kapitalistisch ist, sondern auch weil er dem Wachstum verpflichtet ist.” (Gorz)

Als hätten die Kapitalisten jemals den Wohlstand für alle zum Ziel gehabt, und nicht nur das Wachstum ihres Besitzes, wobei Wachstum und Kapitalismus natürlich eins sind. So wird der Ideologe Opfer seines eigenen Metiers. Er ist als Ökologe radikaler Gläubiger des gesellschaftlichen Scheins, weil er Gesellschaft und Produktivität noch da annimmt, wo nur noch die Idee davon übrig ist, alles andere aber durch die Widersprüchlichkeit der Ware in sein Gegenteil verkehrt ist. Wenn der Ökologe klagt, daß die Leistungen negativ werden, bedauert er nur, daß sich das Vorzeichen ändert, er fragt aber nicht nach dem Charakter der Leistung, die gerade darin besteht, dauernd diese Umwertung überall vorzunehmen, Kohle in Gold zu verwandeln, während heute der Kapitalist bestrebt ist, aus Gold wieder Kohle zu gewinnen. Weil der Ökologe die grundlegende Bewegung der Warenproduktion nicht versteht, möchte er sie retten, indem er ihr Natürlichkeit verleiht.

Während die Ökologen an der Erneuerung der gesellschaftlichen Ideologie wirken, bleibt die globale Verschmutzung das Schlachtfeld, in das die Widersprüche zwischen Produktivkräften und Produktionsbedingungen tiefe Krater sprengen. Verschmutzung verschweigt in umgänglichem Plauderton die bereicherte Verelendung, die wirkliche Verarmung der Welt, die zur Umwelt verkommen ist. Darin werden Dinge produziert, die keiner gebrauchen kann, mit Mitteln, die keiner mehr handhaben kann. Die Produktionsmittel werden giftig wie Atommeiler oder klimatisiert wie Rechenanlagen, die Beziehungen der Produzenten gleichen sich ihnen an.

“In der Zivilisation der kommenden Jahrzehnte wird sich ein jeder ein wenig in der Situation eines Raumfahrers befinden, für den die künstliche Rekonstruktion und Beherrschung der elementaren Existenzbedingungen eine Frage des Seins oder Nicht-Seins ist. “(Richta-Report 1968)

Die Produktion zerstört nicht mehr als sie erzeugt, Verschwendung war von jeher ihr Prinzip, aber sie verteuert sich in einer Weise, die sich, und da sind die Klagen der Wirtschaftsführer durchaus ehrlich, bei näherer Betrachtung als eine soziale Teuerung zu erkennen gibt.

Die Ökologen registrieren diese Verschärfung des sozialen Kampfes als Energiemangel. Sie übersehen, daß der Hebel, mit dem das ganze Produktionssystem in Gang gesetzt wird, immer die menschliche Arbeitskraft gewesen und diese auch vom Kapital noch nicht zu substituieren ist. Der Energiemangel verrät nicht nur eine Ermüdung der gesellschaftlichen Materialität, er weist auch auf die Suche nach der reinen, vom menschlich-sozialen Ballast gereinigten Energie. Ein verlockendes Ziel könnte man sich doch des einzig bedrohlichen Widerstandes entledigen.

Im Gegensatz zum naturtrunkenen Blick der Ökologen, spüren die Verwalter der modernen Produktion die Dynamik der sozialen Bewegung, ohne sie allerdings verstehen zu können. Der einzige Rohstoff, um den sie sich schon jetzt sorgen, ist die Arbeitskraft, der einzige Rohstoff, der imstande ist, sich gegen seine Ausbeutung zu wehren. Die natürlichen Vorräte gehen derweil zur Neige, die Natur gerät aus einem Gleichgewicht, das der Mensch verloren hat. Die menschliche Tätigkeit findet in der Natur ebenso wenig ihre äußere Grenze, wie in der eigenen Natur ihre innere. Sie schafft entweder eine soziale Natur – in einer kollektiven, bewußten Anstrengung – oder sie vergeht. Alles hängt heute vom Bewußtsein und seiner Durchsetzung ab. Hier ersteht die bedrohliche Apokalypse für die Warengesellschaft, seit dem Wiedererwachen der proletarischen Forderung in den späten sechziger Jahren sieht sie sich der Frage gegenüber, wo sie einen menschlichen Fortschritt geschaffen habe.

Hat auch scheinbar die Restauration wieder Oberhand gewonnen, so lebt doch die gesamte gesellschaftliche Selbsttäuschung mit der Gewißheit fort, diese Frage nicht beantworten zu können. So haben Kämpfe und Erhebungen sich fortgesetzt, die soziale Frage ist wieder in die Geschichte eingetreten, um ihren Platz darin zu behaupten. Damit haben sich die Kräfte zu Wort gemeldet, die einzig dem angehäuften Reichtum einen Sinn zu geben wüßten. “Die größte Produktivkraft ist die revolutionäre Klasse selbst.” (Debord)

Diese Erschütterung, soviel tiefgründiger und globaler als dramatische Rohstoffverknappungen und Energiesorgen, konnte nur aufgefangen werden, indem die Macht ihren Schmerz als Entsetzen angesichts der Aussichtslosigkeit dieser Welt auf die Besiegten übertrug. Die Gesamtheit der Medien und das glasfeine Netzwerk des Scheins vermitteln die Annahme der Angst, wohlwissend, daß sich in dem Glauben an die Apokalypse die Hoffnung auf den Holocaust verbirgt und das Ende hinter seiner Erscheinung zurückbleiben muß.

Wo die gesellschaftliche Organisationsform unendlich erscheinen soll, muß die Unendlichkeit des Scheins garantiert werden. Sobald der Widerspruch, in den die Gesellschaft zu sich selbst geraten ist, hervorbricht und offen ausgetragen wird, ist die Krise unabwendbar, die Endlichkeit wird zum Synonym für den Untergang. Seit 1963 ist die Gesellschaft gezwungen, mit dieser Krise zu leben, sie in ihr Spektakel aufzunehmen, wie sie jeden Widerspruch vereinnahmen muß, solange das Prinzip des Scheins und der Verfälschung nur als Totalität aufrechtzuerhalten ist. So wird die reale Unmöglichkeit der Verhältnisse zur Anklage an die Unbescheidenheit derer, die über ihre Verhältnisse leben: als könnte irgendjemand in diesen Verhältnissen leben.

So wie diese Verhältnisse ist sich alles, was sich in ihnen aufhält, selbst zuwider geworden, Versöhnung und Harmonie finden nur noch im Wunsch statt.

Der Mensch, in den Maßstab des produktiven Weltsystems gesetzt, ist am Ende. Seine Arbeitskraft erlahmt oder wird widerwillig, sein Verlangen nach Wohlstand schwindet, seine Verzweiflung wächst, während die Sinnlosigkeit seiner Existenz unausweichlich wird. Medizin und Psychologie verlieren in der Abgründigkeit des sozialen Wahns ihre Grundlage, etwas Normales herzustellen, und fallen in die Abgründigkeit ihrer eigenen Existenz.

Während die Individualisierung fortschreitet – bei gleichzeitiger Negation der im Individuum angedeuteten Möglichkeiten, frißt die Warengesellschaft die letzten Reste der menschlichen Natur. Mit dem Rückzug auf das Innere, der Befürwortung des Privaten und der zahlreichen, dort eingedrungenen Probleme setzt sich die moderne Proletarisierung fort, mit der auch Sinnlichkeit und Begierde jeder Verwirklichung und sozialen Wirksamkeit beraubt wurde, die letzten Schutzzonen sind der Vergiftung preisgegeben, überall ist die Warenrationalität eingedrungen. Im Reservat des Inneren Bürgers findet sich das wieder, was außen als falsch und verkehrt erlebt wurde, nur durch das Signal zum Rückzug mit dem Schrecken des Scheiterns versehen.

Der “Mensch” existiert nicht. Er verschwand in der Abstraktion und seine Gleichheit ist in die genaue Bestimmtheit der konkreten Individuen zerfallen. Hier bildet sich die Erfahrung des Menschlichen, das sich fremd geworden ist, und des Möglichen, vor dem der Einzelne seine Verhinderung erkennen kann. Die gesellschaftlich Bestimmtheit ist so sehr das Menschliche, wie sie das Unmenschliche zu beinhalten scheint. Der Wendepunkt liegt in der Geschichte, die proletarisierte Individuen hergestellt hat, eine Geschichte, die dies nun selbst zu machen gezwungen sind.

Denn wo die Ökonomie ohne Menschen auszukommen beginnt, d.h. die Individuen als Träger einer sozialen Geschichte entbehrlich macht und folgerichtig deren Überleben angreift, werden sich diese Menschen bewußt, ohne die Ökonomie auskommen zu können. So wird jede Geste und jedes Handeln, das auf die real vorhandenen Möglichkeiten weist, sie für sich beansprucht und zu verwirklichen sucht, in einer Form autonom, die die Erfordernisse der Ökonomie direkt infrage stellt. Diese Feindschaft gegen das Ökonomische sowie alle seine Befürworter und Sachwalter wird gleichzeitig zur Forderung jeder praktizierten Kritik.

Die Ökonomie, durch die beständige Auflösung der gesellschaftlichen Organik und die radikale Vermenschlichung der Waren endlich autonom geworden, erfährt ihre Autonomie als Einsamkeit und Selbstzerstörung. In den Zustand der Auflösung greift ihr Bestreben ein, eine kybernetische Ordnung durchzusetzen, die in ihrer Ebenmäßigkeit die angespannten Widersprüche bezwingt und den Menschen, der sie austrägt, auf ihre Seite zieht. Die ungeheure Schwierigkeit dieses Unterfangens und damit der Widerstand, der ihm entgegengebracht wird, machen die derzeitige Krise aus.

Die ökologische Krise ist die letzte Erscheinungsform der sozialen Krise, der Krise des seiner Produktion und sich selbst entfremdeten Menschen; die letzte, weil darin die Produktion der Widersprüche eine Gestalt angenommen hat, in der die Frage des ganzen Lebens mit der Fragwürdigkeit des Überlebens zusammenfällt.

Der Ökologismus versucht, indem er die, Herrschaft des Scheins und der Ideologie aufrechterhält, die anstehende Aufhebung der ökonomischen Entfremdung hinauszuzögern. Er nutzt die Angst der bedrohten Individuen, um die Bedrohung abzuwenden, zu der diese für die bestehenden Verhältnisse mehr und mehr werden.

“Das bedeutendste Ergebnis der katastrophalen Auflösung der Klassengesellschaft ist, daß zum ersten Mal in der Geschichte die alte Frage, ob die Menschen in ihrer Mehrheit wirklich die Freiheit lieben, sich aufgehoben sieht, weil sie jetzt gezwungen sein werden, sie zu lieben.” (Debord)

Die ökologische Weltanschauung, der neue Mythos des 20. Jahrhunderts, will die Frage des ganzen Lebens, das Verlangen nach einem erfüllten selbstbestimmten Leben, wie es heute vor unsere Augen tritt, zurückweisen und muß so auch, in ihrer extremen Ausprägung, die Frage des Überlebens negativ beantworten. Die kühnsten Utopien der Ökologen zeigen eine kristallin erstarrte Naturschönheit, aus der der Mensch verschwunden ist.

Die Gattung ist von der Existenz der Klassenfrage durchschlagen, sie wird nie wieder in ihre naturrechtliche Einheitlichkeit zurückfinden können.

Ein Gespräch über Bäume

“Die Natur spielt mit uns, sie fordert uns heraus, mit ihr zu spielen”.
Johann Wolfgang Goethe

Die Natur wird nicht als Verhältnis verstanden, sondern als statisch “geschaut”. Das, was dem Ökologen Natur ist, entspricht einer gedachten Dinglichkeit, die intelligent ist. Sein Verhältnis zur Natur bleibt ein vergangenes. Es wird als verloren gesehen, als ein ursprüngliches, das ohne Zeit sein soll, obgleich es die Zeit dadurch beweist, daß es war und nicht ist. Der ökologische Ausgangspunkt ist es, das Verschwinden zu leugnen, die Vergänglichkeit nicht dialektisch zu begreifen, sondern als Zustand: als einen immer gleichen Kreislauf, der sich ständig beweist.

In der ökologischen Naturbetrachtung liegt eine Tendenz zur Sakralität. Wie der Mensch eine Ausprägung der Natur sein will, so ist doch diese Ausprägung zugleich seine Ausgliederung. Dieses Bewußtsein des Besonderen ist die Besonderheit des Bewußtseins, in dem sich die Verherrlichung findet. Im Göttlichen der Natur meint der knechtische Kniefall dem zu huldigen, wovon er abhängt, von dem er ein Bewußtsein der Abhängigkeit besitzt – doch diese Verehrung ist nur das furchtsame Zittern vor dem Ursprünglichen aller Verhältnisse. In der Verehrung liegt die Heuchelei, sie ist die ganze Wahrheit der Verehrung, denn sie bleibt der Versuch, sich gottgleich zu machen. Dabei kommt nichts anderes als Sentimentalität zum Vorschein.

“Republik Freies Wendland: Hier ruhte eine noch fast unberührte Landschaft in sich selbst, die schweren Wolken über der Unterelbe schienen aus Meeresweiten zu kommen, Runddörfer, voll von Geschichte, fügten den Menschen organisch in diese Landschaft ein. Noch war hier der Mensch Teil einer großen Natur. Die großen Wälder führten ihr wunderbares Eigenleben. Das Leben hatte seine eigene Schwere, wie das der Bauern und der Waldmenschen allüberall. Aber zu dieser Schwere gehört auch die eigentümliche Tiefe der Existenz, vor der sich der oberflächliche Zivilisationsmensch zu drücken versucht … Freies Wendland? Es kann durch Bohrlöcher geschändet werden, aber es wird nicht untergehen, solange es in unserem Herzen lebt.” (August Haußleitner in “Die Grünen”, 14.6.1980)

Im Zittern vor der Gewalt liegt das Zähneklappern vor der Natur, die als erste Gewalt das menschliche Bewußtsein historisch prägt. Im Verlauf der Naturbeherrschung, die – als Besänftigung – mit der Verherrlichung der Natur beginnt und in ihrer Nachahmung endet, wandelt sich dieses Verhältnis von einem intim Äußerlichen zu einem veräußert Intimen, zu einer Naturhaftigkeit aller Gewalten, die die Natur mit einschließt. Die Verhältnisse werden Natur und wie diese die Gewalt der Natur sind, wird deren Monolithismus nun der der Verhältnisse. Die Natur ist dabei ein apartes Erschaudern, die weihevolle Anbetung, in der die Poesie eines Vitalismus liegt, den die menschlichen Verhältnisse nur künstlich widerzuspiegeln vermögen. Und doch ist es umgekehrt zu dieser lyrischen Verdrehung gerade diese geschaffene Realität, die die Natur nur als künstliche schafft, als eine künstliche Stimmung jenseits des Lebens, das die Verhältnisse wirklich erzwingen.

Wie sich im Geld die Entfremdung ausdrückt, so bezeichnet die Entfremdung des Menschen von dem, was er tut, die Gestalt seines Verhältnisses zu dem, was als bloßes Überleben die Verhältnisse kennzeichnet, in denen es kein Leben gibt. So ist die Entfremdung keine Entfremdung zur Natur, sondern die des Menschen zu sich selbst. Es ist die Fremde in den eigenen Bedingungen.

Das Geld vollzieht den Übergang vom Tausch zum Handel und es ist gleichzeitig auch derjenige vom bloßen Verfügen zum Besitzen. Die Natur wird handelbar (Bodenbesitz, Bodenverkauf etc.) und geht in die abstrakte Tauschbarkeit über. Das Geld wird die Natur der Dinge, die Natur ist ein Teil der Dinge, wie sie vorher etwas ganz anderes sein mußte.

Die technische Despotie, für die die Ökologen so viel Haß empfinden wollen, bekräftigen sie, indem sie die Rohstoffe in die Heiligkeit zurückführen, die im nüchternen Abbau verschwunden war. Nun – spiritualisiert – kann die Natur als Quelle allen Reichtums verherrlicht werden, eine Quelle, die nur unterschiedlich genutzt wird. Der Ökologe sieht im Rohstoff die heilige Materie, der Kapitalist die Heiligkeit seines Besitzes. Beide beten sie an, beide fürchten das Versiegen und jeder kommt so zu seinem Reichtum: der eine in seiner Bilanz, der andere in seinem Kopf. Die Entfremdung tritt in unterschiedlicher Weise hervor, was im Resultat einig geht.

Was dem Kapitalisten die Fabrik ist, wird dem Ökologen die Natur: die Grundlage der Ausbeutung zu ökonomischem oder ideologischem Nutzen. Was der eine als Nachahmung betreibt, empfindet der andere als Frevel, indem der eine räuberisch das antastet, was der andere durch das Sich-Selbst-Überlassen ausbeuten kann. Beide blicken gleicherweise vor sich hin und sehen dasselbe, nämlich einen Zustand, der durch seine bloße Existenz Beweis seines Sinns sein soll. Im Grunde heben die Ökologen nur die Grundlagen der Produktion verklärt hervor.

Die ökologischen Gesetzmäßigkeiten sind die Beschränkungen der Ausbeutbarkeit von Rohstoffen und die Beschränktheiten der Ideologie, die im Gegensatz zu der Endlichkeit bestimmter Rohstoffe unendlich sein kann.

Die Natur ist sinnlos, ihr Sinn liegt in der Art und Weise, wie sie im Moment der Aneignung erscheint. Indem “Wie” liegt ihre jeweilige konkrete Bedeutung. Es ist nicht einmal besonders gewagt zu behaupten, daß der Neandertaler ein ähnliches Verhältnis zur Natur hatte, wie es heute üblich ist. Die gesellschaftliche Welt ist dem heutigen Menschen genauso rätselhaft, wie dem Neandertaler die ihn umgebende Natur war. “So steht die kapitalistische Gesellschaft ihrer eigenen Wirtschaft gegenüber nicht anders, als der australische Wilde dem Blitz, dem Donner, dem Regen gegenübersteht”, schrieb August Thalheimer 1928, wobei dieser Wilde den Naturvorgängen nur gegenübertritt, was deren Geheimnisse für ihn zwar beunruhigend macht, ihn aber diesen gegenüber auch gleichgültig beläßt. Die Ökonomie ruft Beunruhigung und Gleichgültigkeit gleichermaßen hervor und ist doch etwas ganz anderes als ein Naturereignis, da sie die ganze Tätigkeit des Menschen selbst ist. Die Dämonie der Ökonomie rührt nicht von einer Fremdheit aus Distanz her, sondern aus der Rückständigkeit des menschlichen Lebens gegenüber den geschaffenen Verhältnissen. Während gegenüber der Natur eine Distanz möglich ist, da sie ein distanziertes Verhältnis hervorruft, sind die industriellen Verhältnisse die Distanzlosigkeit, die eine generelle Entfremdung hervorbringen. Der Donner und die zuckenden Blitze, die jenem Australier Fragen aufdrängen, zu deren Beantwortung er für sich eine individuelle Erklärung finden kann, werden in der Ökonomie zu Fragen, die Blitze und Donner verursachen.

Das Verhältnis des Menschen zur Natur ist ein konkretes, ein Sinn schaffendes, während dem Ökologen alles unsinnig erscheinen muß, da der Mensch der Natur als einer ausschließlichen Intelligenz gegenübersteht, in der alles gegeben ist.

Die ökologische Aneignung von Natur als positivem Ort unterstellt, daß es keine biologische Autonomie gibt, sondern einen bloß schematischen – kybernetischen – Funktionszusammenhang. Autonomie hieße, den eigenen Notwendigkeiten Folge leisten zu können. Der Regelkreislauf aber trägt in seiner naiven Simplizität nur den Lorenzschen Graugänsen Rechnung.

Die Ökologen sind Anhänger des Gleichgewichts der Macht, der es gleichgültig ist, mit welchen Mitteln und Verbündeten sie ihre Grundlage erhält. Die “Harmonie der Natur” ist der Kitsch über der Gewalt des Stärkeren. Wir kennen die volksganze Harmonie der Macht als archaische Form im Faschismus oder als moderne Form der Telekommunikation. Die Natur dieser Harmonie ist genau die Harmonie der Natur, die in der ökologischen Propaganda angepriesen wird. Umgekehrt zu den Faschisten, die innerhalb ihrer Mythologie sehr genau einen Unterschied darin machten, daß sie diese nur als überhöhten Ausdruck vergangener Ordnungen sahen, sehen die Ökologen vielfach das “goldene Zeitalter” als bare Münze.

Die Natur ist der mystische Raum, die Verklärung verdrehter Verhältnisse, in dem an die Stelle des Menschlichen die Metapher tritt. Dagegen ist der soziale Raum die zeitliche Ausdehnung des konkreten Individuums. Der Tod entspricht hier der Negation der als ewig, also absolut gesehenen Natur. Der Mensch ist die Auflösung des Absoluten. In der eigenständigen Natur des Menschen findet sich seine mögliche Distanz zu den Dingen, die tot verbleiben.

Das Individuum, das in der ökologischen Anschauung als ganzes verschwunden ist, als autonomes und wesentliches Sein, ist nur noch Objekt, unterworfene und zusammengeflickte Gestalt. Die Psyche des Menschen leitet sich von der Natur ab. Dies wird durch die Technik und deren Einbruch im 19. Jahrhundert virulent. Nachdem die Psyche vorher unbeachtet nur als Technik funktionierte, wird sie dann als etwas besonderes wahrgenommen. Der melancholische Verlust als Verlust an Empfindung tritt neben der Vernunft auf, die als neue Natürlichkeit alles beansprucht, ohne es zu sein. Die Trauer des Verlustes ist die Trauer angesichts der ganzen traurigen Misere. Die Misere des äußeren Lebens muß nun in der Fülle des Inneren einen Ausgleich finden, wozu die Natur als Kulisse dienstbar gemacht wird. Alle Empfindungen sind Natur, die Schönheit wird mit dieser – obschon bereits verfallen – identifiziert. Und wenn solcherart Verlockung, etwa durch die Reiseberichte aus den unberührten Winkeln der Erde, auch nur der Fingerzeig sind, dem die Ausbeutung dieser natürlichen Verhältnisse folgt, so wird doch alles miteinander identifiziert. Wie die Verhältnisse rationeller werden, barbarisch kühl, so werden die Menschen komplizierter, sammeln alle Vergangenheiten, die zwar vorbei, nicht aber erledigt sind, in sich auf. Die Natur wird zur Psyche, wie diese im 20. Jahrhundert immer ausschließlicher die Natur des Menschen wird.

In einer Unterordnung unter die Natur, von der die Ökologen diktatorisch reden, verschwindet die Frage nach dem, was diese Unterordnung kostet, danach nämlich, daß diese doch wohl nicht außerhalb der menschlichen Unterordnung liegen kann. Die Ökologen bestätigen in der hierarchischen Dominanz der Natur die Natürlichkeit hierarchischer Verhältnisse. Sie erweisen sich als ideologische Makulatur, wobei das neue ihres Wesens darin liegt, die ganze historische Summe der entfremdeten Lebensverhältnisse des Menschen auf einen globalen Begriff gebracht und aufs neue bestätigt zu haben.

In der Gruhlschen Formel, nach der es nicht mehr ausschließlich um die Befreiung des Menschen gehen soll, sondern um dessen Bindung, ist drastisch die Wahrheit einer Natur wiedergefunden, die sehr wohl ohne den Menschen existieren kann, gleichwie sich das künstliche Leben nicht erst heute jenseits der Natur weiß. Doch wird der Mensch niemals ohne sich selbst zurechtkommen, wie es die heutigen entfremdeten Verhältnisse beweisen, und die geschichtlichen Kämpfe manifestieren, daß er sehr gut ohne diese Verhältnisse zu leben weiß.

Die rechten und linken Mystiker, die auf unterschiedlich gleiche Art die Natur anbeten und so das Empfinden in die Entfremdung zurückbringen, spitzen dadurch gleichzeitig die Frage zu, was denn nach der Befreiung der Bäume mit den Menschen zu geschehen habe. Was soll dann noch ein Individuum? Die Ökologen schaffen es so nicht nur, die Geschichte zu beseitigen, sondern zugleich auch sich selbst. Wollen sie eigentlich nur die Klassenfrage abschaffen und das entfremdete Leben vernatürlichen, so versimpelt sich ihr Gattungsbegriff, der an die Stelle des wirklichen Menschen das unwirkliche Hirngespinst eines Ideals setzt, zur kompliziert begründeten Selbstauflösung.

Was die Warenproduktion nur halb geschafft hat, den Menschen zugunsten der Dinge auszuschalten, ohne ihn ganz zu beseitigen – worin immer der Zwiespalt der Warengesellschaft bleibt – gelingt den Ökologen ganz. Sie rücken der biologischen Masse, der die toten Dinge nicht gänzlich Herr werden können – auch wenn die Sprache und das Soziale in die Warenverhältnisse übergegangen sind – durch den vollendeten Beweis seiner störenden Existenz zuleibe. Wenn auch die Ökologie ganz an ihre Mission glaubt, ein völlig neues menschliches Verhältnis dadurch zu schäffen, daß sie den Menschen vollständig zum Verschwinden bringt, so ist dies doch nur der fehlende Teil von der Arbeit, die die Ökonomie bereits geschafft hat. Es ist daher die Warenproduktion, die am schnellsten die Chance erkannt hat, sich zu stabilisieren und den Naturtrend als Markttrend auszunutzen, womit sie die reine ideologische Gefahr, den Hinweis auf die Unverträglichkeit des menschlichen Lebens in ihrer Atmosphäre, gleichzeitig bannt und auf ihre Weise zur eigenen Stärkung fördert, indem sie alle Produkte vernatürlicht oder neue schafft, die die Bedürfnisse des Ökologen zu seiner Verblüffung als leicht konsumierbar erweisen.

Durch die Beweisführung der Akkumulationsfähigkeit weist die Warengesellschaft nicht nur auf die entfremdeten Vorstellungen eines Bewußtseins der Entfremdung hin, sondern vor allem auf die Quellen der Entfremdung selbst. Diese Quellen sind aber – nicht wie die des Nils vor Stanley unbekannt, und wenn dies Bekannte auch nicht das Erkannte ist – da der ökologische Stanley statt einer Quelle nach einem Gral Ausschau hält – so bleibt es doch direkt dort, wo der Mensch so viel verliert, ohne etwas zu gewinnen, in seinem Leben nämlich, oder dem, was er dafür hält.

Das Opfer, das diesem Überleben täglich gebracht wird, hat sich als Sisyphuskugel gezeigt und selbst den zähesten Selbstverleugnenden erscheint es als eine Mühsal, die nichts als einen Lohn einbringt, der zudem ständig bedroht ist. Nachdem dieses Bewußtsein zunimmt und gleichzeitig die Bereitschaft, sich diesem Ballast aufzuopfern, abnimmt, gibt die Ökologie durch ihre Aufopferung, die Empfindungsleere durch die Hinwendung zur Natur aufzufangen, einen Hoffnungsglimmer. So wird aus den Gedanken, die Ware zu bedrohen, das Rezept, die Bedrohung der Warenaneignung zu stoppen. Die Ökologie wird vom preislosen Nichts einer Idee zur Preisidee eines Lebens, das nichts ist. So führt der Mythos von den natürlichen Verhältnissen die Ideologie des freizeitlichen Druiden ein, der die entfremdeten Verhältnisse natürlich mystisch empfindet.

Alles kann klein, überschaubar und natürlicher werden, darin stimmen die meisten Technokraten mit den meisten Ökologen überein und auch darin, daß eine Holzheizung neben ihren ökonomischen Vorteilen den der anregenden Betätigung beim Holzzerkleinern mit einschließt, in der ein mittlerer Angestellter wieder zu sich selbst finden kann. Nur eins schließt sich weiterhin aus: die menschliche Größe. Doch für den einen wie den anderen spielt sie keine Rolle, sie ist sogar für diese Apologeten der Entfremdung störend angesichts der Tatsche, daß das menschliche Begehren in einem gefälschten Bewußtsein sich mit den fälschenden Erzeugnissen des Ersatzes zufriedengibt. Die schönsten Tage der Warenkolonisierung sind genauso vorbei wie die beschaulichen unter den Buchen. Dort, wo sich einst die großen Gefühle in den kleinen Chroniken eines Eckermann niederschlugen, blieb inmitten der Zäune von Buchenwald eine Endlösung, die heute von ihrer rassistischen Ideologie gelöst ständig auf den ganzen Menschen zielt.

Was sagen die Bäume? Nichts. Nur der Ökologe möchte sie zum Sprechen bringen, so wie die Ökonomie ihre Erzeugnisse das Plaudern lehrte. Leer ist beides, vor allem aber ist es der Mensch, dem dies zu schaffen macht.

Die Natur ist die vergrünte Dingwelt. Neben den kybernetisch getränkten Fiktionen von Abläufen ist die Natur für die Ökologen eine Metapher, in der die Reibungslosigkeit fixiert wird. Die Entfremdung wird ursprünglich, auch wenn der Ökologe denkt, sie liege im Verlust der Ursprünglichkeit. Der Ökologe spekuliert und die Tatsache, daß es Bäume gibt, dient ihm zum Beweis seiner spekulativen Wahrheit. Ihm ist der biologische Ablauf Gesetz, dem er zustimmen zu müssen meint, obgleich dieser wesentlich ohne seine Bejahung abläuft. Die Natürlichkeit der Dinge sind die Dinge der Natürlichkeit als unendliche Dimension. Die Warengesellschaft steht aber mit der Begrenztheit der menschlichen Ausbeutbarkeit vor der Schwierigkeit der Endlichkeit. Die Natur als mythisches Loch kann diese Zerstreuung der Energie aufs neue anziehen und binden. Daß dennoch alle Kraft verschwindet, liegt in der Logik von Ideologien, die eben nur ein Denken sind, das stehenbleibt. Wie sich so alles denken läßt, wird auch alles der stoischen Realität untergeordnet, die aus dem Gedachten das Verlachte macht. Um diesem Zerfall, den die gegenwärtige Welt so schmerzlich erfährt, einen Riegel vorzuschieben – jenen, den wir 1968 aufrissen und so in dem als endgültig gedachten Zustand sofort ungeheure Verheerungen anrichteten – benötigt die Macht vor allem die diffuse Unklarheit. Indem sich die Ordnungsmächte darüber hermachen, sich im Ökologismus neu einzukleiden, finden sie die Tarnkappen zum Verdecken ihrer Blößen, rüsten die vergammelten alten Werte mit dieser neuen Innerlichkeit auf, um auf das Schlachtfeld ihres kybernetischen Fortschritts eine neue Vendee-Armee zu führen, die ihnen Ordnung und Ruhe verschaffen soll, da jeder weitere Fortschritt dieser entfremdeten Welt mit dem Burgfrieden verbunden ist.

8000 Jahre Einsamkeit im Kosmos

“Der Bourgeoisie zufolge ist die Geschichte dann ein Krieg, wenn sie selbst siegt. Ansonsten ist sie Natur.” Jean-Pierre Voyer

Die siebziger Jahre sind ein letzter Versuch, das unwirklich Erscheinende durch das Betreten des Mondes nicht wahr bleiben zu lassen. Echos verhallen in den Tiefen des Raumes und die Astronauten blicken traurig auf den blauen Planeten; sie symbolisieren das ganze Ende einer Hoffnung, die im Himmel aufbewahrt sein sollte. So haben diese letzten Versuche die Welt um eine Illusion betrogen und den Betrogenen eine ganze betrügende Vergangenheit genommen. Die Geschichte steht wesentlich an einem Punkt, um den keine Gespenster mehr herumlungern, vielmehr die Tatsache der Leere eine ausschließliche Sinngebung durch die Individuen real macht.

Die kapitalistischen Spekulationen, irgendwo im Raum in kurzer Zeit neue Quellen des Reichtums zu finden, fallen zurück in die Science Fiction, wie gleichwohl hartnäckig der Wunsch nach dem Göttlichen als Sinngebung sich tastend auf der Erde bewegen muß und in dieser Weise alles verherrlicht, was außerhalb des Individuums liegt.

In diesem Sinne erweist sich die Ökologie als ein Produkt des Zerfallens von Zeit. Geschichte ist ein Verrinnen, das nichts bedeutet in dem festgelegten Sinn, der einzig die Natur ist und die Unterwerfung darunter. Die Menschen stören diese Stille und so, wie das Kapital den Menschen durch die Dinge beseitigen möchte, will die Ökologie nur eine andere Rangordnung dieser Unterordnung durchsetzen.

Die Geschichte wird zur allgemeinen Spekulation. Der geschichtliche Prozeß verliert sich innerhalb einer Mythologie. Mythos aber schließt den Stillstand ein, wandelt das zu Machende in ein ewig Gewesenes um, das es nur zu bewundern gilt. In dieser starren Optik ist die Utopie ihr angemessener Ort. Während die geschichtliche Kritik auf das Handeln als entscheidendes Moment setzt, setzt die ökologische Mythologie auf den idealen Ort, für den man sich opfert. Dadurch wird das Handeln wesentlich willkürlich, denn nicht die Handlung, sondern das Ziel ist entscheidend. Wie Handlung und Ziel nur willkürlich zu trennen sind, ist das, was geschieht, eine Willkür, die sich ein eigenes, ihr angemessenes Ziel schafft. Das macht alle Utopie zum Gegenteil von dem, was sie sein will. Die Taktik gewinnt Oberhand und verbiebt [unklar im Original] den Einsatz des Individuums vor einer beschlossenen Zukunft. Das Handeln entspricht dem festen Mythos, den sich die Ökologie zu eigen macht. Die Legende wird zur Wirklichkeit, in der das Wirkliche legendenhaft erscheint.

Die Zeit soll verschwinden. Zuerst als Zerfall ihrer Wahrnehmung und dann der zerfallenen Wahrnehmung folgend in einen verschwundenen Raum mündend, dem es untersteht, legendär zu sein. In der Legende beschwört sich eine Handlungsweise, die nur eine Vergangenheit hat. Die Gegenwart dient dieser Verherrlichung. Deshalb wird die Natur ein einziger Topos immerwährender Wahrheit und – als Ewigkeit genommen – erscheint sie als ein absolutes Sein. Sie wird gleich Gott. Neben dieser Überhöhung stürzt der Mensch ins Lächerliche der Utopie. Je sinnhafter diese ist, um so unsinniger ist die Handlung, deren Sinn aufgehoben in einem Zukünftigen liegt.

Die fortlaufende Bewegung der Verhältnisse zerlegt den idealen Ort in seine einzelnen Bestandteile. Hier nun erweisen sich diese Teile als Musterstücke innerhalb der herrschenden Verhältnisse: Versatz. Gegen die drohende Verbleichung durch die totale Mechanisierung ihrer Praxis lebt die Ökologie nur als totale Idee, die es umzusetzen gilt. Ist zuerst der Kopf allein das totale Heil, so will die Handlung das totalitäre Heil des Kopfes. Das Gedachte ist für den Ökologen schon dadurch das Wahre, da es sein eigenes ist, auch wenn es nur die ureigenste Lächerlichkeit ist und nichts außerhalb dieses persönlichen Verhältnisses. Ein Verhältnis, wo außer dem hervorbringenden Kopf keine Wirklichkeit mehr ist. Die Utopie bedarf daher der Sekte, in der sich alle einig sind, und die je nach den Umständen sich für einen der Pole entscheidet, zwischen denen sie pendelt: Reformismus oder Terrorismus. In beiden findet der Utopist zu sich, indem das eine oder andere zwangsläufig sein Dilemma wiedergibt: Seine Vorstellungen müssen als fix und fertiger Zustand umgesetzt werden und im Scheitern dieses Vorgehens ergreift er den Pragmatismus, unterwirft sich Notwendigkeiten der schematisch verstandenen Realität, “aus den Höhen des Ideals fällt er hart auf die Erde”, innerhalb der zurechtzukommen er sich bescheidet.

Der Reformismus entspricht der Tatsache, daß sich die vorgestellte Welt als Rezept dosiert und in dieser Form der heutigen Wirklichkeit Vorschläge für ihre Verbesserungen gibt.

Der Terrorismus als Variante des Reformismus spiegelt jene Rigorosität wieder, die im Kopf eine so friedvolle Verwüstung angerichtet hat, daß dieser Kopf den Frieden nur in der gleichen Verwüstung zu erblicken vermag. Er entgegnet dieser Welt mit ihren eigenen Regeln: er spielt mit dem Untergang, den er dieser Welt zuschreibt und sich selbst zueigen macht. Der Ausweglosigkeit der Welt kontert er mit der Ausweglosigkeit seines Kampfes.

Der Terrorismus hat seine Utopie zugunsten des militärischen Kalküls aufgegeben, die er getrennt von der gesellschaftlichen Entwicklung gemäß jeder Sinngebung – außer der der Selbsterhaltung – beraubter Techniken durchführt.

Die ökologischen Ideologiebildner bauen auf die Kybernetik, wie ihre utopistischen Vorläufer auf die Wissenschaft als humane Macht gesetzt haben: Erklärbarkeit und logische Verknüpfung sind ihnen die gemeinsamen Werte, die die Macht der Wissenschaft bewirken soll. Sie modernisieren die Lüge der Religion zugunsten operationeller Informationen, die dieselbe Bereitschaft zu blinder Gefolgschaft erfordern. Das göttliche Zentrum ist nun die Informationszentralisation: Abstraktion und Ertragbarkeit des sozialen Elends organisieren beide.

Die Ökologen vermögen es so, nach der praktischen Herrschaft der Ökonomie über die Menschen, wieder eine ideale Herrschaft über ihn herzustellen, die ihn – ohne über das getrennte Jenseits der Religion zu verfügen – alltäglich und ganz praktisch unterjocht. Nur besonders rückständige Ideologen fordern über die allumfassende Weltschau der Ökologie hinaus noch eine neue spirituelle Auffassung, die Neubesetzung des verschwundenen Throns hinter den Wolken. Das hat die Ökologie insgesamt nicht nötig: ihr kybernetisches Modell umfaßt alle Aspekte, die zu einer neuen Sinngebung nötig scheinen. Sie renovieren den Mythos, das einheitliche Absolute, in dem die Widersprüche der Welt illusorisch gelöst sind, und machen die Kybernetik zum Ort des Heiligen. War zunächst der Mythos aus dem Willen der Menschen entstanden, gegenüber der Natur zu überleben, sollte er den Schutz des Menschen vor der Natur gewährleisten, entspringt er heute dem Gegenteil, nämlich der Anmaßung, den Menschen in den Dienst einer Natur zu stellen und diese vor ihm zu schützen, die zudem nur noch eine ideelle Existenz besitzt. Die Ökologen demonstrieren ihre Ignoranz gegenüber der Geschichte, ihre Übertragung des Zyklus auf den Verlauf der Zeit – Kreisläufe, in denen sich nichts ändert und die sich schematisch wiederholen -, indem sie die gesamte gesellschaftliche Bewegung der Entweihung des Mythos ignorieren. In der Bewußtwerdung des Menschen über sich und seine Zeit ist das Mythische negiert worden, wenn auch – da sich diese gesellschaftliche Tendenz nicht global durchgesetzt hat – gleichzeitig das Mythische aufbewahrt und nur in seiner Form verändert wurde: die Organisation des verständlichen Scheins ist der Kompromiß zwischen dem Bewußtsein der Autonomie und den Rettungsstrategien der Hierarchie. Seit der aufklärerischen Vernunft hat die Geistigkeit in dem Prozeß der Entweihung ihre Inhalte eingebüßt, sie ist brutale und konkrete Form der Unterwerfung des Menschen geworden. Die technokratische Allmacht beinhaltet nichts mehr und sie dankt es den Ökologen, die frische Farbe auf ihr bleiches Grau auftragen. Die Ökologen wiederum danken der kybernetischen Macht dafür, daß sie bereits besteht und daß sie sie ignorieren und gleichzeitig benutzen können. Sie benutzen sie, indem sie sie heiligsprechen, sie ignorieren sie, indem sie die Bedingungen ihrer Entstehung übersehen: die Entwicklung der Technik, die als Welt des Verständlichen eine objektiv entheiligende Wirkung hatte, so daß der einheitliche Mythos zerbrach, gleichzeitig in die Technik selbst das neue Heil gelegt wurde als Befreiung des Menschen von Mühsal und Elend. Die Ökologen leisten denen die besten Dienste, die die an ihre Grenzen gestoßene Warengesellschaft auf hierarchische Weise zu sanieren versuchen: Natur und Technik sind so austauschbar wie abstrakt, da sie nicht mehr getrennt existieren.

Aus dem in Ideologien zerbrochenen Mythos strebt die Kybernetik an, wieder eine Einheit, und sei es auch nur eine aus völlig verbrauchten Versatzstücken, herzustellen.

Die Ökologen schaffen in der Unterwerfung des menschlichen Lebens im Abstrakten die Unterwerfung des Menschen im Konkreten. Die Unterordnung unter ein Diktat der Natur fordert das diktatorische als naturgegebenes Verhältnis heraus. So können sich alle Verhältnisse der zerfallenen Welt wie zur Zeit ihrer Einheit verstehen. Die Ökologen geben dieser Welt nicht den Rest, sie geben stattdessen der Welt das zurück, was sie verbraucht hat. Die globale Unterwerfung ist die Unterwerfung unter ein Detail, das sich global verstehen will und der den alten Klamauk von der Naturhaftigkeit des Vorgefundenen, als ein Zustand des sich mit den Dingen Abfindens, aufs neue belebt.

Der einfache Militant der neuen Weltschau hat nur eins verstanden: es gibt für ihn keine geschichtliche Entwicklung, weil alles gescheitert ist und nunmehr kurz vor seinem Ende steht. Er zieht daraus die Schlußfolgerung, daß doch etwas gut gewesen sein muß, und zwar der Anfang des Menschseins, wo der Mensch noch Natur war. Er, das gescheiterte Individuum, sucht als letzte Rettung die einfache Adaption des Mythos als illusorisches Allheilmittel: Die freiwillige, dem erreichten geschichtlichen Bewußtsein konträr entgegenstehende Unterwerfung unter die Maximen:

“Ehrfurcht vor dem Lebendigen, friedliche Schaffung neuer politischer und kultureller Werte, Ordnung, Zuverlässigkeit, Bescheidenheit, Unterordnung unter den Zyklus der Natur, Respekt vor der Materie …”

Das propagierte Scheitern der Geschichte findet sich im Scheitern dieser Individuen.

Alles hat sich verändert, auch wenn es gleich scheint. Die ökologische Propaganda will zwar die Welt der Hierarchisierung retten, aber ihr Wille verfügt nur über ausgebrannte Geschoßhülsen. Sie greift in die Vergangenheit und zerrt verfallene Modellbauten hervor, die sie mit Hilfe der kapitalistischen Renovateure anpreist. Gemeinsam verschweigen sie, daß es sich um den reinen Staub der Vergangenheit handelt, die unrückholbar ist und nur aus dem Grund ideal erscheint. Gemeinsam unterschlagen sie auch die Geschichte der ungeschichtlichen Rückbesinnung, die immer dann zur Anwendung kommt, wenn vorwärts nur der Ausweg gegen ihre Machtwälle eingeschlagen werden kann und alle Kräfte zur Einnebelung dieser eindeutigen und sehr klaren Erledigung der Misere mobilisiert werden müssen. Sie können aber nicht völlig verschweigen, daß die gesellschaftliche Krise so weit aufgerissen ist, daß solche Manöver sie nicht mehr verbinden können. Die proletarische Autonomie hat sich bereits solidere Bastionen geschaffen und nur das Spektakel der universellen u Bedrohung gibt den Greisen der neo-staatlichen Lüge so viel Raum für ihr Geschwätz.

Die wiederaufbereiteten Werte dienen zur Abstützung des Überlebens – aber nicht mehr in dem Sinn einer Erhaltung der Spezies Mensch wie zu gesellschaftlichen Urzeiten, sondern in dem Sinn der Verhinderung des Lebens unter Androhung seiner katastrophalen Zerstörung bei Nichtbefolgung. Dabei erliegt auch das gesellschaftliche Empfinden der Apokalypse der Verblassung durch Wiederholung. Lauwarme Pragmatismen werden halbherzig über Katastrophen und deren Andeutung gebreitet. Das Bewußtsein des nahen Endes geht in Gleichgültigkeit unter, ohne zu dem Lebensüberschwang zu führen, den das Leben in der direkten Nachbarschaft zum Tod zu anderen Zeiten hervorrief. Der Moment war es, der für das ganze Leben zählte, während es heute die staatliche Infiltration dahin gebracht hat, daß der Tod durch die Katastrophe nichtig ist angesichts des täglichen Sterbens im Überleben. Der Begriff vom Leben selbst konnte so weit eliminiert werden, daß der Tod nicht mehr schreckt. Eine Gesellschaft, die kein Leben mehr kennt, kann auch keinen Tod finden. Die Geläufigkeit des Todes als tägliche Erfahrung des Nicht-Lebens ist der Sieg der Konterrevolution, wohingegen sich die Partei der Revolution Vorstellung und Existenz des Lebens neu erobern muß. Die Geschichte der Revolution zeigt uns zu jedem anderen Zeitpunkt eine unmittelbare Konkretion des Begehrens. Das, was Sorel als “Mythos” einführte, war das direkte Anliegen der Partei des Fortschritts, die ihr Vorankommen dadurch bewies, daß sie nach der Entmythologisierung des spezifischen “Mythos” durch seine praktische Durchsetzung sich einen neuen schuf und für die Bedingungen seiner Durchsetzung kämpfte – so gesehen der Kampf um die Eroberung des Lebens und des Bewußtseins durch die revolutionären Arbeiter. Woran es heute mangelt, dem unmittelbaren Zielpunkt der revolutionären Aktion, ist gleichzeitig die neuartige Chance: das Bewußtsein, daß es um nichts als das gesamte Leben geht.

Das Ende der globalen Demokratisierung – der Arbeit, des Geldes, des Opfers, der Entfremdung – ist für die Ökologen die globale Unterwerfung unter die Natur. Alles autonome Gesellschaftliche soll nun ihr geopfert werden, der neuen Herrscherin, die nur eine jugendliche Maske der alten ausgezehrten, universell herrschenden großen Dame – der Ware – ist. Die Ökologie ist das Polizeiaufgebot, das dieses Massenopfer überwacht.

So ist die Ökologie sowohl Inhalt als auch Kontrollinstanz für die Durchsetzung der Kybernetisierung, für die staatlichen Erneuerungstendenzen. Da sie einen totalen Bund mit dieser Welt geschlossen hat, betrifft sie das soziale Leben mehr als alle separierten Phraseleien neuer Staatsdenker, neuer Sozialtechnologen, neuer Warenstrategen. Sie vermag die Welt als Ware zu stabilisieren, indem sie sich gegen die Produktion derselben ausspricht; indem sie die Ware als getrenntes Übel denunziert, kann sie sie global vor ihrem Untergang retten. Indem jeder Aspekt dieser späten kapitalistischen Gesellschaftsordnung angegriffen wird, jeder Ansatz von Kritik in diesem diffusen Sumpf mit den heiligen Nebeln eingeht und verschwindet, ist der Kritik selbst jede Unabdingbarkeit genommen. Sie wird erfüllt unter der Voraussetzung der Hierarchie. Beteiligung und Beherrschung sollen ihres fundamentalen Widerspruchs entledigt werden, indem Beteiligung als Beherrschung und Herrschaft als Selbstverwaltung inszeniert werden.

Die Gleichheit der Nichtigkeit findet nach dem Verschleiß der Befreiungsbewegungen für Regionalismen und menschliche Separatidentitäten das letzte obskure Objekt der Befreiung: die Natur. Die Aufrüstung des Identitätszerfalls durch die Opferung des Handelnden für das zu Befreiende erreicht die Gemeinschaft aller Menschen. Der Fortschritt liegt in der Opferung der Individuen zugunsten der Natur – ohne daß je ein Gott seine Rache auf eine derartige Ausrottung der Menschen angesetzt hätte, und ohne daß eine identifizierbare Stimme auszumachen wäre, die diese Ungeheuerlichkeit auszusprechen vermag. Das Verschwinden dieses Despoten, der nicht mehr für sich opfert und auch nicht für das imaginäre Heil seines Volkes, zeigt die kybernetische Abstraktion an, die den Herrscher wie die Beherrschten verschwinden läßt. Unter der Parole einer “neuen Menschlichkeit für diese Welt” soll ihr alles gegeben werden außer der Menschlichkeit und letztlich soll sie die Humanität in der Verdinglichung vergessen, wie die Individuen als soziale Wesen aufgelöst werden sollen – mit der ganzen Humanität und ihren veralteten Trägern soll ein für allemal Schluß gemacht werden.

Der Mythos der Natur, als moderner Neo-Mythos, führt die Tradition fort, in der es keine Freiheit für die Handlungen der Menschen gibt. Die Strategen des Mythos kommen bestens auf ihre Kosten, weil sie den Mythos als Ware inszenieren: Sind doch diejenigen die einzigen, die vom Naturmythos direkt profitieren, die ihn verkaufen. Dann gibt es die verschiedenen Unterkategorien des Profits im Sinne der masochistischen Befriedigung für Personenhülsen, die der Stabilisierung des Mythos – und nicht der Personen – dienen:

der Mythos als Therapie für gescheiterte Militante jeder Richtung;

der Mythos als Ersatz für das Angestellteninterieur, dessen Zerfall bereits so weit fortgeschritten ist, daß er zur existentiellen Stabilisierung Legenden wie die der nostalgischen Aufspürung der Titanic braucht, als ob es dabei um das Aufspüren eines versunkenen Lebens ginge und nicht um das profane Gold auf dem Grund des Meeres;

der Mythos als reine Restauration des Konservativen: der Bindung des Menschen und seine Einführung in eine neue stabile Hierarchie.

All diese Ersatzmythen sind wahlweise austauschbar, mit dem gemeinsamen Wesen, dem einzigen Mythos dieser Welt untergeordnet zu sein, ihrer globalen Unterwerfung unter die Ware. Die Geschichte, die man immer wieder zu verschweigen und zu fälschen gezwungen ist, ist der virulente Gegenbeweis gegen diese Strategen, und ihre Kraft wußte bisher gegen jede gesellschaftliche Lüge vorzugehen,

Standard-Denker der Politischen Ökologie.
Eine kleine Auswahl ihrer Protagonisten.

GRUHL, Herbert, kristallisiert den Verlust der bürgerlichen Gesellschaft, die Sehnsucht nach ihrer Wiederkehr als Hegemonialkraft dominierender Werte. Ihn quält das Bewußtsein, über kein Bewußtsein, das ein genaues gesellschaftliches Sein verdeutlicht, mehr zu gebieten. Er steht für eine Kritik der Warengesellschaft, in der die Ware auf dieselbe Nützlichkeit wie die Werte gebracht werden soll, in der die Ware die Werte nicht angreift, für die die Ware nur Mittel zur Inbesitznahme der gesellschaftlichen Macht ist. Gruhl möchte ein neues Gleichgewicht, einen Zustand, in dem der Sinn die Ausgeglichenheit der Rechnung anzeigt, in dem sich alle und alles hierarchisch von neuem unterordnen läßt, wie in den Zeiten des göttlichen Mittelpunktes, dessen Platz, vakant vom christlichen Lumpen, die Natur einzunehmen hat. Dies liegt alles bloß deshalb in metaphysischer Abgehobenheit, weil die irdische Sinnlosigkeit innerhalb der Macht eine sinnhafte Wirklichkeit besitzt, der Gruhl immer treu war. Diesen Treueeid sieht er durch dieselbe Welt in Gefahr gebracht, der er galt. Gruhl ist nicht nur stockreaktionär, er ist zudem das Selbstopfer eines Zusammenhangs, der nur ideologisch existiert, was ihn in den Augen der Medien zeitweise als Abtrünnigen erscheinen ließ, während er bloß mit anderen ideologischen Überbleibseln korrespondierte, die wie er keine andere Zukunft als ihre Vergangenheit besitzen. Während Gruhl aber das Siegreiche seiner Vergangenheit vorzeigen kann – eben diese Gegenwart – liegt der Sieg seiner Mitreisenden im Eingeständnis ihrer Niederlage, die keine anderen Siege mehr verspricht als die über sie selbst, d.h. über gar nichts. Die Stärke von Gruhl liegt in dieser Opposition, die den Mythos des ehrbaren Konservativen benötigt, um sich selber mehr Wahrheit zu verschaffen. Gruhl ist der Staatsmann, der die Macht kennt, das also, was viele seiner linksgewickelten Verbündeten erlangen möchten und was sie deshalb anzieht.

SPRINGMANN, Baldur, siehe Gruhl.

HARICH, Wolfgang, behauptet eigentlich nur das, was die Bürokratie, der er alles verdankt, schon ist. Als ihr Reformer sucht er ihrer Herrschaft die Produktivität zu geben, die ihr fehlt. In der Ökologie begründet Harich den Mangel, der dieser eigen ist; sie soll die ökonomische Misere zur sozialen Natur wenden, wobei die praktizierte Beendigung der Geschichte unter der bürokratischen Herrschaft nicht nur die praktischen Vorgaben geleistet hat, was ja ihre wesenhafte Wahrheit ist, sondern nun auch theoretische Wahrheit werden soll. Wenn Harich das Reich der Freiheit, das er Marx so sehr ankreidet, aus dem ideologischen Haushalt der Bürokratie verweist, so deshalb, weil dieses dort heute selbst als Dekor störend wirkt und er nur theoretisch nachholt, was die Bürokratie praktisch schon mit sich selbst ausgemacht hat. Die Ideologie, so wie sie seit 62 Jahren durch die feudalsozialistische Bürokratie repräsentiert wird, wird durch Harichs Bürokratentheorie aller transzendentalen Beiwerke entkleidet, so daß ihre Wirklichkeit dem entsprechen kann, was aller Macht fehlte, nämlich dem Selbstbewußtsein. So können die Machthaber das sein, was sie sind, ohne ständig etwas vorgeben zu müssen, was sie nie sein wollten und nie zu werden gedenken. Harich fehlt zwar das, was Macchiavelli zu sagen wußte, aber er ist das, was Macchiavelli auslöste und wozu die Machthaber zu aller Zeit die Moral ins Feld führten. Harich murmelt, moralisch wie auch kühl, er verbirgt sich nicht allzu sehr hinter der moralischen Abschwächung seiner bürokratischen Diktatur, sehr wohl aber vor der Geschichte, die ihn vorgestern schon verhöhnte. Und so wie der alte florentinische Verwaltungsbeamte versichert Harich seinen Herren immer wieder, wie sehr er ihnen doch zu Diensten sein will und daß ihre Feindschaft ein Verkennen seiner Absichten ist.

Hierdurch wird der Titel seines Buches “Kommunismus ohne Wachstum, Babeuf oder der Club of Rome”, auch nur in den Augen flüchtiger, schlecht unterrichteter Leser zur Blasphemie, war doch die Geschichte der staatsbürokratischen Herrschaft nie eine andere und nicht einmal so frei wie Babeuf, der noch scheitern konnte, weil alles vor ihm lag. Harichs Welt kann den Standort nicht verlassen, den sie einmal erobert hat. Vor Harich liegt nichts als das, was immer war.

DUVE, Freimut, einfacher Sozialdemokrat auf dem Weg zur Macht.

EPPLER, Erhard, Sozialdemokrat an der Macht, der versucht, diese Teilhabe zu wahren.

STEFFEN, Jochen, zog den einzig richtigen Schluß aus seiner politikanten Laufbahn, indem er aus der Sozialdemagogie ausschied und ganz zur Kleinkunsthumoristik überwechselte.

AMERY, Jean, personifiziert die gnadenlose Verfolgung des metaphysischen Heils als geheilte Entfremdung, in der keine Geschichte mehr stört. Amery marschiert als dritter Knecht, gelehrtes intellektuelles Auge, zwei Grad nach links, damit die vier anstürmenden Reiter des apokalyptischen Schreckens nicht die Welt, sondern die Geschichte, den geheimen Lenker dieses Gespanns, über den Haufen rennen, gemäß seiner christianisierten Kolonialformel, in der es heißt: “Bisher hat sich der Materialismus damit begnügt, die Welt zu verändern; jetzt kommt es darauf an, sie zu erhalten.” Bedarf auch diese Zeit keines Marienkultes mehr, so bedarf Amery dennoch dessen komplizierter gynäkologischen Funktion, um seine Einfälle über die sinnfälligen Wahrheiten der Realität hinweg, Klippen für so manchen Schiffbruch, in die Welt zu setzen.

BOOKCHIN, Murray, Miserantrop der amerikanischen Ungeschichtlichkeit, die ihn nicht nur notwendig zum Utopismus zwingt, sondern, solchermaßen abgedrängt, auch in die Koexistenz pragmatischer Vielfältigkeiten, die dem extremistischen Positivismus folgend eine Ersatzgeschichte bereiten, in der alles Ersatz ist. Als Anarchist versteht er die Welt nur in soweit, wie diese ihm als Anarchisten zustimmt, d.h. ihm beweist, wie sehr ihr am Schwärmen liegt, fehlt ihr doch der Weihrauch im blauen Dunst ihrer eigenen Atmosphäre, die für die Welt und den Anarchisten das gleiche Jammertal ist, das es zu verlassen gilt. Bookchin hat nichts erfunden, dafür aber um so mehr gefunden, zusammengesucht, was ihm fehlte, und vor allem eins destilliert, nämlich, daß dort, wo die Verwirrung sich als Spektakel ausprägt, nichts willkommener ist, als die Verwirrtheiten ständig neu zu systematisieren. Die Bildhaftigkeit bleibt flexibel wie ein Vexierbild. Bookchin ist allerdings, gemessen an anderen Denkern dieser Art, nicht besonders originell, nicht nur, weil er seinen Brei aus verschiedenen soziologischen und ideologischen Abfalltonnen schöpft, sondern vor allem, weil seine Anhänger auch wenig Anlaß dafür geben, mehr dazustellen, als nur “einer von ihnen” zu sein. Theoretische Funzel zu sein, heißt, sich so naiv wie möglich und so gläubig wie nötig anzustellen, damit sowenig Licht bleibt, daß niemand Schatten werfen kann, dafür aber alles in diesem liegt. So ist alles möglich, auch das unmöglichste, was das ganze ist. Bookchin ist also nie allein und seine Anhänger trösten sich damit, es ebenfalls nie zu sein. Das ist der ganze jammervolle Trost, in dem keiner etwas für sich darstellt.

STROHM, Holger, Technokrat, der sich aus unsicheren Zukunftsaussichten als Industrieberater im Eklektizismus vervielfacht hat und sich in Wiederholungskreisläufen, Kühlsysteme der Katastrophe erhitzend, in der politischen Karriere friedlich abzukühlen hofft, um dadurch endlich den gebührenden Platz als Neo-Fachmann in Atomfragen zu erhalten. Keine Kollaboration ist ihm hierbei zu unwichtig, keine läßt er aus, so daß er von der UNO wie der maoistischen Bürokratie gleichermaßen lobend spricht, wie diese solche einfältigen Idioten benötigen, um ungestört weitermachen zu können. Sein besonderes Verdienst liegt innerhalb der Vervielfachung einer Tatsache, die tatsächlich vielfach den Buchmarkt einnimmt. Und wie dieser, so ist auch Strohm von sich eingenommen, ganz und gar, wodurch es ihm gelungen ist, den neuen Typus des Karrieristen darzustellen, der, ohne die Hilfe der Gesellschaft direkt ausnutzen zu können, existiert, wobei er diese nicht einmal verlegen für inexistent zu erklären braucht, da es ihm ständig wesentlich um deren Anerkennung geht. Bis zur vollkommenen Erlangung seiner Anerkennung bleibt er in Opposition, wie zufällig, dem Anerkennung hieße für ihn ein Amt, zu mindest aber ein Diplom. Nur durch solche antiquierten Auffassungen kann er die Tatsache übersehen, daß ihm die Gesellschaft im Prinzip schon lange zugestimmt hat. Dieses ihm notwendigerweise eigentümliche Verkennen hält ihn weiterhin im klassischen Bereich einer künstlichen Opposition, in der vom Leninismus bis zum Bio-Faschismus alles Platz hat, in der der Opportunismus dynamisch und die Verblüffung das Wiedergekaute ist.

DUHM, Dieter, Psycho-Kybernetiker, bei dem die Theorie als Eingebung, als höheres Gut, die Einbildung von Theorie bewirkt und ihn ins Stadium eines versessenen Konvergenz-Apostels transportiert. Besessen darauf, alles zu vereinigen, was ihm unter die Finger gerät, hat er sich nach dem zweiten Desaster seiner alternativen Professoralität neuerlich eine “Bauhütte” zugelegt, jenen periodischen Spleen vom idealen Glücksbringer, für deren Errichter die Geschichte der Kölner Dombauhütte Verheißung genug ist, über ein langfristiges, fast schon ewiges Betätigungsfeld zu verfügen und dem theoretischen Bruch nun feste Fundamente angedeihen zu lassen. “Bau” und “Hütte” klingen so hallig nach, daß ein gigantischer Klang die Kümmernisse übertönt, in der der ganze Duhmmensch ehrfurchtsvoll erschaudert, auch wenn es nur die Zugluft ist, die durch die Latten der Behausung pfeift, deren Schäbigkeit die seiner saisonal pünktlichen Bücher ist. Aus diesen Klamotten ist seine Hütte gestern schon gewesen, für die er nun einen Bausparvertrag auf die Zukunft abgeschlossen hat. Wenigstens im Kopf soll das entstehen, was sich praktisch verweigert. Denn besser als anderen gelingt es Duhm als Technokrat zusammenhangloser Behauptungen (eine augenfällige Variante von “Duhm ist anders” – er ist Kleister), als Behauptung eines höheren metaphysischen Zusammenhangs, einen soliden Beruf auszuüben, in dem wie bei jedem x-beliebigen Händler die summerischen Konkurse Risiko wie Belebung sind und Duhms Fortschritt auf intellektuellem Gebiet genauso bestimmen wie auf den dazugehörigen Märkten.

BRAND, Heinz, hat sich als ehemaliger Gewerkschaftsbürokrat und Sponti-Starlet geläutert zum Bürokraten des Ehemaligen und Trachtenjoppen-Wandervogel. Gemäß seinem Status als Rentner lebt er von den theoretischen Ersparnissen wie von den Überweisungen der Rentenversicherungsanstalt. Sein Pessimismus ist nicht altersbedingt, vielmehr liegt er innerhalb seiner als Bürokrat des DGB angesammelten theoretischen Verkalkungen.

GORZ, Andre, lag lange Zeit am Boden, nachdem ihm seine neue Klasse fortgelaufen war, die technische Intelligenz auf seine Theorie verzichtete und stattdessen den Club Mediterrane und seit jüngster Zeit Naturkost vorzieht. Als Theoretiker, wobei dieses Wort schon bei Annäherung an den Namen Gorz verschwindet, war er in den letzten Jahren nur einigen wenigen Überbleibseln der Studentenbewegung bekannt, etwa den Redakteuren von Politikon, ansonsten niemandem, so daß man ihn in Frankreich unter den Revolutionären für vollkommen verschwunden erklärte. Doch versucht er sich in seinem Lieblingsthema – der metaphysikalischen Lauge eines soziologisierten Klassenkampfes -‚ indem er den ökologischen Verzauberungsstab über die Technik bricht und zu ähnlichen Grübeleien gelangt wie bereits 1962, als die Situationistische Internationale über ihn schrieb:

“Die Mitschuld an der falschen Kritik der Welt läßt sich nicht trennen von der Komplizenschaft mit ihrem falschen Reichtum. (…) Das ist sehr deutlich bei dem Sartre-Anhänger Gorz.(…) Er gesteht, etwas beschämt zu sein, daß er sich (durch eine tatsächlich wenig glänzende journalistische Arbeit) allmählich die Güter dieser Gesellschaft leisten kann: das Taxi und die Reisen, sagt er voller Ehrfurcht, in einer Zeit, wo das Taxi hinter den Massen der für alle obligatorisch gewordenen Autos herrollt und wo uns die Reisen über die ganze Erde zum immer gleichen, langweiligen Spektakel der ewigen, vervielfältigten Entfremdung führen. ”
(Situationistische Internationale, Nr. 7)

Wie ehedem plaudert er nur erbärmliche Schwachsinnigkeiten aus, die in Frankreich höchstens das CNRS interessieren könnten, während sich ein deutscher Verlag (die neue EVA, das Sammelbecken linker Wissenschaft als Paukboden akademisierter Praxis) rühmt, die Originalausgabe seines neuesten Opus verlegen zu können. So müssen nun viele hören, was keiner mehr hören will und schon dem einfachen Rororoaktualisierten die Augen übergehen ließ.

Gorz fehlt jede Originalität, sogar die des Falschen. Was ihn auszeichnet, ist einfach Stupidität.

TOFLER, Alvin, Zukunftsschocker.

Dieser Mann gehört der Zukunft an, er ist der Morgen von gestern, die kollaborierte vertikale Organisation soll durch ihn die horizontale Angestelltenmentalität, die Hierarchie des kommenden Tages werden. Der Horizont seiner Mentalität ist die Sonne angestellter Gemüter, die ernstlich beunruhigt darauf warten und vertrauen, daß sie auch eine wesentliche Zukunft finden, entgegen ihrer verwesenden heutigen Rolle. Doch ist Tofler nicht gerade so dumm wie seine Leser, denn hat auch die Zukunft einen Schock, so hat sie damit noch lange nicht mehr als einen Herzinfarkt und deshalb im nächsten seiner Bücher schon wieder eine Chance. Hier geht er ganz in der Stimmung eines kybernetischen Optimismus auf, den er durch die vollkommene Adaption des ökologischen Standpunkts – der ja mittlerweile der seiner Leser ist – auf eine neuzeitliche Höhe bringt. Er zeigt allen Zweiflern eine glänzende Zukunft, in der die Arbeit alternativ geworden ist. Für die im atemlosen Blau angelaufene Welt ist Alvin Tofler das Menthol für die im Schock verkrampften Köpfe: das Frischluftprogramm für die Warengesellschaft, in der die Ökologie das Gemüt ihrer kybernetischen Sehnsüchte ist.

BAHRO, Rudolf, versöhnt die theoretisch-praktische Verkommenheit des Traditionalismus mit der Ökologie. Er gelangt vom Projekt eines “neuen kommunistischen Bundes” wie Daniel in der Löwengrube in die Grübelbrühe der heiligen Schrift. Aus der Zelle entlassen ist St. Rudolf der westdeutschen Linken heimlicher Held, der über allen Fraktionen schwebt, auf allen Stühlen sitzt und auf jedem Kongreß wandelt. In seiner “Alternative” legt St. Rudolf die Bürokratie um, stellt sie von ihren Füßen auf den Kopf, indem “die Führer, die Aktivisten und Funktionäre … die durchschnittlichen materiellen Lebensbedingungen des Volkes teilen.” Es ist die Geltungmachung des realen Paradieses einer Intelligenz, auf die die Staatsbürokratie zu verzichten beginnt.

St. Rudolf hat jenen west-östlichen Diwan eröffnet, in dem sich versammeln soll, was durch die Maschen der Geschichte gefallen ist. Eine Tracht zusammenhäkelnd, die Fallendes aufhebt sowie Aufzuhebendes fallenläßt, und die zwar niemandem paßt, aber destotrotz jeder anziehen möchte.

JUNGK, Robert, ein im Altern verschreckter Pazifist, für den die Zukunft vorbei ist. Er fühlte sich von den Brüsten der AAO-Mütter genauso angezogen wie von dem, was die Subrealisten schon 1978 in ihren “Stürmen über Brokdorf” zu sagen wußten, ohne daß der einen wie der anderen Sympathie mehr folgte als seine fixe Manie, Zukunftwerkstätten zu errichten. Jungk hat die Rolle eines Fernaufklärers in Sachen Apokalypse gewählt, ohne sich zu scheuen, als Kassandra aufzutreten. Er ist den Weltordnungskräften die Leuchte, auf die sie fasziniert starren, ohne sich bei ihren Geschäften unterbrechen zu lassen.

BEUYS, Joseph, ökologischer Ziehvater und Prediger für direkte Demokratie; den Versammlungsplatz dafür hat er bereits gefegt. Versuchte als einer der ersten, in die Künstlichkeit gesellschaftlicher Verhältnisse die Natur als Kunst einzuführen, brachte aber dennoch nur eine natürliche Künstlichkeit zustande. Wohl wissend, daß Kunst sich verkaufen muß, um etwas zu sein, beschwört dieser Hypostatiker die Reinheit seiner Werke mittels einer Sekundentheorie, nach der die Ware nur Ware ist im Moment des Kaufens/ Verkaufens: der Traum aller Künstler. Sind schon seine Kollegen Einfaltspinsel, gebärdet sich Beuys wie die Einfalt an sich. Während er noch der Göttlichkeit einer primitiven inneren und äußeren Natur mit Zauberformeln auf die Beine zu helfen versucht, ist der Polizist Anatol als sein Schüler schon dabei, die Bäume rot anzustreichen. Wo Beuys noch mit auseinandergerissenen Luftpumpen herumhantiert, fahren seine studentischen Kinder längst mit dem Fahrrad zum Unterricht, glücklich darüber, daß ihre Kunst soviel mit dem Leben zu tun hat. Dieses auf dem Kunstmarkt hochdotierte Fabeltier propagiert die Renaissance eines Totemismus, indem der Mensch besser von einem Tier verstanden wird als von einem anderen Menschen. Das schmerzliche Entsetzen des Bürgers ob des Verlustes seiner materiellen und ideellen Grundlagen, über das sich schon Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts van Hoddis so lustig machte (“Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut”), versucht Beuys rückgängig zu machen, dessen Gedanken genauso verfilzt sind wie sein Hut, dieses Symbol des Bürgers. Hatte Duchamp mit seinem Pissoir noch einen Affront bewirkt, tritt bei Beuys nur die stumme Lächerlichkeit einer Klage über “unmenschliche Technik” zutage, die angenehm zur Klimatisierung des Museum of Modern Art beiträgt. Dieser kritische Bauer sollte lieber mit Fieberthermometern hausieren gehen, statt ständig die Unterkühlung der Welt zu diagnostizieren. Joseph Beuys, Kunstdünger mit Hut.

Die grüne Leiche

“Die Macht steigt auch denen zu Kopf, die keine haben; doch verraucht sie hier rascher.”
Elias Canetti

Der anfänglichen Radikalität, die sich in den breiten Kämpfen gegen das staatliche Atomprogramm entwickelte und deren einzige Chance zur Entfaltung darin lag, den Rahmen einer bloßen Detailkritik zu verlassen, um von der Frage, mit welcher Energie werden die Waren produziert, zu der globalen Fragestellung, wofür wird produziert, zu gelangen, wurde von einer breiten Einheitsfront, die von stalinoiden Gruppen über Pfaffen und Naturschützer bis zur Garde der Erzpazifisten reicht, ein schnelles Ende bereitet. Ihre Gemeinsamkeit ist es, eine eigenständige soziale Bewegung zu verhindern, die eine tödliche Bedrohung für die hierarchisierte Entfremdung und diese 5. Kolonne des Staates darstellt.

“Ihre staatspolitische Aufgabe werden grüne Parteien aber verfehlen, wenn sie gerade die radikaleren Teile der ökologischen Bewegung nicht integrieren.”
(Hermann Bergengruen, Grüne Liste Umweltschutz/ Niedersachsen)

Erste Etappe war die Kanalisierung der Anti-Atomkraft-Bewegung in die diversen Bürgerinitiativen, die sich im Grenzland einer indifferenten gesellschaftlichen Unzufriedenheit etablierten, zu dem die Macht den Zugang verloren hat, der ihr jedoch gerade durch diese alternative Staatlichkeit wieder verschafft wurde. Ein Teil der Linken, von einigen maoistischen Gruppen bis zu versprengten “Spontis”, treibt diese Entwicklung voran, indem die einen glauben, endlich Seite an Seite mit den stets knappen Massen kämpfen zu können, um sich gleichzeitig in einem modernisierten Leninismus als Missionare einer humanistischen Aufklärung zu betätigen, während sich sogleich die gewöhnlichen Leninisten, ihrem Putschismus treu, daran machen, sich die Macht in solchen Organisationen zu verschaffen. Wenn sie es nicht vermögen, den Smolny zu erobern, dann wenigstens die nächstgelegene Bürgerinitiative.

Begleitet von einer steigenden Anzahl reformistischer Forderungen, mit denen sich die Bürgerinitiativen als die echte Volksvertretung und die bessere Planungsinstanz vorstellen, bleiben sie ganz ihrem Namen treu und zeigen ihre Harmlosigkeit, indem sie sich zügig auf das juristische Feld begeben, ihrem Schulwissen verhaftet, dort eine von Staat und Ökonomie getrennte Macht zu sehen, um nach einer Zeit des Hinhaltens als Antwort die Kosten für die gegen sie ergriffenen Repressionsmaßnahmen präsentiert zu bekommen. Sie unterwerfen sich genau jenem Legalismus, der ihnen nicht nur den Gegenstand ihrer Kritik beschert hat, sondern sie im weiteren auch zwingt, sich all der Elemente zu entledigen, die von der Macht in ihrer Strategie des divide et impera als staatsfeindlich und kriminell bezeichnet werden.

Krieg und Frieden

Aus der Gewalt als einem gesellschaftlichen Verhältnis machen Legalisten und Militante ein Glaubensbekenntnis, aus einer taktischen Frage eine grundsätzliche, die auf die eine oder umgekehrte Weise ein Gradmesser ihrer Radikalität sein soll.

Die Militanten verloren nach den ersten Bauplatzbesetzungen ihre Schlacht gegen den Staat, der bewies, daß er Willens war, das militärische Potential der Ordnungsmacht einzusetzen. Er bewies damit, was bekannt war, und sich im langen Sterben der verschiedenen Guerillafraktionen noch einmal zeigte: daß die Spezialisten der militärischen Auseinandersetzung auf staatlicher Seite mehr Feuerkraft besitzen. Solange nicht dieses Duell zwischen Spezialisten grundsätzlich in Frage gestellt wird, bleibt den Militanten nur die nihilistische Selbstaufopferung, in ihrem Untergang die Auferstehung der Moral in Waffen. Ihr vorerst letztes Aufschwemmen in Bremen blieb auch nur dank politischer Perpetuieren – wobei das Moment des Dritten Mannes zur Komödie verkam – und der zweifelhaften Besonderheit in Erinnerung, daß die staatlichen Repressionskräfte mehr Knochenbrüche zu beklagen hatten als ihre Gegner. Der Banalität solcher Siege entsprechend erledigt sich der Terrorismus heutzutage im Straßenverkehr.

In der fortschreitenden Selbstreduktion der Bewegung gegen die Kernkraftwerke auf die Ebene von Appellen und Verbesserungsvorschlägen und parallel zur Forderung des Staates nach Pazifizierung stiegen die Aktien der Moral ohne Waffen, des alten christlich-pazifistischen Gebräus, und setzten sich gegen die Anhänger der Militanz durch, denen lediglich eine gelegentliche Bekanntmachung ihrer Unzufriedenheit gestattet wird.

Die Pazifisten bemühen sich – wie die Militanten – in einem Opfergang mehr Erfolg als diese zu haben, weshalb je nach Lage der Dinge die Vertreter des einen in einem schnellen Wechselwählerdelirium auch zu Anhängern des anderen werden können. Sie lassen sich von der Macht das Terrain abstecken, spielen die Rolle des Opfers bis zum Ende, wobei das Ende wie der Anfang ist, die Ohnmacht.

Der dogmatische Symbolismus der Pazifisten versucht dem Staat, dem die Entwicklung unmenschlicher Produktions- und Lebensbedingungen bescheinigt wird, auf einer vernünftelnd-argumentierenden Ebene zu begegnen, die dieser wohl als Taktik kennt, aber nur, solange er auf ihr seine Ziele erreichen kann, wie er reuige Spätheimkehrer der Guerillagruppen mit Motivationsforschung statt mit Kugelhagel empfing. Läßt sich seine Vorstellung über den Dialog als leises Schnurren synthetischer Kugellager nicht verwirklichen, tritt er aus dem Symbolischen heraus und beruft sich auf seine letztendliche Wahrheit, daß nämlich das Privileg der Gewalt beim Staat liegt und jede Infragestellung seiner Entscheidungsmacht ein Angriff auf dieses Monopol und damit eine Gewalthandlung ist. Integratives und repressives Vorgehen besitzen in modernen Sozialpädagogen und rückständigen Polizeioffizieren jeweils ihre Lobby.

Zwar bringen die Pazifisten den Staat in eine stimmungsmäßige Verlegenheit der Legitimierung, doch am Ende bleibt ihnen nur die Rolle des Bittstellers und geduldeten naiv-kritischen Parlamentariers, der sich mit gestelltem Zähneknirschen den Spielregeln der Politik verschreibt und die lange Geschichte des Parlamentarismus im opportunistischen Auflösen von Radikalität fortführt.

Von Whyl über Seabrook nach Gorleben führt eine Linie, die in steigendem Maße den Wunsch nach Zusammenarbeit mit dem Staat ausdrückt, kaschiert mit der Idee des “Bürgerlichen Ungehorsams”, die aus einer passiven Ohnmacht eine aktive machen soll.

“Ein Training aktiver Gewaltlosigkeit dient der Vorbereitung einer jeden Aktion des zivilen Ungehorsams und wird von den in einzelnen Affinitätsgruppen abgehalten. Jeder Teilnehmer an der Aktion muß am Training teilgenommen haben. Ohne Training kann man nur “normaler” Demonstrant sein! …

Ganz wichtig und dementsprechend zeitlich aufwendig war der Kontakt zur Polizei. Ausgehend davon, daß Gewaltlosigkeit auch Vorbeugen gegen eventuelle Zusammenstöße mit der Staatsgewalt bedeutet und daß das nur durch Offenheit geleistet werden kann, werden die im Gewaltlosigkeitstraining gewonnenen Entscheidungen der Polizei mitgeteilt …

Es hatte eine ungeheure Wirkung auf mich, als plötzlich alle meine Freunde verhaftet wurden. Ich hätte heulen können. Das ist auch ein Teil ihres Konzepts gewesen: mit einer gewissen Theatralik Emotionen zu wecken.”
(Blatt 142, 1979)

Ihre Reinkultur sind pazifistische Rekruten, die in Trainingslagern zu modernen Varianten von Militanten mit stumpfen Waffen geschult werden. Sie sind der psychologisch-taktische Kern einer Bewegung, die mit Zeltdurchsuchungen und Gesprächstherapie für “potentielle Gewalttäter” im eigenen Lager schon einmal einen Vorgeschmack davon gibt, wie vielseitig die sanften Technologien entwickelbar sind. So wie die unendwegten stumpfsinnigen Anweisungen auf den kleinen Karten mit ihren gleichlautenden Befehlstönen, mit denen das unfreie Bewußtsein seine freie Zeit verbringt. “Gehe in das Gefängnis. Begib Dich direkt dorthin. Gehe nicht über Los. Ziehe nicht M 4000,- ein”

“Ich saß auf dem Boden, als ein Polizeibeamter mit erhobenen Gummiknüppel direkt auf mich zu kam. Ich sagte zu ihm, er brauche nicht zu schlagen, denn mein Protest sei friedlich. Sein Protest sei auch friedlich, meinte er, und er wolle mir nur friedlich in die dreckige Fresse schlagen. Er schlug zu. Ich muß diesem Beamten dankbar sein, denn er hat mir die Lektüre von 1000 Bücher über das Wesen dieses Staates erspart.”
(ein Leserbrief im Stern)

Die Pazifisten sind die schlecht unterrichteten Zuschauer der Weltgeschichte.

Treu bis in den Tod wie die Matrosen der englischen Flotte, die im Angesicht einer Breitseite jedesmal ihr Stoßgebet stammelten: “Und seid dankbar für alles, was ihr empfangt!”

Trachtenjacken und roter Republikanismus

Die Entwicklung der schrittweisen Anerkennung der gesellschaftlichen Machtstrukturen und ihrer Organe ist die Geschichte der inneren Niederlage der Ökologisten, die kein Bewußtsein über ihre ersten Siege und ihre Stärke erlangt haben und sich deshalb nur auf das politische Terrain begeben konnten, wo sie sich jetzt quantitativ ausdehnen bis zur Komplettierung ihrer Niederlage, die ihnen durch die Beteiligung an den diversen Wahlen garantiert ist. Sie sorgt für die von der Macht benötigte Repolitisierung, die genau das Maß an Kritik hervorbringt, das für die Macht ungefährlich bleibt.

“Es ist wieder soweit. Neue Bewegung, neue Ideologien. Die Linken sind wieder in die Diskussion eingetreten. Jahrelange politische Isolation scheint beendet. Man hat (erst, nachdem der grüne Zug schon abgefahren war) ein neues Thema. Man hat einen neuen Status: man ist Bürger.” (Kordula Schulz in “Perspektiven der Bunten und Alternativen”)

Während die alternativen Listen sich noch über 3-4 % Anteil an der Politik erfreuen, um dabei ins Schwärmen über Ministersessel zu geraten, gründet Gruhl, nachdem er sich bei der CDU nicht mit seinen Ideen durchsetzen konnte, 1978 die erste bundesweite Grüne Aktion Zukunft, legt das “Grüne Manifest” vor und setzt so die ökologische Bewegung unter Zugzwang, die sich im Rhythmus der Wahltermine ständig bemüht, Stimmenreservoirs aus dem breiten Feld der Unzufriedenheit zu mobilisieren, paralysiert von absurden Diskussionen um die Beteiligung stalinistischer oder faschistischer Gruppen an den wie Pilze aus dem Boden sprießenden Landeslisten, hypnotisiert von “Erfolgen”, die darin bestehen, – daß sich die österreichische Sozialdemokratie aus ihrem Dilemma – mit neuer Legitimation nach der Abstimmungsniederlage über Zwentendorf versehen – elegant herausmanövrieren kann;

– daß sich die Macht in Schweden auf gleiche Weise, aber mit anderem Ergebnis absichern konnte;

– daß es nun eine Repräsentation grüner Vorstellungen in einigen Parlamenten gibt, deren Vertreter hilflose Dilettanten und konvertierte Sozialdemokraten sind, wobei sich die einen als “sympathische Träumer” und die anderen als erfahrene Politiker gut ergänzen.

Die Gründung der Bundesgrünen im Januar 1980 stellt eine Kompostierung der gesamten ökologischen Bewegung dar. Aus diesem Humus der Schwäche zieht die Grüne Partei ihre Stärke, als sie einen gemeinsamen Nenner, die Universalökologie, anbietet, unter der jeder verstehen kann, was ihm beliebt. Der Versuch einer verbindlichen Exegese konnte denn auch nur zu Schattengefechten führen, die umso stärker verblaßten, je mehr die Sonne zu der an ihrem Revers wurde. Jede reale Auseinandersetzung wirft die einzelnen Kräfte zentrifugal hinter ihren Ausgangspunkt zurück.

“(…) sinnvolle und menschenwürdige Arbeit und Aufgaben für alle. (…) Versorgung mit gebrauchsgerechten Waren und sozialen Dienstleistungen. (…) Statt Kahlschlag fordern wir Einzelstammauslese. (…) Die Mitsprache der Gefangenenvertretungen sollte erweitert werden, um auf dem Wege der Selbstverwaltung fähig zu werden, künftig ein Leben als mündiger und kritischer Mensch zu führen.” (Aus dem Programm der Grünen)

In ihrem Programm gibt es nicht einen Punkt, der nicht schon von anderen herausgestellt wurde, wobei die Punkte von der Mäßigung als Moral zusammengehalten werden, die ihre mäßige Intelligenz nicht verleugnen kann.

Vor diesem Hintergrund sind die inneren Auseinandersetzungen insofern belanglos, als jeder den anderen benötigt. Gruhl ist zunächst zwar Gallionsfigur eines rechten Flügels, aber nur insoweit, wie der linke Flügel sich selbst zu illusionieren vermag und daher jene künstliche Trennung überhaupt erst bewerkstelligen kann. Diese Spaltung ist so künstlich, wie sie die Ökologie nur auf verschiedene Arten dafür verwendet, den ausgelaugten Boden der Ideologien zu düngen. Die Stabilität von Werten obliegt beiden Fraktionen, und diese Gemeinsamkeit führt sie zusammen wie auseinander, vereint in das Nichts, aus dem sie herauswollen.

Dennoch konnte der permanente Opportunismus gerade von seiten der Linken nicht verhindern, daß sich Leute wie Gruhl, Springmann und Dinne samt ihren Truppen von der Partei abwandten, weil sie mit einer “Wassermelone” keine Wahlen zu gewinnen meinen. Diese Gemüsehändler wollen nicht mitverantwortlich sein für die anstehende Niederlage und rechnen mit ihrer regionalen Hausmacht auf eine spätere Gelegenheit, sich auf den Markt zu bringen.

In einem Drama des Niedergangs kommt den Grünen die Narrenrolle zu. Sie verdrängen alternative Clowns ebenso wie eine verzweifelte Spaßguerilla aus der Manege, denn ihre umfassende Aufgabe ist es, wie jeder gute Narr auszusprechen, was sich die Gesellschaft selbst vorwirft: die Zerstörung ihrer Lebens- und Arbeitsgrundlagen, um in einer weiteren Pirouette die Versöhnung des Widerstreits anzudeuten. So zählt ihr Programm in unvollkommener Form alles das auf, was der Gesellschaft fehlt, um in der Bewegung der Auflösung und des Niedergangs wieder an Stabilität zu gewinnen.

Die Gesellschaft ist sich so sehr zum Feind geworden, daß sie ihre rückständigsten Feinde entbehren kann und es ihnen überläßt, sich selbst aufzureiben. Die Auflösung der Linken ist ein gesellschaftlicher Prozeß, die Linken fallen ihm in dem Maß zum Opfer, wie sie Anteilseigner des Spektakels der Auflösung geworden sind.

In einem Milieu, das den Verlust jeder gesellschaftlichen Praxis in der Passivität auffängt, mit der sie dem Selbstgespräch der Staatsmänner lauschen und die sie mit Tunix-Kongressen noch wieder zur Praxis vergolden, ist die Ökologiedebatte willkommene Gelegenheit, Farbe in dieses Geplauder zu bringen. Aus der Geräuschkulisse staatserhaltender Ideen hören sie den Appell zur Beteiligung heraus, eine Ermunterung, die langvergessene politische Ambitionen weckt und die erzwungene Passivität endgültig zu einer engagierten reifen läßt. Diese Linke bleibt ihrer Tradition treu, sich ihre Helden außerhalb ihrer Grenzen zu suchen – sei es bei den Befreiungsbewegungen der Dritten Welt, den Rockern, den Arbeitern von Lip und Fiat oder bei der Stadtguerilla -, ist doch ihre eigene Existenz die Begrenzung selbst.

Ihrer theoretischen Schwäche entspricht die Unzulänglichkeit, ihre Auflehnung praktisch zu beweisen, sie in eine Linie geschichtlicher Kämpfe zu setzen und sich nicht nur auf dem Habitus aufmüpfiger Gestik zur Ruhe zu legen. So meinen sie, in jeder aufständischen Geste sich selbst wiederzuerkennen, bekennen aber nur das Spiegelbildliche ihrer Existenz, das es folglich schwer macht, aus den Ereignissen einen Fortschritt herauszulesen. Das ist die einzige Dialektik, an der sie Anteil haben, jenseits der Spiegel hoffen sie, von Alice in ein mystisches Wunderland geführt zu werden.

“Eine Grüne Liste hat nicht die besseren Forderungen, sondern nur die besseren Fragen. Für uns läßt sich Ökologie staatlich nicht lösen. Also kein Programm, sondern die Formulierung von Problemen, Fragestellungen, Hoffnungen, Träumen. Unser Vorschlag anstatt eines Programms: ein Märchen.” (Chaos bei den Grünen, Dany August 1978)

In das Diesseits des politischen Alltags bringt das ökologische Ausmisten einen derben Geruch von Realität, obwohl nur wieder eine kurzlebige Sinnesfreude, es läßt die Eintönigkeit der”Projekte” wie Fahrpreis-, Fahrrad- und Gesundheitskampangen, Tages- und Stadtteilinitiativen bis zu Amnestieappellen – für einen Moment vergessen. Darüber hinaus verspricht die “parlamentarische Kiste” wenigstens einmal das Scheitern in Zahlen ausdrükken zu können, blieb es doch bisher der Moral überlassen, als Gegengewicht das Maß der Ohnmacht zu bestimmen.

Die “Kinder von Marx und Coca-Cola sind, auch wenn sie jetzt Kuhmilch schlürfen, unterernährte Säuglinge geblieben.

Während die linken Organisationssplitter meinen, in der Teilnahme an der parlamentarischen Zwangsvorstellung einen Einfluß auf die ökologische Politik betreiben zu können, hat diese mittlerweile ihre Restbestände vereinnahmt und die nach 1968 hinterlassene Kritik eingebunden und möglichst weit abgelegt. Das Aufgehen im ökologischen Hefeteig beendet den Versuch, die nach dem proletarischen Angriff der sechziger Jahre ans Werk gegangenen Widersprüche mit Mitteln auszutragen, die schon einem vergangenen Jahrhundert nicht gerecht werden konnten.

Die Praxis der linken Organisationen fiel gleich um 50 Jahre hinter die in der Bewegung der Besetzungen – in Frankreich und Italien -, in der Bildung von Räten und in den wilden Streiks wiedererstandenen Manifestationen des Klassenkampfes zurück. Eine Front der Kämpfe war gegen die Gewerkschaften und den Reformismus aufgebaut worden, was für sie immer Gegenstand selbstgenügsamer Diskussionen blieb.

Weiterhin bemühten sie sich, das Erbe des Marxismus dort weiterzuführen, wo es gerade durch die Trennung der Theorie von den realen Kämpfen unbrauchbar geworden war. So bemerken sie jetzt eine Krise des Marxismus, der das Proletariat aus den Augen verloren hat, wo doch nur das Proletariat die Marxisten verlassen hat, die ihre Theorie zur Gelehrsamkeit verstauben ließen, anstatt sie in den modernen Klassenkämpfen weiterentwickelt zu sehen.

Die Frage des Bürokratismus überdeckte die Frage der Organisation, der Organisierte wurde gleichzeitig zum Bürokraten voller Fragen. Wo keine Geschichte gemacht wird, muß sie studiert, diskutiert und verwaltet werden, um wenigstens auf der Ebene der Repräsentation eine Legitimation vorweisen zu können. Während KBW-Kader aus Liebe zum Arbeiter die Arbeit zu ihrer einzigen Liebe und Praxis machten, versuchte der KB, stark von “Sponti”-Studenten durchsetzt, wenn nicht die Liebe, so doch die Willfährigkeit der Ökologen zu gewinnen. Nachdem sie einen entscheidenden Beitrag zur Verhinderung direkter, schöpferischer Aktionen in der Anti-Kernkraft-Bewegung geleistet hatten, führten sie die Wiederbelebung der politischen Repräsentation fort, wobei sie allerdings jetzt in den Reihen der grünen Parlamentarier ihr wohlverdientes Ende gefunden haben.

Daneben gebührt der KPD ein Verdienst, das ihr einziges blieb, ihre Existenz durch ihre Auflösung als Annäherung an das Niveau des geschichtlichen Fortschritts unter Beweis zu stellen. Ein einmaliges Ereignis in der Geschichte der kommunistischen Parteien, die nicht erst damit beendet ist. Es soll nicht unterschlagen werden, daß die Grünen diesen Erosionsprozeß maßgeblich beschleunigten, indem sie offenkundig nicht nur einen Anziehungspunkt, sondern auch eine Perspektive für die von eruptiven Richtungsschwenks geschüttelten Mitglieder der KPD boten.

Der parlamentarischen Eingliederung skeptisch oder gar ablehnend gegenüber, bleibt die “undogmatische Linke” der Melancholie verhaftet, da sie ihr nichts außer einigen brillanten Formulierungen – “Urnen gehören auf den Friedhof” – entgegen halten kann. Nachdem die “Tageszeitung” die Höhe ihres Informationsstandes und rhetorischen Niveaus bezeichnet, dieses so mit dem “Pfaffenhofener Tageblatt” gleichgezogen hat, hat sie sich in Hinterhofprojekten versteckt oder in vereinzelten “Scenes” zusammengefunden. Viele empfinden die Proletarisierung nur noch als Verlust, das Negative ist ihnen ein Greuel geworden, das Ghetto ein Zuhause, sie haben sich ganz sich selbst zugewendet, um in ihrer Psyche nach dem Subjekt ohne negative Eigenschaften zu suchen oder das Scheitern einer Epoche zur persönlichen Erfahrung reifen zu lassen.

“Zur realpolitischen Möglichkeit kam bei uns noch ein existentielles Bedürfnis hinzu. Die Perspektivlosigkeit, das Rumhängen, das Nichtwissen-was-tun wird immer unerträglicher. Die Luft im Ghetto ist zum Ersticken und die Wirklichkeit hat sich durch unseren Rückzug auf uns selbst auch nicht verändert. Was Wunder also, daß die Möglichkeit, realpolitisch endlich wieder etwas zu machen, mit anderen Leuten außerhalb der Ghettos wieder zusammenzukommen, zu organisieren etc., vielen wie ein Rettungsanker erschien.” (Pflasterstrand No. 40, 1978)

Doch diese Epoche ist nicht zu einem Ende gekommen, damit die nächste in einem Baldur Springmann das revolutionäre Subjekt erblickt, dessen Aufgabe nach 150 Jahren verlorener Schlachten es nunmehr ist, die Geschichte zurückzudrehen, um den Verlust dieser Kämpfe zu wiederholen. Jetzt wird der Gewinn aus den geschichtlichen Kämpfen zur Entscheidung gebracht, und während die falschen Feinde dieser Gesellschaft das Schlachtfeld verlassen, erzeugt die Gesellschaft selbst sich Feinde, denen das ganze Bewußtsein dieser Kämpfe bereitsteht und die Klarheit, die sie gebracht haben, offenliegt.

Drei alternative Notausgänge

Die Bewältigung der eigenen Geschichte vollzieht sich als Eingeständnis des Scheiterns. Welcher Weg aus dem stehengebliebenen Szenendilemma auch eingeschlagen wird: es ist die Fortsetzung der Politik als Negation der sozialen Geschichte. Gescheitert sind alle Ansätze der Politik als Identitätsfindung, die sich von den verschiedenen Klassenanalysen bis zu der letztendlichen Hinwendung auf die eigene Person vollzogen – zu dem Zeitpunkt, als die Person einsehen mußte, daß alles umsonst war, weil sie über die ganze Zeit leer geblieben ist. Heute wird ein Schlußstrich gezogen, unter dem nur vage Ansätze einer längst verblichenen Hoffnung auftauchen: das Neue als das ausdrücklich geforderte Moment der Unterwerfung, nicht mehr unter die Klassen-, Lebensraum- oder Befreiungsinteressen bestimmter, sich in Aufruhr befindlicher Sektoren, sondern als globale Unterwerfung unter Stabilitäten: das Land, das Kind, die Heimat, die Tradition. Sollen neue kulturelle Werte geschaffen werden oder alte Rituale neu besetzt, so geht es immer um die Erdung der durch die Eruption von 1968 unkontrollierbar gewordenen sozialen Energie und gleichzeitig um die Zusammenflickung der globalen Bindungslosigkeit dieser Gesellschaft, der sich auch deren Opposition nicht entziehen konnte. Diese Opposition trägt auf diese oder jene Weise dazu bei, dieser Welt eine neue positive Identität zu verschaffen, indem sie die soziale Frage im Diffusen auflöst: alles ist erlaubt, damit nichts sich ändert. Jetzt, wo es dämmert, man nichts von dem geworden ist, was man sein wollte, will man wenigstens das bleiben, was man gerade ist.

Das mittlere Management um den Starnberger See

Der ehemalige Militant propagiert heute die Entdeckung der Konservativen; er will ein wenig die Füße hochlegen und nun “Gemeinschaften dort machen, wo man lebt”. Die aufreibende Mobilität der Szene mit ihren Verpflichtungen und ihrer Moral paßt nicht mehr zu den Lebensgewohnheiten der ehemaligen Verwalter der revolutionären Ideologien, die sich nun eine neue ideologische Verankerung für ihren schmalen Besitz suchen: Die Apparatschiks der Spontis rechtfertigen die Klassengesellschaft. Sie geben ihrer Vergangenheit den Abschiedstritt, sprechen neue Werte heilig, die das alte Feindbild auflösen und gehen damit genauso skrupellos vor wie bei jeder Kursänderung mit den Objekten der Befreiung. Diesmal gehen sie so weit, das sorgsam gehütete Bild des Feindlichen – “die Rechten” – mit in ihre Kumpanei einzubeziehen.

“Auch wenn sie anders sind, lerne ich sie über ihre andere, verbindlichere Lebensweise schätzen. Diesbezüglich will ich mit den Konservativen sehr viel zu tun haben, ich glaub, daß wir von denen da sehr viel lernen können … Gut, da sind auch die engen Sachen gegen die Befreiung, die sie fabrizieren, aber mit unserer Weite und Weitläufigkeit ist es auch nicht so weit her …” (Achim im Blatt)

Die Garde befindet sich hier auf demselben Weg wie ihre Vorreiter aus Frankreich, die im Kreis der Neuen Rechten Gehör und Praxis finden. Während der Staatsdenker Glucksmann sich mit dem Staatsmann Giscard d’Estaing die Hände schüttelt, formuliert das Collège de Grèce die Grundlagen für eine neue Hierarchie, indem es sich bestens der neuen philosophischen Entwaffnung bedienen kann. Die Preisgabe des revolutionären Subjekts führt zu der Autonomie der Preisgebenden und ihrer neuen Identität als gesellschaftliche Eliten. Entledigt hat man sich nur der Bindungen, die die erlangte gesellschaftliche Situation angriffen und durch diese Entbindung ist nun der Weg zur Absicherung von Privilegien geebnet.

Auf der profanen Ebene der ideologischen Verwaltung stellt das publizistische Paradeunternehmen auf diesem Gebiet seine Produktion von “Schriften zum Klassenkampf” auf Pilzbücher um: die Identitätskrise kann durch eine Finanzsanierung behoben werden. Und als Anknüpfungspunkt an die persönliche Vergangenheit wird die Vergangenheit als Praxis angeraten: “Das Aufspüren von Revolteelementen der Familie und der Heimat”. Die Glocken läuten wieder und die Natur des Sozialen ist die Natur als Unbewußtsein geworden. Und was braucht ein Verlagskonzept auch eine andere Rechtfertigung als die: “Immerhin geben zwei unserer Autoren in ihrer autobiographischen Notiz an, daß ihre Vorfahren Zigeuner waren.” (Trikont Selbstdarstellung)

Die neue Fruchtbarkeit

“Ich habe Angst vor einer Zukunft, in der sich das alles noch verschlimmern wird, ich fürchte lokale oder globale ABC-Kriege, wuchernde Atomstaaten und unkontrollierbare Machtallianzen zwischen multinationalen Konzernen, “Supermächten” und technokratischen Regierungsspitzen.” (Ute Scheub in Blatt)

Das individuelle Ausgeliefertsein innerhalb der globalen Entfremdung soll durch den “Willen zum Positiven” behoben werden. Es handelt sich dabei um die glatte reformistische Lösung, die ihre Rechtfertigung in der katastrophalen Zukunft besitzt, um die Welt so, wie sie besteht, zu retten.

“Ein Kind zu kriegen war für mich spannend und verlockend. Die Schwangerschaft konnte ich sehr genießen nach all den Aufbruchs- und Umbruchsjahren, in denen ich alles in Frage gestellt, ausprobiert, umgeworfen und wieder neu begonnen hatte, ob Beziehungen, Projekte, Wohnsituationen. Jetzt sehnte ich mich nach etwas stabilem, gleichmäßigem, aber auch nach etwas, das eine natürliche Eigengesetzlichkeit hatte und außerhalb einer linken oder bürgerlichen Ideologie und deren Zwängen lag.”

(Susanne in Blatt)

Die Resignation vor der eigenen Geschichte beinhaltet die Neufindung einer alten Ordnung, das “Positive” ist das, was scheinbar seit jeher Bestand hatte und die Freiheit ist die freie Unterwerfung unter die Vergangenheit, deren einzig Materielles die Ordnung ist.

Die Rückkehr in das Leben ohne existentielles Risiko, gebunden an die natürliche Eigengesetzlichkeit von Natur und Gesetzlichkeit, die Preisgabe jeder autonomen Neubestimmung einer Gegenwart – das alternative Leben gebärdet sich als Zusammenführung moderner kybernetischer Tendenzen und der alten politischen Phrasen:

“Wir begreifen solche Modelle allerdings als Ergänzung zu anderen sinnvollen politischen Betätigungen in Betrieb, Schule, Hochschule, Gewerkschaft, Parteien, Bundeswehr usw … Mit dem Unterschied allerdings, daß hier versucht wird, die “konkrete Utopie” etwas konkreter und erfahrbarer zu machen.” (Gruppe Coplan)

“Informationsvermittlung, Anlaufstelle für Interessenten, regionale Geldbeschaffung und eventuell Aufbau von Pilot-Projekten. Diese Pilot-Projekte dienen zur “Einübung” mit kleineren Gruppen, die, sind sie erstmal ökonomische unabhängig, zusammen regionale Netze bilden. Diese kleinen Netze bilden sich aus Projekten, die benachbart sind, d.h. sie sind untereinander in max. 1 Tagesreise zu Fuß erreichbar … Wir versuchen jetzt schon, mit mehreren kleinen Computern zu arbeiten, die wir, wenn nötig, zum soziale Hirn zusammenschalten. So wie wir auch ohne Computer untereinander arbeiten. Wir denken sozial und das heißt, wir erdenken’s gemeinsam, als wenn wir alle Telepathen wären.” (Alternative Kooperation)

Die objektive Interessenlage dieses Konglomerats erweist sich als das Problem des Studenten, nach einem sinnlos gewordenen Studium nun auch die Gemeinschaft im Sinnlosen zu verlieren, sein Schutz davor, sich als “Akademiker” einzeln dieser Welt stellen zu müssen, die ihm keine Privilegien mehr bieten kann. So dequalifiziert sich der Akademiker im Nachhinein auch freiwillig, indem er sich auf das Faßbare zurückzieht, den Bastelboden einer Identitätsauffrischung: “… und im Reden über den Sonnenkollektor kann alles einfließen, was wir sonst noch zu sagen haben.” Er sieht seine Chance in “Bauhütten” und anderen “konkreten Utopismen”, die ihn zu einem gesellschaftlich respektierten Partner in Marktlücken und kulturellen Mangelsituationen machen sollen. Das Kleingewerbe ist seine Identität, da seine soziale zerstört ist.

“Das schwierigste Hindernis des ökologischen Kampfes sind dabei zweifellos wir selber, denn wir sind die Träger jener Strukturen, die sich subtil und gewaltsam als technologischer Machtapparat an unser Leben ranmachen. Wir funktionieren, wie wir sollen: als Schaltelemente im Plan zur technischen Perfektion einer selbstgerechten Weltanschauung, weil wir die Autonomie unserer historischen Subjektivität schon bereitwillig den Strukturen der Gewalt opfern.” (Pflasterstrand)

Das psychologische Aufspüren des gesellschaftlichen Hebels im Individuum verhindert dessen ganze Befreiung – es bleibt weiter ungeschichtlich auf sich selbst geworfen, um dort, im Kleingewerbe der Probleme und deren Einzellösungen, als Individuum und als Produkt seines Gewerbes neu zu entstehen. Alle Notlösungen finden sich hier ein, ergeben eine gebrochene Kugel in diesem Glasperlenspiel. Die wahrhafte Demokratisierung aller Probleme reicht auch die demokratischen Lösungen nach, die der überall empfundenen Entfremdung zerstückelt und getrennt entgegenzuwirken vorgeben.

Ideologieverkäsung

Während das mittlere Management seine Privilegien absichert und die positivistische Tendenz die genehmigten Verhältnisse der Opposition zu neuem Leben erweckt, geht die neo-radikale Fraktion zu der großen kulturellen Aufgabe der “Entstädterung” über. Sie erklärt das Geld zum Teufel der Warengesellschaft und die Stadt zur Hölle dieser Welt. In dieser klerikalen Verdrehung wird das Land per se zum Guten als paradiesischer Zustand einer heilen und heilenden Ursubstanz.

Die “Arbeitersache”, die als politisches Konzept diesem religiösen vorausging, wird als gescheitert betrachtet, weil sich die Lage der Arbeiter als objektiv getrennt von der des sie betreuenden Milieus herausgestellt hat. Das Milieu – getrennt von seinen Helden – verfiel zu Staub und Asche und der Phönix, der hier entsteigt, ist diese Ohnmacht und dieses Scheitern. Die schlechten Ideen der proletarischen Betreuungsinstanzen mußten immer mehr die Realität ausfüllen, während diese ihnen immer weniger entsprach. Bis nun ein rädlicher Käse ein unredliches Universum heilen soll, das radikal erneuerte Menschliche als harte Kruste auf der Scholle und weicher Schaum auf der Milch,

“In dieser Zeit ist mir der Entschluß gereift, die Stadt zu verlassen, um auf dem Land eine Lebensweise zu versuchen, die ich als reale Alternative zum Bankrott dieser Gesellschaft sehe. Als nächsten Schritt in diese Richtung werde ich im nächsten Sommer zusammen mit Freunden auf einer Schweizer Alp Kühe hüten, melken und die Milch verkäsen. Längerfristig hoffe ich, daß wir einen Ort in unserem Sprachraum finden werden, um uns niederzulassen. Wir diskutieren dieses Projekt nicht als Rückzug, sondern als eine zukunftsweisende kulturelle Aufgabe, um mit dem zutiefst erkrankten Erbe dieser Gesellschaft weiterleben zu können. Uns bewegt die Hoffnung und Vision einer Lebensweise, die an mehr als eine Generation weitergegeben werden kann, was heute bekanntlich radikal in Frage gestellt ist.” (Rädli in Blatt).

So findet die Politik, an sich selbst zutiefst erkrankt, zu dem Glauben zurück, der die Kraft haben wird, noch für eine kurze Rekonvaleszenz ihre Existenz zu verlängern – das Leben erscheint als religiöses Gelübde bis es sich ganz in der jenseitigen Ländlichkeit aufgelöst hat oder zurück zu sich selbst finden wird.

Kybernetische Heimatdichtung

“Kurz, diese Welt hat das Vertrauen all ihrer Regierungen verloren; sie nehmen sich deshalb vor, sie aufzulösen und eine andere zu bilden.” Guy Debord

Das entfremdete Leben verlangt nach mehr Autonomie, nach einer neuen Organisationsform, nach einer strukturellen Revolution – bei der Arbeit, in der Politik, in der Kultur, in den Gefängnissen, überall. In der “Bewußtseinserweiterung” der seinsverkleinernden Ökologie findet sich ein Großteil Protagonisten einer neo-alten dezentralen Verfassung der Gesellschaft. Was auf dem Weg der Zentralisation des Kapitals und der Macht verloren ging, der Mensch, soll sich als und durch ein überschaubares Detail global wiederfinden, mit dem sich die Macht erneut zurechtzufinden weiß. Weil unter der zentralistischen Machtausübung mit ihrer Vertikalhierarchie die Durchschaubarkeit der gesellschaftlichen Prozesse und also deren Berechenbarkeit und Beherrschung leidet, gesellt sich als Pendant das Machtmittel Dezentralisation hinzu. Während der soziale Horizont umgekehrt proportional zum ökologischen schrumpft, wird überall und jedem Verantwortung angeboten.

Der Ökologismus kennt nur Betroffene. Der Minimalkonsens der Betroffenheit schafft eine Solidarität von Minimalisten, die nicht mehr wollen als eine saubere Welt nebenan. Was zählt in dieser ökologischen Rechnung, die nicht aufgehen wird, ist der kleinste gemeinsame Nenner.

“Die Arbeit von BI’s war bisher erfolgreich, weil es gelang, sich auf eine Reihe gemeinsamer Grundsätze (Minimalkonsens) zu einigen; welche sind: Überparteilichkeit, Gewaltlosigkeit, demokratische und dezentrollieren. Langfristig gesehen sogar Macht abbauen.” (Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz)

Die Problemorientierung in allen Lebensbereichen ist der weltweite Auftritt der detaillierten Lächerlichkeit: hierin fühlt sich die dezentralisierte Intelligenz heimisch.

“Das mußt du dir mal vorstellen! Als Linker hast du früher für die Weltrevolution aufgerufen, und jetzt stehst du auf einmal da und verteidigst drei Pappeln. Ich finde, daß das wirklich ein Lernprozeß ist. Wir haben uns näher an die Probleme der Bevölkerung herangearbeitet …”, so ein Mitglied der Alternativen Liste West-Berlin und der Grünen.

Die Bürgerinitiativen mit ihrem Populär-Ökologismus sind die alternative Staatlichkeit zu den Institutionen mit kürzerem Atem; Überdruckventile für die Leere des Lebens. Seit den Lützowschen Jägern, die als Schwarze Schar dem napoleonischen Heer in den Rücken fielen, war keine Freiwilligenarmee mehr so wertvoll für den Staat. Was die Rolle der Gewerkschaften innerhalb der Humanisierungstendenzen von Arbeitslohn und Arbeitsplätzen, ist die Rolle der Bürgerinitiativen für Humanisierung von Freizeitlohn und Freizeitplätzen. Sie sind das, was dem unbelebten Gang des Staates fehlt.

“… möglichst vielfältige Gruppierungen der Bevölkerung an der politischen Willensbildung mit teilnehmen lassen. Dabei sollte man gerade auch Bürgerinitiativen auf allen Ebenen der Staatlichkeit als ein ebenso konstruktives, wie komplementäres Element zum derzeitigen repräsentativen System der Demokratie anerkennen.” (SPD)

“Bürgerinitiativen sind lebendige Demokratie” (Heinemann), deren Mitglieder sind “kritische Sympathisanten des Staates” (Scheel). Das sind Komplimente an alle Bürgerinitiativen, die den verbesserten Staat konstruieren wollen; in denen verstärkt werden soll, was die Geschichte bereits gebrochen hat: den Willen zur Repräsentation.

“Wir sind voller Zuversicht, daß unsere Probleme auf der Grundlage des bestehenden Grundgesetzes gelöst werden können.” (Wolf Dombrowsky)

Voller Zuversicht können wir also sehen, wie die Ökologen sich in der Grundlage des Bestehenden auflösen werden.

“BI’s wollen nicht die politische Macht erobern. Sie wollen vielmehr Macht kontrollieren. Langfristig gesehen sogar Macht abbauen. “(Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz)

Die Macht kontrolliert nicht nur die Bürgerinitiativen, sie hat sie längst erobert. Und sie kann diese Jahrmarktsbuden nicht nur langfristig einbauen, sondern auch kurzfristig abbauen. Wo auf lokaler Ebene sich die “Selbstorganisation der Betroffenen” in einer “Aktivierung und Vitalisierung des politischen Lebens” niederschlägt, die Parteien mit “politischer Phantasie” versorgt, wird sie von der Macht allgemein begrüßt. Wo dagegen überregionales Kapitalinteresse durch über die Stränge schlagendes Engagement von “Zukunftswerkstätten” und sonstigen Politpossen in der Sicherstellung zukünftiger Ausbeutung und deren Objekte behindert werden könnte, wird der Zentralismus beibehalten bzw. ausgeweitet. Die faden Ergebnisse des aufreibenden Kampfes an diesen Fronten: Verbesserungen örtlicher Infrastruktur, Belohnungen für Bürgerengagement als Abschlagszahlungen der Macht auf ihre Ewigkeit.

Die Forderungen nach politischer Dezentralisation offenbaren sich bei einigen ökologischen Weltverbesserern als Glied einer Kette zu noch größerer Zentralisation. Sei es die kommunistische Diktatur im Sinne eines Harich als globales Abbild Kambodschas, in der die Menschen so dezentral dahinvegetieren wie die zentrale Kommandostelle mächtig ist, die Gruhlsche Weltregierung, die den Weltfrieden automatisch garantierte dadurch, daß alle Menschen gleich wären, nämlich nichts, oder Amerys Kirchturm-Europa mit allen Merkmalen des 18. Jahrhunderts.

“Totale Rationierung würde das Geld überflüssig machen, und mit seiner Abschaffung hörten die zur Verteilung gelangenden Gebrauchswerte auf, Waren zu sein. Das wäre dann Kommunismus und nicht mehr bloß Sozialismus.” (Harich)

Eine Handvoll Kommunismus, eine Handvoll Reis, Mais oder Weizen, pro Leib Mensch ein Laib Brot, 2 Liter lauwarmes Wasser: in der Askese liegt die Würze. In einem Mönchsorden 3. Klasse liegt das Heil der Menschheit. Das, was solchen Theorien und ihren Vertretern unbestreitbar schon eigen war und das geschichtliche Eigentum ihrer Rückständigkeit ist, soll nun mit einer praktischen Rückständigkeit synchronisiert werden, die endlich Schluß macht mit der chronischen Ungleichzeitigkeit ihrer Vertreter.

“Die Erde ist ein inzwischen vollbesetztes Raumschiff. In einem Raumschiff gibt es so gut wie keine Freiheit; jede Ration, jeder Griff, jede Handlung ist genau vorgeschrieben. Jeder muß sich anpassen. Eine Freiheit hat er allerdings immer: die der Selbstvernichtung. – Um die weltweite Umkehr zu gewährleisten, müßte eine Weltregierung geschaffen werden. – Diese Diktatur müßte unter Umständen härter sein als die stalinistische es war. – Die armen Völker werden aber stets dafür plädieren, daß jeder Mensch gleichviel haben solle (eine Lösung, die noch kein einziges Mal innerhalb auch nur eines Staates verwirklicht werden konnte und nie werden wird.)” (Herbert Gruhl)

Dieser progressive Reaktionär und paralytische Nostradamus spricht in seiner absolutistisch-prophetischen Dummheit gelassen die Wirklichkeit der staatlichen Lüge aus, die es bisher immer wieder vermocht hat, die Wahrheit einer revolutionären Antwort zu exekutieren und in ihr Lügengebäude zu integrieren. Erst, wenn der Mensch eine einwandfrei funktionierende Maschine sein wird, wird es für solche Hohlköpfe auf der Erde menschlich zugehen. Bis dahin gleicht jeder Tag dem 31. August 1939.

“Wollte man vom hundertprozentigen anthropologischen “Glück”, also einer frei schweifenden, zum Abenteuer zurückgeführten Menschheit ausgehen, dann dürfte man nicht mehr als dreißig bis siebzig Millionen auf dem ganzen Globus zulassen. (Dies wäre nicht nur unmöglich, sondern auch gegen alle Gesetzlichkeit der ökologischen Entwicklung. ) Man könnte davon ausgehen, daß die optimale Bevölkerung Europas etwa in der Barockzeit erreicht war. – Gruhl wünscht sich für eine einigermaßen stabilisierte Bundesrepublik (mit dem Lebensstandard etwa der Zwischenkriegszeit) vierzig Millionen Einwohner.” (Amery)

Hier wird noch nicht einmal mit dem berühmten Werbeslogan argumentiert, weniger sei mehr. Weniger ist einfach weniger, und es steht zu erwarten, daß die Säuberungen dieser Lebensraumpfleger mit ihren Berechnungen der “optimalen Bevölkerung” erst ein Ende finden würden, wenn es nichts mehr zu subtrahieren gibt, wäre doch selbst noch der letzte Mensch ein die Natur störendes Element. Es ist eben ein hundertprozentiges Pech, Ökologe zu sein.

“Sprechen wir es einmal offen aus: die Staaten der Größenordnung von 40 bis 60 Millionen sind heute vielleicht die irrationalsten Gebilde der Weltpolitik. Sie klammern sich an eben jene Funktionen, die sie an eine europäische Föderation abgeben müßten, weil sie, die Nationalstaaten, um eben dieser Funktionen willen geschaffen wurden: Verteidigung – und Wirtschaft. Für beide sind sie heute entschieden zu klein – während sie für eine humane, stabile, nach dem Biozönoseprinzip zu organisierende Verwaltung und Gestaltung der Zukunft zu groß sind. – Ein Europa aus, sagen wir, vierzig Bundesstaaten mit eigenen Aufgaben und regionalem, auch historischem Profil wäre sinnvoll – von der jeweiligen Betriebsgröße aus gesehen. – Ein durchschnittlicher Europäer konnte noch im 18. Jahrhundert vom örtlichen Kirchturm aus die Fläche überblicken, aus der neunzig Prozent seines Lebensunterhalts stammten. Eine wahrhaft fortschrittliche Organisation muß es ermöglichen, die alten Angebote der städtischen Zentren: Dienstleistungen, Techniken, Märkte für die tatsächliche Primärversorgung aus dem Umland bereitzustellen, wieder konkret sichtbar zu machen.” (Amery)

Sprechen wir es einmal deutlich aus: dies Barockbewußtsein ist wie die grüne Wasserlinse auf der Oberfläche eines kloakischen Lebens, der Kirchturm eines Lebens ohne Ausdehnung, ein Wachtturm des Falschen. Amerys barockes Profil ist durchaus sinnvoll – von der Betriebsgröße seines Kopfes oder dem seines überladenen Schreibtisches aus gesehen. Es gilt ihm, die Versorgung mit Durchschnitt wieder konkret sichtbar zu machen.

Mother Nature’s Sons

Der scheinbaren Aufrüstung antikapitalistischer Kräfte innerhalb des Ökologismus entspricht die tatsächliche Abrüstung einer globalen Kritik an den Lebensbedingungen unter der Herrschaft der Ökonomie.

Die Rückbesinnungen auf alles was natürlich sein soll, laufen auf vollen Touren. Jahrhundertalte Werte einer kleingeistigen Mottenkiste erheben ihr schimmeliges Haupt. Wie die Ökologen die Natur als Mutter der Gesellschaft entdecken, soll die Gesellschaft in den Müttern die Natur entdecken, welche wesentlich an der Erhaltung derselben naturgegeben beteiligt sind. Die standesbewußte Grüne Aktion Zukunft verkündet:

“Die Mütter sind der wichtigste Stand des Volkes.”

Und Karl Carstens hat auf seinen ausgedehnten Wanderungen durch deutsche Landen festgestellt:

“Die Bedeutung, die die Frau in den ländlichen Gebieten überall in der Welt hat, ist offenkundig. Sie ist der Mittelpunkt. Sie hält alles zusammen, auf sie kommt es letztlich an.”

Wie durch den Splitter eines Hologramms immer noch das ganze Bild zu erkennen ist, nur unschärfer, beinhalten die dezentralistischen Vorstellungen eine Welt, in der das als positiv angenommene der gegenwärtigen aufgehoben und alles Schlechte draußen bleibt. Noch ärmer, aber gesünder. Die Welt durch den Zerhacker gegeben, saubere Knoten eines engmaschigen Netzes. Ökologismus ist die Ideologie der Starre, frisches Blut für einen Leichnam, eigeninitiativische Flurreinigung, die Propaganda der Seßhaftigkeit, die Mystik der Posaunen von Jericho. Anders jedoch als die Jericho-Mauern einstürzten, tönt hier nur die Posaune eines jüngsten Gerüchts.

Wie die Strategie des Kapitals, auch die sogenannten Entwicklungsländer der 3. oder sonstwievielten Welt unter den Imperialismus der Ware zu subsumieren, immer wieder von nationalen Revolten durch kreuzt wird, die sublime Kolonisation der “Hilfe zur Selbsthilfe” nicht immer Früchte trägt, erweist sich auch die Eroberung der Entwicklungsländer im Innern – der Provinzen – als Problem, ist doch dieses archaische Jahrhundert noch durchtränkt mit Vorstellungen der Jungfräulichkeit eines menschlichen Naturzusammenhangs, der noch nicht vom technischen Fortschritt defloriert sei.

Nach der Zentralisierung der Verwaltung, Ausbildung, Produktion, Distribution, Konsumtion und der im allgemeinen vielfältigeren Überlebenschancen in den Städten, die wahre ghost-towns hinter sich ließ, verteidigen jetzt Bauern, von Berufs wegen an Natur interessiert, die letzten ungehobelten grünen Schollen, mit intensiver Unterstützung einer neuerlichen Stadtfluchtbewegung, die das natürliche Heil sucht sowie technisches Unheil zu verhindern. Wobei das technische Unheil die fiebererregende Kolibakterie ist, die die Natur im glasigen Fieberlicht erst so recht wunderlich heil erscheinen läßt.

Der faulige Moloch Stadt verweist sie so nicht auf die horizontale Fläche, sondern auf eine Vertikalität, die als solche nur innerhalb ihrer Verdrehung existiert. Deshalb ist ihre Wahrheit auch das was sie bannen möchten, nämlich die Katastrophe.

Das Herz des Städters, welches schon zu bluten beginnt, wenn eine Blume auf der Fensterbank ihren ökologischen Beitrag nicht mehr zu leisten vermag, soll gesunden in diesen Enklaven natürlichster Natürlichkeit, in der die stoppeligen Wiesen längst nicht mehr Eindruck schinden als Luxusrasenauslegeware mit kleinen Fehlern. Vogelgezwitscher vom Tonband oder direkt vom Erzeuger: welch ein Unterschied. Die Herzen schlagen nicht mehr rechts oder links, sondern grün, als Wegweiser zu mehr Lebensqualität: jener Groschen, den man schon immer für Eichenlaub übrig hatte.

Die Droge des Ökologen ist die Natur, das Provinzielle die Heimat seines Deliriums.

Die Provinz entspringt dem praktischen Stand des Bewußtseins, sie ist das veräußerlichte Moment der Innerlichkeit. Alles soll wieder auf das menschliche Maß zurückgeführt werden, der dezentralistische Modellbaukasten liefert den Maßstab, der Preis dafür ist der Mensch selbst, Ecology Fiction ersetzt Science Fiction. Seßhafte Solidität soll die Verkehrs- und Abgasopfer reduzieren, Umweltsünder trifft der Dorfbann, Arbeit macht ungeteilte Freude, weil sie nicht mehr so geteilt ist, treibt den Kurs der Flexibilität in die Höhe und die Austauschbarkeit zur ultima ratio. Arbeitsplatzrotation als rationalisierte Humanität ist die Zentripetalkraft, deren kinetische Energie den Schwindel regeneriert und das mit potentieller Energie vollgestopfte Individuum anstatt an einem Ort gleich an mehreren zur Ader läßt und so verstärkt bindet. Wie in der Welt eines Bookchin sich die Menschen nur noch schleppend bewegen können, weil sie so tief mit ihrer ökologisch reinen Heimat verwurzelt sind, herrscht in den halluzinierten Idyllen ökologischer Utopisten allgemein die generalisierte Mitverwaltung einer zonenrandgebieterischen Vernunft über das naturhaft gerechtfertigte Überleben, welches in dieser Scheherezade sorgfältig portioniert als Kurzweil erscheinen soll, derweil sich nur die Macht neuer Gewohnheiten einstellt. In den Theorismen der Apostel dezentraler Glückseligkeit herrscht gemeinhin ein Utilitarismus auf niedrigstem Niveau, zu dem sich Voyer wie folgt äußert: “Der Folgesatz der utilitaristischen Konzeption ist die niedrig utilitaristische Konzeption des Kommunismus, die bürgerliche Konzeption des Kommunismus (diese berühmte Konzeption, in der man vormittags fischen und nachmittags zur Jagd geht und sich am Abend mit Theorie befaßt) gleicht einem Schlaraffenland voller Candyzucker, Wurst und Vögelein”, wobei der moderne Ökologist die Betonung auf die Vögelein legt.

Im Zentrum des Dezentralismus steht die These, das Leben sei so kompliziert und deshalb undurchschaubar wie das Warenangebot geworden, dem müsse man abhelfen. Doch ist nichts überschaubarer als die Tatsache, daß nicht mehr nur die muskuläre Arbeitskraft der Ausbeutung unterliegt, sondern der ganze Mensch bzw. das, was von ihm übrig geblieben ist; nichts ist unkomplizierter als die Garantie dieser Tatsache durch den Staat.

“Alles muß einfacher werden: der Mensch, die Verwaltung, die Technik, der Verkehr.”(Grüne Aktion Zukunft)

Wie ein guter Chirurg kennt das Kapital dabei nicht die Kompliziertheit an sich, sondern nur Komplikationen während seiner weltweiten Operation Ausbeutung.

Was den dezentralen Überlebensgemeinschaften von Ökodörflern als teilautonome Strukturfelder an besserer Kontrolle der Dörfler über sich und ihre Bedingungen auf die Fahnen geschrieben wird, begreift der Staat, zentral bleibende Macht, als bessere Kontrolle der Gesellschaft insgesamt, setzt mehr Vertrauen in eine modifizierte Kontrolle, die besser das Vertrauen kontrolliert.

Gerade die Realisten der verdinglichten Verhältnisse par excellence, die Kybernetiker, glänzen als Staatsdenker, wenn sie mit Revolutionsangst im Nacken den “weichen Wandel” propagieren, um dem drohenden “harten Bruch” zuvorzukommen, den Dezentralismus nicht nur als flexibler, reaktionsfähiger, kontrollierbarer, regelbarer darstellen, sondern auch als natürlicher.

“Es geht vielmehr darum, eine einseitige, effizienzorientierte Entwicklung zur Großstruktur, deren strukturelle Trägheit immer gefährlicher wird, umzulenken hin zu einer “mittleren Entwicklungslinie” der Ausgewogenheit zwischen allen überlebenswichtigen Orientierungsdimensionen …” (Müller-Reißmann)

“Das Grundprinzip der rekonstruktiven Botschaft der Ökologie läßt sich in dem Wort “Vielfalt” zusammenfassen.” (Bookchin)

Die in den zentralen Orientierungsdimensionen ökologischer Einfalt akklamierten dezentralen Vielfalten des Gleichen wetteifern in der Maximierung der Überschaubarkeit der Rekonstruktion von Situationen vergangener Epochen. Um diese Zeit zu erobern, genügt es Fußgänger zu sein.

Hinzu kommen die Bedenken der Kapitalberater über eventuell in zentral begonnenen großtechnischen, aber bereits überholten oder nicht durchführbaren Projekten verlorenes Kapital. Wo doch selbst das größte Flugzeug der Welt Howard Hughes nicht unbedingt ärmer gemacht hat als um einige Illusionen, sehr wohl aber die Concorde zwei Regierungen Jahrzehnte nach dem Exzentrismus eines Millionärs. Resultierte bei Personen wie Hughes oder Völkern wie den Inkas die Verschwendung noch aus Reichtum, kaschiert sich heute die Armut mit Verschwendung: Prestigepflege, Verifizierung des einzigen Know How: des technologischen, wirtschaftliche Ankurbelung, Kriege. Die Dezentralität dieser Vorgänge verspricht ein Plus an Steuerbarkeit.

Hinter Sätzen wie: “Man kann der Natur nicht notorisch zuwiderhandeln, ohne daß sie sich rächt” schütteln sich kybernetische Schleiereulen wie Müller-Reißmann und anarchistische Botschafter wie Bookchin die Hände: Ökologismus braucht heute jeder. Einfach leben statt kompliziert sterben, eine komplizierte Flucht in die barbarische Einfachheit, das Leben selbst ist Preis für die lebenslange Gewöhnung an den überschaubaren Tod.

Der Dezentralisierung der Macht als vollkommenere Herrschaft über die Gesellschaft, als verbesserte Beherrschung der Beteiligung entspricht die Zentralisierung der Ohnmacht im Individuum als an seiner Beherrschung vollkommener Beteiligter, damit es nicht nur als Konsument König ist, sondern auch jeder sagt: L’etat, c’est moi.

Genauso wenig wie die Juden der präisraelitischen Zeit vor ihrer millionenfachen Liquidierung gefeit waren, wären die humanisierten Naturproduktgenerationen davon befreit, sich selbst zu liquidieren, als Sklaven zu halten, um die Armseligkeit ihrer Überlebensformationen aufrechtzuerhalten, der Armut immer mehr Seligkeit hinzuzufügen.

Wo der Zentralismus zur Schwäche der Macht wird, spiegelt die dezentrierte Intelligenz die Schwäche der Angriffe auf die Macht – gleichberechtigte Teilnahme am Verzicht und autonomes Elend für alle ruft nur ihre Restauratoren auf die Bühne des Spektakels.

Einige Stimmen zur Philosophie des Dorfes

“Der Wunsch zur Isolierung wächst im Quadrat zur Bevölkerung.”

Solch desolaten Gedanken konnte ein amerikanischer Professor für menschliche Ökologie, Garrett Hardin, in seinen verworrenen Gehirnschlingen isolieren. Die Sehnsucht nach der Quadratur der Wünsche bevölkert Köpfe wie diesen, die Quadrate der Isolation wachsen mit dem Wunsch nach Bevölkerung, die Isolierung der Wünsche wächst im Quadrat seiner Studentenschaft.

“Der Widerspruch von Stadt und Land lebt in uns. Vielleicht kommt aus uns seine Aufhebung, die lebendige Provinz als Antithese zu dem, was uns noch schein tot umgibt.”

So träumt es die Graswurzel-Landkommune vor sich hin, eine bis auf die Zahnwurzeln verfaulte Prothese, immer noch nicht vom Stadt-Land-Fluß-Spielen weggekommen. Scheinlebendige feinsinnige Interpretatoren von Marx, getreu dem Motto: Radikal sein heißt, die Sache an der Wurzel packen, die Wurzel des Menschen aber ist das Gras.

“So große, anonyme Städte darf es nicht geben; weite Zufahrtswege zum Arbeitsplatz ebenfalls nicht. Wenn man z.B. morgens auf der B1 zwischen Essen und Dortmund steht, sieht man tausende Autos von Essen nach Dortmund fahren und ebensoviele in die entgegengesetzte Richtung. So was von Fehlplanung darf es nicht geben.”

Verantwortlich für dermaßen wissenschaftliche Resultate urbanistischer Untersuchungen ist das Forschungsinstitut für sanfte Technologie. Wobei die tatsächliche Fehlplanung nicht die der Richtung ist, sondern der Ort, zu dem sie alle fahren; die Richtung ist deshalb falsch, weil alle zur selben Zeit zum selben falschen Ort fahren.

“Arbeit ist umso weniger entfremdet, je geringer die Distanz, der Abstand in Raum, Zahl und Zeit ist, der zwischen der Herstellung eines Produktes und dem Bedürfnis liegt, für das es erstellt wurde.”

So schmiert sicherlich auch Amery seine Bücher an einem Tag aufs Papier. Aus dem obengesagten folgt, daß der am wenigsten entfremdet ist, der von der Hand in den Mund lebt.

“Jede Form der Großproduktion minimiert das Bewußtsein der ökologischen Folgelasten …”

In diesem Satz des Sire Jean drückt sich die Erkenntnis aus, daß der Wunsch nach Vergessen wächst mit der Folgelast des Bewußtseins.

“Ein Subsistenzbauer, der sein Land und seinen Betrieb überblickt, weiß genau, was er mit dem anfallenden Mist anstellen wird; der industrielle Tierhalter weiß es nicht mehr, und er rechnet damit, daß die öffentliche Hand schon stark genug sein wird, seinen Schweine- oder Hühnerkot auch in den Weltraum hinauszuschnipsen, wenn es nötig sein sollte.”

Diese von Amery hingeschnipste Zukunftsdrohung hat sich längst als gegenstandslos erwiesen, ist doch die ökologische Hand bereits eifrig dabei, dem Kot als alternative Energiequelle die weihevolle Würde zu verleihen, die ihr selbst fehlt. Und um den vielbeschworenen Faktor Kreativität braucht sich auch niemand mehr zu sorgen:

“Es ist gar nichts Geheimnisvolles an ihm; man kann ihn tagtäglich vor allem auf dem Dorf beobachten: genauer gesagt, im Übergang von der sogenannten Arbeit zur sogenannten Freizeit.”

Jeder Dorflümmel scheint seit Jahrhunderten das zu praktizieren, was 1968 revolutionäre Parole war, gleich hinter der Scheune bringt er die Phantasie an die Macht, mit Hammer und Nagel in der Hand auf der Leiter stehend spürt er den Drang nach Höherem. Den Weltgeist lernt man heute bereits in der Zwergschule kennen.

Über einen gewissen Smigielski und seinen Plan eines Ökodorfes in Mittelengland weiß das Forschungsinstitut für sanfte Technologie folgendes zu berichten:

“Seine Aufgabe war, von einem selbst versorgenden “neuen Dorf” zu träumen: Daraus ist ein realistischer Plan geworden, für ein Dorf, das durch Sonnen- und Windenergie versorgt wird; ein Dorf ohne Konflikte … – Smigielskis Ideen wurden vom Bau- und Sozialwohnungsverband mit Enthusiasmus begrüßt, da sie einen seriösen Stadtplaner mit einem Leben voller Erfahrung hinter sich sahen, dessen Pläne mit den Träumen junger Menschen übereinstimmten. – Der Plan ist untergliedert in zwei Zonen: eine halb-ländliche und eine städtische. – Groß genug, für ein volles Kulturangebot und beträchtliche Arbeitsgelegenheiten zu sorgen, klein genug, um eine Dorf-Gemeinschaft entstehen zu lassen, um den Menschen die Kontrolle über die Entwicklung zu erhalten.”

Wahrlich, die ökologischen Träume eines Sozialwohnungsverbandes gehen konfliktfrei ein in die Entwicklung einer seriösen Kontrolle, damit die Stadtplanung ein sicherer Weg der Macht bleibt, für sich selbst zu sorgen.

In dem “hochgespülten Schlamm” des “Weges aus dem Sumpf”, von dem bereits Mühl verschlungen wurde, nachdem er ihn beschrieben hatte, erscheint nun auch japsend Dieter Duhm mit seinem Ökodorf als “Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung”, der seinen Sumpf der “verinnerlichten psychischen Strukturen und ihrem Bodensatz von Eifersucht, Neid, Mißtrauen, Angst und heimlichen Machtkämpfen” erstmal sichtbar machen und ausräumen muß, “ehe wir von ökologischer und sozialer Erneuerung sprechen” können. “Selbstdarstellung ist … bewußte Selbstdemaskierung”, und diese treibt der schlammbespritzte AAO-Fan so weit, daß er sein Ökodorf als “eine gruppenöffentliche und gemeinschaftliche Realisierung von Freuds therapeutischem Motto “Wo ES war, soll ICH werden”” definiert; von Revolution ganz zu schweigen, denn “eine solche Umwälzung verändert gesellschaftlich-ökonomische, nicht psychische und geistige Strukturen”. Duhm nimmt es also sichtlich ernst damit, den Mist nicht im Weltraum, sondern auf der Erde abzulagern. Lassen wir ihn ruhig mit seinem gigantomanisch-universitären Ökodorf an der Zukunft seines ökologischen Orgon-Reiches herumlaborieren, denn “der Mensch ist anders”, als Duhm sich ihn denkt. Aus der gleichen Sickergrube schöpft sein Freund Schumacher, ein noch mittlererer Technologe, der dem Menschen anheimstellt, das verschüttete Ökodorf seines eigenen unbewußten Zentrums wlederzufinden.

Holocaust und Resozialisierung

Dezentrale Verfassung der Gesellschaft soll die Endlösung der Geschichte sein, die teilautonome Selbstverwaltung unter der Hemisphäre des Staates die Endlagerung des renaturierten Menschen. Dezentralisten träumen von demokratischer Vielfalt, die Macht bedankt sich für ihre Vervielfachung.

Daß Dezentralität der zentralistischen Macht nur zugute kommt, wußte schon der alte Philipp von Makedonien, der im Korinthischen Bund die von seinen Truppen eroberten Staaten Griechenlands zusammenschloß, welche ihm zwar Heeresfolge leisten mußten, ihre Selbstverwaltung jedoch behielten. In diesen fand er auch bereitwillige Unterstützung seines geplanten Feldzuges gegen die Perser, und bezeichnenderweise fiel er einer Verschwörung des eigenen makedonischen Adels zum Opfer. Alexander setzte im persischen Reich diese Eroberungsstrategie fort, die selbst 2000 Jahre später durch Napoleon noch nicht ihre letzte Nachahmung gefunden hat. Diese Wiederkehr des Gleichen ist der Dezentralismus als besserer Zentralismus.

Die ökologische Krise: eine Schuld der Menschheit gegenüber der Natur. Die Gesellschaft, die dies erkannt hat, findet in den Ökologen bereits ihre Ablaßhändler vor. Die dezentrale Versorgung soll unabhängiger machen, Unabhängigkeit von zentralen Dienstleistungen wird mit Freiheit identifiziert, genügend Lichter werden auch ohne Radioaktivität versprochen: was will man eigentlich sehen? Allein die Tatsache, daß man sich zufällig im selben Jahrhundert befindet, genügt den Dezentralisten, ihren friedvoll vor sich hinduselnden Nachbarschaftssozialismus zum Wohl der Menschheit aufzublasen. Faßbar bleibt in diesen KZ’s des Sozialen die gesunde Natur kaukasischer Bauern nebst dabei anfallender seelischer Unbeschwertheit. Bremsen quantitativen Wachstums zugunsten einer Gesundschrumpfungsqualität gesellschaftlicher Organisation, den geographisch-kulturell-psychischen Weichbildern dieser Resozialisierungsepoche angepaßten Technik. Die ökologistische Destillation qualitativer Nichtigkeiten aus den ökonomischen Kategorien der Quantität. Die in regionaler Autonomie belebten Perspektiven der Vergangenheit schöpfen aus der idealen Materie einer unversehrten Natur das materielle Ideal einer neuen Weltwirtschaftsordnung.

Migrokosmos

Wo die Entwicklung der Produktivkräfte den Produktionsverhältnissen Hohn spricht, der tendenzielle Fall der Profitrate in einen Sturz übergeht, das Soziale nur als Mikrokosmos existieren darf, genügen nicht politische Direktiven der Dezentralisation, in Komplettierung dazu braucht die Ökonomie insgesamt als weltbeherrschendes Denken einen neuen Unterbau, will es seine Beherrschung nicht sehr bald verlieren. Hierbei subsumieren sich unter dem Begriff Dezentralisation die Zunahme der Heimarbeit und der Kleinunternehmen, die Trennungen von Abteilungen in Großbetrieben, die Arbeitsaufträge vergebenden Firmen gehören, die Auslagerung von kleineren Arbeitsprozessen, der Planung und gesundheitsschädlicher Arbeiten aus Großbetrieben, die Zerlegung des Fließbandes in Bandabschnitte sowie das Rent-a-Worker bei Manpower und anderen bis zum Arbeiter-Leasing. Mit der dezentralen Produktionsweise horizontalisiert sich die Hierarchie, deren Gewalt sich nicht mehr nur über den Köpfen drohend sichtbar erhebt, sondern parallel zu ihnen und durch die Köpfe aller die Unterwerfung forciert. Ein Zipfel sogenannter Kreativität soll für jedermann greifbar erscheinen, soviel Kommunikation wie nötig, soviel Verantwortung wie möglich: die Erneuerung der Organisation ist ein schwieriger Balanceakt.

Selbst in Warenhäusern geht man dazu über, die Illusion eines besonders verkäufer- und kundenfreundlichen Fachgeschäfts herzustellen, indem man Verkaufsflächen den unterschiedlichen Waren gemäß optisch unterteilt, damit man sich in diesen Zentralen des Käuflichen nicht allzu verloren vorkommt.

Nach der materiellen Verelendung im klassischen Kapitalismus und der psychischsozialen Verelendung in der spektakulären Warenfreizeitgesellschaft jetzt die Synthese beider als verallgemeinertes Elend dezentralisierter Entfremdung einer humanizistisch ökologisierten Ökonomie kleinkybernetischer Regelkreise.

Die Dezentralisten von heute sind schon jetzt die Kleinbürger von gestern. Die Ökologen bekräftigen also das, was dieser Welt ureigenste Notwendigkeit ist, als Tugend, nämlich nur im Kleinen groß zu sein.

Wie im 19. Jahrhundert der preußische Staat die Kinderarbeit verbieten mußte, weil die verkrüppelten Herangewachsenen als Soldaten nicht mehr brauchbar waren, müssen heute die Industriestaaten die besten Ökologisten sein und die energischsten ökologischen Maßnahmen im Produktionswie im Reproduktionssektor menschlicher Arbeitskraft durchführen, um einen letzten Rettungsversuch der Welt der Lohnarbeit und der Ware zu unternehmen.

… und der Freitag ist immer schwarz

“Wäre die Sonne ein ausbeutbarer Stoff, das Proletariat würde sie niemals erblicken.” Kommunisten-Bankett, Paris 1840

Unter dem apokalyptischen Bild versiegender Rohstoffe und der geringen Qualität der übriggebliebenen vollzieht sich allmählich ein Wandel im Strom der Kapitalien.

Die Forderung der Ökologen nach mehr Vernunft in der Ökonomie findet dort in dem Maße eine Aufnahme, als diese Vernunft eine profitable Größe ist. Die Ökologen denken das Leben neu, die Industrie liefert derweil schon die Mittel, um diese Ideen in die Praxis umzusetzen: Wärmepumpen, Sonnenkollektoren, Isolierverglasung, Fahrräder, Jute statt Plastik.

“Das Auto und das Fahrrad verkörpern entschiedene Gegensätze. Verallgemeinert in der Stadt wird der Widerspruch noch schärfer. Die Verallgemeinerung von Autos in der Stadt bedeutet den Tod der Städte, Zerstörung von Gemeinschaften, Verschmutzung, Lärm, Einschüchterung, Isolierung und Tod. Die Verallgemeinerung von Fahrrädern in der Stadt bedeutet Gemeinschaft, Ökologie, Ruhe, Wirtschaftlichkeit, Liebe. Autos bedeuten Abhängigkeit. Fahrräder Unabhängigkeit. Autos bedeuten Ausbeutung und Hierarchie. Fahrräder bedeuten gegenseitige Hilfe und Gleichheit und Offenheit.” (aus Open Road)

So entdeckt die Welt sich neu und der Konsument findet in den Neo-Gegenständen diese alte Welt auf neue Weise.

“Energiesparen als das Geschäft der Zukunft, diese Ansicht scheint auch bei Nekkermann immer stärker das Katalogangebot zu bestimmen. Im Herbst-Winter-Katalog, der jetzt vorgestellt wurde, sind erstmals zwölf der über 100 Seiten allein diesem Thema gewidmet.” (Frankfurter Rundschau, 31.7.80)

Eine ständig expandierende Industrie, in der Firmen wie Krauß-Maffei, Rheinmetall, Hoechst, Siemens, Philips vertreten sind, schafft sich aus der Tatsache, daß die vorherrschenden Produktionsbedingungen ihre eigene Reproduktion in Frage stellen, einen neuen Markt, der nach Schätzungen des Deutschen Industrie- und Handelstages 1980 4 % des Bruttosozialprodukts ausmachen wird. Wie schon den Benthamiten vor 150 Jahren die Verschmutzungskontrolle nicht eine Idee war, die industrielle Produktion zu beschränken, sondern sie sicherzustellen, wird heute die Front der Produktion dosiert vorangetrieben, um zu einem wissenschaftlichen Ausbeutungsgrad des Planeten zu gelangen.

“Warum atmen Sie freiwillig jeden Tag 51 Milliarden Schadstoffe ein? Wo Luftion doch den besten Luftreiniger der Welt hat.” (Anzeige, LUFTION, 1980)

Während früher die Entwicklung der Technologie ein Synonym für die ständige Verbilligung der Waren war, wird die Vernunft jetzt zu einem Synonym für ihre Verteuerung. Die “Demokratisierung der Konsumenten” findet ihre gelungene Fortsetzung dadurch, daß die Vernunft aus ihrem moralischen Angriff auf die Verpakkung heraus zum besten Fahnenträger des Verpackten geworden ist. Begründungswellen lösen die Selbstbeweihräucherungskampagnen der 60er Jahre ab. Das Kapital erscheint janusköpfig als Geschädigter und Retter zugleich, ist Produzent und Nutznießer dieses Widerspruchs.

Die Ökologie gerät augenblicklich zur dominierenden Public-Relations-Agentur des Kapitals, was M. Bookchin veranlaßt, sich über die harmlosen, in falsche Hände geratenen Ergebnisse seiner Theorie zu beklagen, ohne zu erkennen, daß der Grund dafür in ihrer zusammengeschichteten Gutmütigkeit liegt.

Die Vernunft des Kapitals verbleibt in der Logik des Profits. Und die hatte sich von frühen humanistischen Appellen gegen die Vernichtung von Lebensmitteln wenig berührt gezeigt. Auch heute bleibt das Vorrechnen von volkswirtschaftlichen Verschwendungen verschwendete Zeit.

In der spektakulären Warengesellschaft wird die Apokalypse zu einem Abzahlungsgeschäft, wie die Zukunft darin der Kreditbrief ist, auf den die Vergangenheit als Sicherheit genommen wird. Diese alles verdrehende Realität läßt das Kapital erst als das wirkende Wesen erscheinen, das es ist, erst unter den vollkommen entpersonifizierten Verhältnissen des ewigen Schreckens als Glück wirkt das Kapital als eine abstrakte Konkretheit auf die Verhältnisse konkreter Abstraktheiten ein. Somit ist – wie es als vorgestellte Macht nie etwas anderes war – das Kapital auch nicht eine mißbräuchliche Verwendung ungeheurer Geldmengen, das Masse-Verhältnis enteigneter Arbeitskraft zu einer monetären Nominalität, sondern das Denken des Wertes, unter dem alles mißlich wird, was dieser konkreten Abstraktheit ausgesetzt ist, wobei die menschliche Natur den Angelpunkt dieser Wertschöpfung abgibt, deren Ausbeutung die prima Materie aller Rohstoffe ist.

Das Geld ist die Moralität des Kapitals. Die Kernenergie erlebte ihren Boom nicht, weil der Kapitalismus sich selbst zerstören wollte, sondern weil es ihm im Grunde gleichgültig ist, wohin das Kapital fließt, nicht aber daß es fließt. Er steht und fällt nicht mit einer einzelnen Technologie, und so sind die Kernkraftwerksruinen noch Denkmäler eines Feldzugs des modernen Kapitals, bei dem sich die gigantische Kapitalvernichtung bis in die Beseitigung fortsetzt. In ihren Export richten sich die Erwartungen auf das Interesse einiger Potentaten der Dritten Welt an Eintrittskarten in den Club of Hiroshima. Die Autoindustrie hantiert auf dem taktischen Rückzug um Marktanteile mit Zwischenlösungen, in denen sich der japanische Brain- und Planungstrust auf seinem geschlossenen Binnenmarkt ein kräftiges Sprungbrett zur Expansion geschaffen hat, das auf höherem Produktionsniveau benutzt, was alle Produktionauslagerungen in Drittländer suchen, nämlich Möglichkeiten zur verstärkten Ausbeutung der Arbeitskräfte und anderer Rohstoffe. Die Investitionen in frühkapitalistische Laissez-Faire-Enklaven, die nebenbei ein Experimentierfeld für mittlere Technologien schaffen, dessen Ergebnisse in den Dezentralen der Metropolen verwertet werden, sind der Doppelangriff von Ausplünderung und Schaffung eines Marktes für die Exporte aus den Metropolen, der sich einem Gegenangriff gegenübersieht, indem aus traditionellen Investitionsländern selbst Exporteure werden, und der Tatsache, daß immer mehr Länder der Vierten Zone dem Bankrott entgegentaumeln.

Innerhalb der Permanenz von Spekulationsgeschäften soll gleichzeitig doch eine Vernunft wirken, die den Besitzern von Petromilliarden näher legt, sich für ihre Produkte auch noch die passenden Konsumenten zu kaufen, als den wackelnden Währungsgebäuden einen weiteren kräftigen Stoß zu geben. Was in volkswirtschaftlichen Rechnungen lediglich als temporäres Problem des Eurodollar- und Finanzmarktes erscheint, ist die Erweiterung einer Krisengleichung um einen Unsicherheitsfaktor, wobei selbst die Befreiung von der arabischen Garotte durch die Substituierung des Öls als Grundstoff ohne die Petrodollars unmöglich ist, da ihr Rückfluß 10 % des gesamten Investitionsvolumens der Industrieländer von 1975 ausmachte.

Unabdingbare Reserve für die Kapitalvernichtung ist und bleibt die Produktion von Waffensystemen, die inzwischen vor allem in Modernisierungsschlachten statt nur in Waffengängen verzehrt werden, da die gründlichste Auseinandersetzung sich auf eine Apokalypse von 25 Minuten reduziert hat.

Die Notwendigkeit, zur Sicherung der eigenen Stellung breite Gebiete möglicher Produktion und Profits zu besetzen, spiegelt die Geschichte der Ölkonzerne: Schon 1936 schloß die Standard Oil of New Jersey mit der IG Farben einen Kartellvertrag, um sich die Rechte des Herstellungsverfahrens von Brennstoffen aus Kohle zu sichern, und damit eine mögliche Konkurrenz durch die Kohle auszuschliessen. Diese Aufteilung, der auch andere Ölgesellschaften beitraten, wurde in den 60er Jahren noch erweitert, als sich die Öl-Konzerne im Kohle- und Uranbergbau einkauften. Anfang der 70er Jahre kontrollierten sie in den USA 28 % der Kohleproduktion, 45 % der Uranvorräte, den Erdgasmarkt, sowie Teile der jeweiligen Verarbeitungsprozesse. Gulf Oil und Jersey Standards kündigten an, neben der horizontalen Monopolisierung auch vertikal bis zum Kernkraftwerksbau zu expandieren. Die Preiserhöhungen für Brennstoffe aus Öl seit 1973 brachten also nicht nur augenblickliche Höchstgewinne sondern auch ein langsames Näherrücken der Konkurrenzfähigkeit aus Kohle gewonnener Brennstoffe.

Der Energiemarkt ist das heutige Eldorado, in dem die multinationalen Energieunternehmen langfristig ihre Claims abgesteckt haben. Die Kontrolle des Marktes ermöglicht ein wahlweises Investieren, Drosseln und Intensivieren von Produktionen, das selbst seine eigenen Gesetze und Knappheiten schafft, so wie es 1973 auch keine Rohölknappheit gab, sondern eine geplante Knappheit raffinierten Benzins, als Gegenmaßnahme der Ölkonzerne gegen eine Verknappung ihrer Profite.

Mit den Investitionen der Konzerne wie Royal Dutch Shell, Gulf Oil, Philips, General Motors, General Electrics, Boeing, ITT im Bereich der alternativen Energieverfahren endete der Traum der Ökologen von der Energieautonomie, in der die Sonne unermeßlich und niemandes Eigentum schien, also eine durch und durch demokratische Energiequelle. Solch faszinierter Blick hieß vergessen, daß Rohstoffe kostenlos sind, Wasser nicht weniger als Gold und Steinkohle, bis zum Moment der Verarbeitung, in dem ihr Wert erst geschaffen wird, was 1974 einen amerikanischen Senator veranlaßte, ein Gesetz gegen die Investitionen von Ölkonzernen in der Solartechnologie zu fordern. Diese Konzerne hatten von ihnen produzierte Energie aus Geowärme unabhängig von ihren Kosten zu einem höheren Preis, nämlich dem Öl und Kernkraft entsprechenden, abgegeben. Insofern unterscheidet sich ein Atom nicht von einem Sonnenstrahl, dessen Zugehörigkeit zur Warenwelt in der Tourismusindustrie ein altes Beispiel besitzt. Das Abkommen über den Internationalen Rohstoff-Fonds, mit dem eine Stabilisierung des Rohstoffmarktes erreicht werden soll, versucht die spekulative Tendenz aufzufangen und eine Ordnung der Rohstofflage und der Weltwirtschaft unter Aufsicht der nationalen Regierungen zu gewährleisten.

In den 70er Jahren spiegelt sich die soziale Krise verstärkt in einer Ökonomie, die den sicheren Tritt verloren hat und durch die Publizität dieser Tatsache den Menschen wieder in einen neuen Gleichschritt mit seiner Entfremdung zu bringen versucht.

Das Versprechen einer besseren Welt, der Heimat des aktiv entfremdeten Menschen – zwar nicht das Reich der Freiheit, aber immerhin das Land der Freizeit – die Utopie der kapitalistischen Gesellschaft, muß zurückstehen. Vorerst geht die Beteiligung an der Selbstverwaltung des kulturellen Elends in die Individualisierung der ökonomischen Krise über – die Wiederentdeckung des lokalen Krieges als Formel zur Steigerung der Stahlproduktion und der nationalen Identität spielt dabei keine andere Rolle als Kaufhäuser für düngemittelfreie Nahrungsmittel und kunststofflose Kleidung.

Das Päckchen, was jetzt jeder wieder zu tragen hat, erinnert noch an die alte Aktentasche, enthält ebensowenig Versprechungen für eine bessere Zukunft, dafür aber einen reinen Joghurt und einen Umweltschutzpapierprospekt.

Die Arbeit der Entfremdung

“Schon immer haben wir den Mensch vor die Technik gestellt. Heute ist es uns “klingende Münze” wert, wenn es auch andere tun. “

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Der produzierende Arbeiter ist zu dem für den Kapitalismus unproduktivsten Glied der Produktionskette geworden. Die Zukunft des Kapitalismus, symbiotisch verwachsen mit seiner Fähigkeit, die Ausbreitung der Ware durchzusetzen und deren Herrschaft durch beständige quantitative Steigerung zu erhalten, wird in dem Maße verstärkt bedroht, wie es diese Dynamik nicht mehr garantieren kann. Dieses Scheitern offenbart sein grundsätzliches Dilemma. Sein Wesen, alles dem Käuflichen und der Entäußerung zu unterwerfen, hat ihm jede soziale Basis entzogen, vielmehr ist es sein ureigenes Streben, diese zu zerstören. Die totale Vereinnahmung des Menschen durch die Macht der Ware, die zugleich seine Trennung von sich und seiner Geschichte bedeutet, erzeugt eine Unzufriedenheit, die zu wachsender Verweigerung der Teilnahme an den ihn beherrschenden Strukturen geführt hat. Wie versucht wurde, den Menschen als soziales Wesen im sich entwickelnden Kapitalismus aufzulösen, sollte er innerhalb der Produktion seit Taylor eine wirtschaftliche Größe mit klar berechenbaren festen Einheiten sein, doch die Strategie, ihn zu einer zuverlässig funktionierenden Produktionsvariablen zu machen, ist nie gelungen. Die billig kalkulierte Arbeitskraft im 20-Sekunden-Takt hat sich in einen arbeitsunwilligen Kostenschlucker verwandelt, einen Knüppel im Speichenrad des wirtschaftlichen Gedeihens. Seine objektive Feindschaft zu den Interessen des Kapitals drückt sich sowohl in offenen Kämpfen als auch durch eine Blähung der notwendigen “sozialen Nebenkosten”, verursacht durch Krankheit und sonstige Abwesenheit, mangelnde Produktionseffektivität durch Fehlzeiten, Fluktuation, Arbeitsunlust und Arbeitsverweigerung aus.

“Personal- und Produktionsnebenkosten schlecht motivierter Mitarbeiter haben vor allem die Hersteller hochwertiger, lohnintensiver Produkte zum Umdenken gezwungen. Es wurde deutlich, daß optimale Technik plus optimales Industrial Engineering im bisherigen Sinn nicht optimale Produktivität bedeutete und daß somit Taylor nicht uneingeschränkt recht hatte. “

(Braun AG, Nizo-Fotowerk, München, 1980)

Es zeigt sich hier nichts anderes als das Zerbrechen der Arbeitsmoral als Fortführung des Klassenkampfes mit anderen Mitteln. Der schlechte Arbeiter, der durch sein Fernbleiben die gesamte Produktion, unabhängig von ihren Bedingungen, als das Wesen einer Gesellschaft angreift, die ihm wesentlich fernsteht.

Zur Sicherung des Produktionsfortschrittes ist das Kapital deshalb gezwungen, diese Produktionsvariable wieder zuverlässig zu machen oder ganz abzuschaffen.

Euphorisch wurde in den letzten Jahren die Entwicklung und Markteinführung der Mikroelektronik verfolgt als der mögliche Dolchstoß für den Arbeiter. Der angebliche Chip des Weisen hat die Größe eines halben Stückchens Würfelzucker, Mikroprozessoren als Schrittmacher für das müde gewordene Herz der Gesellschaft. Der Einsatz der Mikrocomputer in der Produktion macht den in der Produktion Arbeitenden zum die Produktion Verwaltenden. Die Arbeit wird neu organisiert, um ihr die Produktivität wiederzugeben.

“Es wird damit ein Weg vorbereitet für die Übernahme noch vorhandener Elemente monotoner menschlicher Arbeit durch die stählernen Arme maschineller Aggregate und damit eine Vorwärtsstrategie angewandt, welche den Menschen aus der Stellung des Lückenbüßers befreit und ihm eine Kontrollfunktion zuteilt, die von ihm den Einsatz des vollen Spektrums seiner Fähigkeiten verlangt.” (Theodor Ellinger, HdA, 1979)

Dabei ist der Slogan von der “Befreiung von der Arbeit” als der Versuch zu verstehen, die praktizierte Kritik an der Arbeit durch staatliche Utopismen abzufangen.

“Auf 25000 Quadratmeter Fläche entsteht zur Zeit in Japan eine vollautomatische Fabrik. Mit einem Personalaufwand von nur 10 Personen soll künftig das produziert werden, wofür bei herkömmlicher Fertigung 800 Menschen notwendig waren. Einzige Aufgabe der verbleibenden Arbeiter wird die Überwachung der robotergesteuerten Werkzeugmaschinen sein. Das Projekt ist das zur Zeit größte Forschungsvorhaben in Japan und trägt den Namen: “Methodology for an unmanned factory”.

(Arbeit ohne Arbeiter, 28. 12. 1977)

Die so komplexe und durchgängig kalkulierbare Steuerung des Produktionsprozesses ist der durch die Automatisierung nahezu verwirklichte Traum. Das der kybernetischen Herrschaft einzig Fehlende ist der roboterisierte Konsument.

“Das ganze Geheimnis liegt in unseren Werken. Wo in Europa noch die Arbeiter in Scharen werkeln, schaffen bei uns die Roboter. In Toyota City, dem japanischen Wolfsburg, ist die Entwicklung schon so weit fortgeschritten, daß ausgefallene Roboter von anderen Robotern repariert, neu programmiert und – auf diese Weise resozialisiert – wieder ans Band zurückgeschickt werden.”

(Mazda Motors, 1980).

Die aufgrund der hohen Investitionskosten noch zögernd einsetzende Automatisierung hat im bisher kaum modernisierten Bereich der Verwaltung zu einer starken Veränderung der Arbeitsweise und Personalstruktur geführt. Das Absterben der Schreibstuben dezimiert Quantität und Qualität des Angestelltenstatus, während innerhalb der Produktion die Zahl der Angestellten relativ zu den Arbeitern steigt. Insgesamt wird dadurch eine Arbeiterschaft verwalteter Minimalverwalter geschaffen.

Auch die Verkürzung der Arbeitszeit und der Ersatz bestimmter Arbeiten durch Elektronik tragen nur zu der gleichzeitigen globalen Ausdehnung bei: das gesamte Leben wird seiner getrennten Bereiche beraubt – Freizeit, Privatheit, Konsum werden ebenso der Entäußerung unterworfen wie die Arbeit und selbst produktive Sektoren der Entfremdung. Hier also ein Bereich, der dem Kapitalismus die benötigte Expansion verspricht und gleichzeitig seinem Verlangen entgegenkommt, die unkalkulierbare Größe des Menschen innerhalb der Produktion auf eine höher entwickelte Weise beherrschbar zu machen.

“Der Arbeiter ist eine Modifikation des Menschen. Seine besondere Konstitution (Muskelkraft) befähigt ihn, unmittelbar an Produktionsprozessen teilzunehmen. Allerdings ist auch er – wie jeder andere Mensch – sehr stark von äußeren Einflüssen abhängig.”

(Anzeige, Colt International, 1974)

Dagegen stabilisiert die von Gewerkschaften, als den der Tradition der Arbeit verhafteten Garanten derselben, geforderte Humanisierung der Arbeit deren ideologische Bedeutung, indem sie den Menschen in den Mittelpunkt der Arbeit stellt, die Arbeit menschlicher, den Menschen zum ganzheitlich Arbeitenden macht. Diese Aufrüstung zugunsten einer imaginär befriedigenden, wahrhaft menschlichen Arbeit ist die einfache ideologische Antwort auf das Problem des Zerfalls des Arbeitswertes, den der Einsatz der Mikroelektronik rapide vorantreibt.

Die Ideologen der Arbeit hängen den Technokraten der Produktion hinterher, weil sie wissen, daß sie sich selbst aufgeben, ihren separaten Herrschaftsbereich räumen müssen, sobald die Hierarchie die geordneten Bahnen der Verwaltung verläßt und sich als kybernetisches Ordnungsprinzip horizontal durchsetzt. Die Technokraten hingegen können sich den restaurativen Strömungen nicht feindlich entgegensetzen, da ihr System, das jeden Sinns und jeder Verbesserung entbehrt, äußerst anfällig ist und auf eine sorgsame Durchsetzung innerhalb und durch jedes Individuum angewiesen ist.

“Die Arbeitswelt von morgen wird eine andere sein als die Arbeitswelt von heute. In uns selbst wächst die Überzeugung, daß der Abstand zwischen Mensch, Maschine und Produkt verringert werden muß, daß dem Menschen undurchsichtig gewordene Zusammenhänge wieder verdeutlicht werden müssen, daß der menschliche Anteil an dem Ineinandergreifen der Funktionen vergrößert werden muß.”

(Merkle, Geschäftsführer Bosch GmbH)

Das Problem der Arbeit, das sich für ihre Organisatoren auch nur als organisatorisches stellen kann, präsentiert sich hier als die aus der Reduzierung des Menschen auf eine Handbewegung zu offen spürbare Entfremdung. Dagegen jetzt die Vielzweckmaschine! Ausgehend von einem Menschenbild, dem zehn verschiedene, als Komplex permanent wiederholte Handbewegungen angemessener sind als eine zehnmal zu wiederholen, der gern ein bißchen Verantwortung trägt und den Plausch mit dem Nachbarn liebt, wird durch neue Arbeitsformen eine freundliche Kumpanei vorgetäuscht, um die Produktionsquantität und -qualität durch Arbeitsfreude, den lustvoll ausgepressten Schweiß, zu steigern. Motivation garantiert das beste Funktionieren, und Motivation entsteht durch Beteiligung. Der Arbeiter soll seine Ausbeutung mitbestimmt genießen können, so werden zu der Planung von neuen Arbeitsformen im Betrieb neben dem Spezialistengeschwätz der verschiedenen Fachwissenschaften auch die betroffenen Arbeiter selbst herangezogen. Planung, Ausfertigung und Kontrolle soll von den Arbeitern selbst übernommen werden, er kann in autonomen Gruppen oder in Einzelarbeit funktionieren, auch seinen Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes regelmäßig wechseln, er ist ein integriertes Teil im Schaltpult der Ökonomie, Integration als Trennung von sich selbst.

“Kann von der Tatsache, in einer hochmotivierten, hochqualifizierten, ausgewählten Gruppe das Laufwerk, den Sucher oder die Leiterplatten einer ebenso hochentwickelten, hochwertigen Super-8-Tonfilmkamera für anspruchsvolle Kunden in aller Welt herzustellen, nicht eine fortwährende Faszination ausgehen, die durch Hilfestellungen aller dienstleistenden Abteilungen, hochwertige Einrichtungen, eine entsprechende Arbeitsumgebung und ausreichende, eventuell sogar wechselnde Arbeitsinhalte laufend unterstützt wird?”

(Braun AG, Nizon-Fotowerk, München)

Das Schaffen von Verbündeten zur Sicherung der Macht durch die Partizipationsstrategie reicht von der Mitbestimmung über Kapitalbeteiligung bis zur Selbstverwaltung der Arbeiter innerhalb des Kapitalismus. Dem Lohnarbeiter wird alles zugestanden, was er produziert, einschließlich der Bestimmung der Bedingungen, unter denen er produziert, und unter der Selbstverwaltung wird er zudem auch noch Träger des Kapitals, selbst zum Gegenstand seiner Kämpfe und diese dadurch eliminierend. Die Selbstverwaltung der Arbeit, ehemals Moment der proletarischen Träume, zeigt, innerhalb des Kapitalismus verwirklicht, so seine Bedeutung als Moment der universellen Entfremdung. Die Rekuperation der geschichtlichen Forderungen kann sich jedoch nicht widerspruchsfrei durchsetzen, zu sehr ist das “Moderne” mit sich selbst uneins, unbewußt vor allem über seine wirkliche Bedeutung.

“Nach der Verfassung von 1972 hatte die Vollversammlung neben der Bestellung und jederzeitigen Abberufung der Belegschaftsvertreter auf Unternehmens- und Betriebsebene die Möglichkeit, ihre Interessen direkt auf Unternehmensebene einzubringen, nämlich durch die Abberufung der Geschäftsführer der Porst-Verwaltungsgesellschaft. Über die Abberufung der Geschäftsführer hinaus unterlagen Änderungen des Unternehmensziels und der Grundsätze der Verfassung sowie Entscheidungen über Veränderungen des Beteiligungssystems, ferner die Veräußerung von Unternehmensteilen und die Aufnahme von Kapitalpartnern der direkten Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Nach der neuen Verfassung von 1976 steht der Vollversammlung von allen genannten Rechten nur noch das Recht auf Wahl der Repräsentanten auf Betriebs- und Unternehmensebene zu.”

(Steinemann u. a., Das Porst -Modell)

All die reformistischen Chirurgengriffe, die Schlechtigkeit der Arbeiter zu kurieren, die Humanisierung des Elends als dessen Reduzierung ausgebend, sind unter der Parole der Humanisierung nichts als die tatsächliche Verhinderung der Humanität.

Der illusorische Versuch, die Entfremdung innerhalb der Arbeit als ein produktionshemmendes Moment zu eliminieren, greift die gleichen Überlegungen auf, die in der Ökologie- und Alternativbewegung zu einer Neustrukturierung der Arbeitsweise führten, die Beziehung des Menschen zu seiner Arbeit und den hergestellten Produkten auffrischten und eine neue Nähe zwischen ihm und seiner losgelösten Handbewegung suchten.

Das Verhältnis Mensch – Produktion wird von beiden mit dem Ziel der Verbesserung der Produktion prolongiert, ein Verhältnis, dessen Unhaltbarkeit durch den Konkurs beider Seiten bereits deutlich ist: Der Mensch und die Produktion sind in diesem Zusammenspiel jedes Wertes und jedes besonderen Wesens beraubt.

Die bisher durchgeführten Versuche der “Vermenschlichung” konnte die Steigerung der Produktqualität und die verbesserte Reaktionsmöglichkeit auf flexible Marktsituationen erbringen: auf dem Terrain der Arbeit ist die Humanisierung des Arbeitsplatzes die Verwirklichung der ökologischen Forderung.

Es ist die Höhe der Phrase, indem heißt:

“Wer in Luft investiert, hat den längeren Atem.” (Anzeige, Colt International, 1980)

Die Entfremdung des Menschen von und in seiner Arbeit als Zentrum der alternativen Gedankenkreise werden zu deren Krise, da sie alles in der Wiederentdeckung der Arbeit als dem Menschen wesentliches heilen wollen, ohne das Wesen der Entfremdung zu zu begreifen. Arbeit wird zur Natur, Sehnsucht, sich einem Ablauf unterzuordnen, in dem der Sinn in einer Ordnung liegt, deren Gleichmaß eine Aufgehobenheit garantiert, gegen deren Absolutheit kein Widerspruch möglich sein soll. Selbstverwirklichung durch die befreite Arbeit ist die Formel, die den alternativen Tagesrhythmus durchzieht, in der ein Produktivismus der vernünftigen Entäußerung herrscht.

Der ökologische Mensch ist der auf notdürftige Notwendigkeiten Reduzierte, von Natur aus nackt, hungrig und ohne Wohnung, bestrebt, diese Bedürfnisse durch Arbeit zu befriedigen, das Überleben als einziges in allen Dimensionen zu sichern. Der Gebrauchswert wird das reine Kriterium für den Sinn der Produktion und es ist derselbe Gebrauchswert, der als abstraktes Verständnis die heutige Produktion ausmacht. Das soziale Loch wird durch die Freude am Schaffen “sinnvoller” Produkte innerhalb einer Gruppe zugeschüttet, die dieses zum verbindenden Element macht und so das geteilte Leid der Arbeit zur verdoppelten Freude transformiert.

“Die sinnvolle Alternative zum Großprojekt ist das Kleinprojekt. Es ist nicht nur ökologisch sinnvoll, weil es menschlich erfaßbare Kreisläufe und damit Verantwortungen schafft, sondern es entspricht auch dem Ziel eines Abbaus, wenn schon nicht der Beseitigung der Entfremdung. Massen sind immer entfremdet, eben weil sie Massen sind: entfremdet und, verantwortungslos, weil unverantwortlich in Massenproduktion und Massenkonsumption. Doch gibt die menschliche Geschichte und Erfahrung Grund zur Hoffnung, daß Menschen, die für Überschaubares verantwortlich gemacht werden, in der Regel besser dabei abschneiden als erwartet.”(Amery)

Das gesamte Netz dieser alternativ organisierten Arbeitskollektive schafft ein Entlastungssystem für die Gesellschaft, die Kanalisierung und Verwaltung potentiell störender Elemente, da die Zufriedenheit im Kleinen selbstorganisiert wird, der Arbeitsplatz als Stillstube der Begierden wächst.

“Wir wollen einen Ort schaffen, wo jeder kooperiert, und wo es eine Freude ist zu arbeiten.”

(Bob Todd, Centre for Alternative Technology, Wales)

Was als Befreiung von den gesellschaftlichen Zwängen durch alternative Arbeit ausgegeben wird, ist die Fesselung an die vom Überleben geforderten Notwendigkeiten, die selbstverwaltete Entfremdung, die Befreiung von der Befreiung. Statt radikal veränderter Lebensweise die radikal vereinfachte, die halluzinierte innere Freiheit in äußeren Zwängen. Leben heute ist für den Alternativler arbeiten wie vorgestern, die Rückkehr der Vernunft in die Produktion als maßvolles Abwägen zwischen Mensch, Maschine, Natur. Nichts ist energiesparender als der gut ausgenutzte Mensch. Der moralische Zeigefinger der Ökologie bereitet die Basis für Verzicht, Auskommen in der Begrenztheit und Opfer.

Melancholie der Warenaneignug

In den Nebelbänken eines alternativen Lebens erblickt der Angestellte heute jene andere Person, nach der seine in Unordnung geratene Psyche verlangt, diese von den Medien in ein Schlagwort umgemünzte, persona genannte Maske, die die Schauspieler der griechischen Tragödie trugen. Er möchte herauskommen aus seiner Tragödie, die ihn so entsetzlich zerreibt, weil diese ihm eigene Lebensart mit seiner Degradierung innerhalb der gesellschaftlichen Hierarchie vergeht.

“Vor einem Jahr noch hockten wir täglich zehn Stunden in stickigen Großraumbüros, fuhren genervt stop and go durch die City, verschwendeten ein Vermögen in Boutiquen und bei Italienern und fühlten uns gehetzt von der eigenen Unzufriedenheit.”

(Hamburger Morgenpost, 1980)

Die horizontale Begriffswelt der Warenaneignung hat die vertikale Begrifflichkeit der Angestelltenexistenz in nichts aufgelöst und den Aufstieg auf der Stufenleiter des Konsums bezahlt er mit dem Abstieg seiner privilegierten Dominanz innerhalb der Produktion. Die Warenaneignung kann ihm nicht mehr äußerliche Symbolik seines Status sein, die ihn innerlich erbaut.

“Der Entschluß zum “Aussteigen” fiel nach langen Diskussionen. Wir sahen, daß der Trend zur Automation, die Beherrschung durch Computer, anonyme Maschinen oder durch dressierte Technokraten zur Seelenlosigkeit führt, sagt Inka Gottschalch.” (Hamburger Abendblatt, 5.6. 1980)

“Mit dem Home-Computer wird es so ähnlich werden wie heute mit der Filmkamera. Millionen von Amerikanern besitzen gut funktionierende Kameras (…) Sie liegen seit zwei, drei Jahren in Schubladen und verstauben (…) Die Leute haben gehofft, für einen wertvollen Film brauche man nur eine gute Kamera. Es stellt sich aber heraus, zu einem interessanten Film (…) gehört auch eine Idee.”

(Weizenbaum im Manager Magazin, 1980)

Der Angestellte hatte in der Warengesellschaft eine ideale Kulisse besessen, erfand in seiner Existenz die Bestätigung, von der Arbeit – als deren Verwalter – enthoben zu sein, doch der Modernismus seines Bewußtseins war die gekaufte Enklave der Modernität und nicht seine Beherrschung. Die von ihm mißachteten Resultate seiner Ausbeutung holen diesen Felix der Entäußerung ein und nehmen ihm seinen jämmerlichen Hochmut, indem sie ihm elektronisch zeigen, daß es keinen glücklichen Sonnenplatz in der Arbeit gibt. Dieser felix erratum wähnte sich dabei, die Welt auf eigene Rechnung auszubeuten, wie ihm die Soziologen einredeten, er sei der neue Herr des Kapitals.

“Ganz anders beeinflußte mich die Erfahrung mit meinem ‘Eliza’-Programm, das in gewissem Sinne einen Psychiater imitiert. Ich wollte erreichen, daß ein Mensch sich mit einem Computer in natürlicher Sprache (…) unterhalten kann. Das hatte mit Psychotherapie überhaupt nichts zu tun. Trotzdem kamen Psychiater, die jubelten: Hier haben wir den Anfang der automatischen Therapie (…) Das konnte ich kaum fassen. Da habe ich gesehen, wie leicht Leute der Illusion erliegen, der Computer verstünde sie. (…)”

(Weizenbaum im Manager Magazin, 1980)

“Er ist konservativ, was Werte, nicht aber was Strukturen anlangt. (…) Er jobt und joggt, ist Spezialist auf einem Gebiet und arbeitet abends an seinem Weltbild als Universalist. Die Resignierten stachelt er auf zur Weltverbesserung, und die Fanatiker verlockt er zur Skepsis.”

(Reimar Lenz, Der neue Typ)

So wird heute jenes “alternative Leben”, von dem er so viel sprechen hört, sein Notausgang, durch den er sich aus der Tragödie rettet und der ihm nicht eine fortsetzende Komödie, sondern der verlockende Ausweg aus seiner menschlichen Misere ist. Anders als die Welt nimmt er die Komödie nicht als Komödie, sie bleibt seine ernste Art, sich selbst treu zu sein. Dämmerstunden, in denen man nicht mehr sagt: “auch die Kinder müssen einen Farbfernseher haben”, sondern: “auch sie sollen noch Bäume kennen.” Sie machen ernst damit, nicht allein mehr unterhalten zu werden. Sie wollen nun auch selbst für die Unterhaltung sorgen.

Ist die “Alternative” für den Angestellten die Zauberformel gegen das, was er schon bis zum bitteren Grund kennt, so ist sie doch auch ein bewußtes Moment, solch eine Lebensmisere erst gar nicht kennenlernen zu wollen. Die Misere des “alternativen Lebens” ist, daß es neben der drohenden Ahnung des Verhängnisses schon die materielle Ausprägung der gebotenen Möglichkeiten benennt, die in und bei dieser Welt verbleiben, was die Massenmedien sehr leutselig zu verstehen geben.

“… auch die alternative Bewegung (wird) nicht spurlos vorübergehen. Sie wird Wachstumsphilosophien, Ernährungsgewohnheiten, Umweltbewußtsein, Erziehungsmethoden, Arbeitsabläufe und Lebensbedingungen beeinflussen.” (Hamburger Abendblatt, 5.6.1980)

“Die anderen Reisebücher und Lesebücher für alle, die eine konsumgerechte Touristenwelt satt haben, die neugierig sind auf die Stadt oder das Land hinter den Kulissen des Fremdenverkehrs, die den anderen Alltag aufspüren und seine Geschichte kennenlernen wollen, die ihre Erfahrungen mit politisch-sozialen Konflikten erweitern und Gleichgesinnte treffen wollen, die Interesse haben an Kultur von unten oder Gegenkultur, die mit wenig Geld viel erleben wollen.” (Anzeigentext der Buchreihe “Anders Reisen”)

Die bewußte Feindschaft verblaßt zur beschaulichen Kümmerlichkeit, in der das Einfache Luxusmode ist und die Feindschaft käuflich wird.

… ein neues 33?

“Was soll ich gar von euch sagen, ihr Staatsmänner, die ihr das Menschengeschlecht auf ein mechanisches Prinzip reduziertet. Könnt ihr mit euren Maximen vor einer himmlischen Revision bestehen, und wie wollt ihr, da wir jetzt in einen Geisterstaat überzugehen im Begriffe sind, jene ausgeplünderten Menschengestalten placieren, von denen ihr gleichsam nur den abgestreiften Balg, indem ihr den Geist in ihnen ertötet, zu benutzen wußtet.”

Bonaventura, Sechste Nachtwache

Bestand die erste Phase des ökologischen black-outs noch in der Verunsicherung des Spektakels, das sich seit 1968 negativ sinnierend verhält, so hat in der jetzt folgenden zweiten Phase der Schock sich schon als Belebung ausgewirkt und die siechende Politik mitten in einen Gegenangriff geführt. Die Welt hat ihre Verteidigungskräfte gesammelt. Dabei richtet sich der Hauptvorstoß nicht gegen die ökologische Partei – da deren labyrinthische Heterogenität diese von allein in Schach hält und sich die politische Ökologie durch ihren Eintritt ins politische Spiel selbst erledigt.

Die Macht greift an allen Punkten die Arbeiter an, die gezwungen sind, in ihrer Auflehnung weiterzugehen oder sich der geforderten Rationalität des Kapitals zu beugen. Dabei verläßt sich die Macht nicht mehr auf die modernistischen Reformer, die sich zusehends in ihren komplizierten Repressionsnetzen verstricken und durch den Zwang, das von ihnen Geschaffene zu verwalten, an Dynamik verlieren. Sie greift auf ihre alten Methoden zurück, deren hauptsächliches Moment die Demonstration ihrer Macht ist, die vollkommene Vernichtung des Gegners. Daß dabei sogar bestimmte reformistische Fortschritte der Kontrolle und Integration mit angegriffen werden, ist keine Manöverschwierigkeit; es sind vielmehr Bereinigungen des Frontverlaufs, die für den Angriff billigend in Kauf genommen werden, weil das Ziel der Macht in einer nicht vermittelten Bindung der Individuen an den Staat liegt.

Dieses Ziel veranlaßt die Politik, im Spektakel gegenüber der Warenvermittlung Dominanz zu erlangen. Sie nimmt in gewissem Sinne das auf, was geisterhaft als Sinnverlust bezeichnet wird, indem sie sich in dieser gesellschaftlichen Leere erneut konstituiert. Damit wird das gesellschaftlich Angeeignete der Kritik an den Waren produktiv von der Macht genutzt, die Tatsache bejaht, wonach kein befriedigender Sinn in den Waren liegt. Der Zwiespalt, aus dem alle Unruhe herrührt, zwischen dem Warenreichtum und der Lebensarmut, ist in der Politik wesentlich aufgehoben als ein Sinn für diesen Antagonismus. Die Politik will die Vernunft vorstellen, die über diesen wacht.

Tatsächlich werden so die Grenzen des Wachstums und die Utopie des Kapitals in den Waren bestätigt. Das Irrationale der Ware wird zur Rationalität der Macht, die sehr gut die verwässerte Kritik an den Waren, als sogenannte Konsumkritik, benutzt, um sich selbst von ihrer wesenhaften Irrationalität entfernt zu präsentieren.

Der ganze Aufschwung des Antifaschismus findet hier seinen Grund und Boden.

Die Ökologie ist die synthetische Zusammenfassung aller Detailkritiken des letzten Jahrzehnts zu einem globalen Bewußtsein, indem die Bruchstücke das global Falsche beschwören. Die Detailopposition unterliegt der Globalität des Faktischen, und in ihrer künstlichen Ausdehnung entspricht sie nur dem überproportionierten Detail.

Das “ungesunde Leben” steigert sich zum “Recht auf Leben” und wird dementsprechend appellartig eingeklagt von einer Gesellschaft, die selbst die reine Idee des Gesunden verabschiedet. Und je lauter die Klagen werden, umso länger sind die Ernährungstips in den stumpfsinnigen Zeitschriften, die nicht mehr Verheerung anrichten als die selbstgefundenen Mottos dieses Vitalismus, der das erlebte Unbehagen als Phrase in das behagliche Erleben eines kritiklosen Überlebens überführt.

So ist sich die Frauenbewegung mit der klerikalen Konterrevolution einig, daß das Leben etwas Ungeborenes ist, und sie verbindet – trotz aller politischen Feindschaft – die Auffassung, nach der die Geburt ein fleischloses Mysterium ist. Ohne es direkt auszusprechen, kehrt in der “Lust nach Schwangerschaft” die Lust, Maria zu sein, zurück. Die “Ehrfurcht vor dem Leben” ist die Gewißheit, keins zu haben. In dieser Gewißheit ist die Verehrung Trost.

Der ganze heutige Vitalismus ist ein zur Schau getragenes Delirium, das wenig Raum für Fanatismen hat, dafür aber umso mehr gesellschaftlich ist.

Unterstützt wird die Macht in dieser Phase ihres Eroberungsfeldzuges von den Kräften, die sich aus dem zusammenstürzenden Gebäude des Leninismus als Moralisten retteten. Nachdem der geschichtliche Boden diesen linken Staatsdenkern nicht einmal mehr imaginär eine Sicherheit bot, enthüllten sie das, was schon kein Geheimnis in der Geschichte, sehr wohl aber ihr privates Mysterium war, nämlich durch und nacheinander die gesamte neuere Praxis ihrer ideologischen Heimat – Kulturrevolution, Cuba, Vietnam – und im selben Feuereifer, wie sie vorher für deren Siege waren, entlarven sie nun deren Vergangenheit.

Als wenn es die Kritik der Kronstädter Waffen nicht gegeben hätte, fanden sie heraus, daß Stalin ohne Lenin nicht denkbar wäre und der GULAG beider universeller Wahrheit ist. Daß dies auch ihre war, wird zur allgemeinen Schuld und Buße, der einige so gründlich nachgehen, daß ihre neusten Themen die des ewigen Gottes sind.

Vereinfachend läßt sich sagen, daß auf der einen Seite sehr leicht verwendbare Intellektuelle darum bemüht sind, der tradierten Macht neue Werte zu geben, während eine zweite Garde das Augenmerk durch schwere Konfusionsbrocken bindet. Diese Arbeitsteilung zwischen denen, die Neue Philosophen genannt werden, und denen, die damit kokettieren, keine Bezeichnung mehr zu haben, weil sie mehrere Meilen gegen den Wind nach dem strukturalistischen Kuhstall stinken, läßt je nach Notwendigkeit dem machtausübenden Staatsdenker genügend Freiheit zu operieren.

Der Staatsmann erhält von den einen die moralische Rechtfertigung, von den anderen bekommt er bescheinigt, daß er eigentlich ja überhaupt nicht mehr existent ist. Arbeitsteilung und Konkurrenz dieser beiden Formen staatlichen Denkens weisen auf ihre Gemeinsamkeit, an deren Rändern sich ein eigenes und neues intellektuelles Zentrum herausbildet, wo sich die präfaschistischen Eliten sammeln wie das “Gèce” in Frankreich. Sie sind die kristalline Substanz jenes wilden Denkens, die praktischen Erben der Mythologie, deren Wirkung die einer Force de Frappe der Staatsmaschine ist. Dieses hierarchische Denken wird die verlockende Neugründungssubstanz des geschwundenen Selbstwerts der Macht. So, wie es dem Staatsdenken eine Möglichkeit zur Lösung der Sinnkrise anbietet, ist es auch innerhalb des antigeschichtlichen Denkens jenes Gravitationsfeld, in dem der mythologische Spuk Gestalt wird. Die Elemente der Ordnung versammeln sich um ein keltisches Europa, in dem die Hierarchie biologisch die Region von Stonehenge nachbauen möchte. Der proletarisierten Welt wird mit dem Massaker gedroht, mit der Raum-Zeit einer paneuropäischen Vorgeschichte, in der Metropolis notwendiges Schicksal ist.

Der Durchbruch der Ordnungskräfte hängt eng mit den Aktionen des produktiven Proletariats zusammen, wird nur in dem Maße vereitelt, wie sich die Arbeiter innerhalb ihrer Kämpfe weiterhin der demagogischen Hierarchie entledigen. Die polnischen Arbeiter sind hierbei hervorragend in Aktion. Ihnen ist es gelungen, die bürokratische Lüge von der Herrschaft der Arbeiterklasse, den realen Mythos der osteuropäischen Bürokratie, so weit mit ihrer Autonomie zu konfrontieren, daß die bürokratische Macht gezwungen ist, diese Rolle gleichermaßen wie die Geschichte zu hassen, vor der sie diese Rolle spielt. Die Technokratie ist ihre Antwort, der Klassenkampf die der Arbeiter, die Geschichte hält so von zwei Polen aus die alte Welt in ihrer Zange.

Je mehr die Macht in einer bloßen Vorstellung des Geschehenen verschwimmt, sich wie eine akkumulierende Schwammmasse passiv verhält, gerät sie in Gefahr, als eine aufgeladene Geste zu erstarren, in der der unscharfe Bereich gesellschaftlicher Auflösung die soziale Emanzipation – als Immanenz von allem, was fehlt – gegenüber der Politik – als Hüter von dem, was ist – heraushebt. Die Politik ist nicht mehr die Bewegung der Macht, sondern nur noch ihre bloße Repräsentation. Der klassische Machtzerfall wird in der spektakulären Gesellschaft durch die Autonomie der Ware, die ein sozial eigenständiges Leben führt, verzögert, was diesen Zerfallsprozeß zwar wesentlich entdramatisiert, dafür die Ware aber wie eine absolutistische Herrschaft einführt. Das diffuse Spektakel, in dem es keinen spezifischen Drehpunkt mehr gibt, ist deshalb auch das Moment, in dem die Politik abzusterben beginnt.

Die Politik als Kunst der Lüge verfügt heute über wenige talentierte Protagonisten, kennt vielmehr nur Personen, die einem Beruf nachgehen, der ohne weiteres mit anderen gleich ist und deren Trübsal teilen muß. Der scheinhafte Charakter der Ware bietet nicht den speziellen Lügen Schutz, wie es in der “Konsumkritik” gesehen wird, sondern er summiert diese so weit, daß die Ware jene unangefochtene Existenz ist, die ohne “Terror” auszukommen weiß.

Dies hebt die spektakuläre Warengesellschaft von dem Zustand ab, in den der Faschismus hineinbrach, der den ausbalancierten Verhältnissen, die zu ersticken drohten, eine neue Bewegung verlieh. Dennoch trifft auf den heute herrschenden Zustand das zu, was auch dem Faschismus eigen war: eine Sezession des Scheinhaften von den gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen, wenn diese heute auch durch die moderne Warenproduktion wesentlich mehr mit dem Schein einig sind.

In der Tendenz zu einer Repolitisierung liegt die Hinwendung zu einer erweiterten Unabhängigkeit der Ideologie, repräsentiert durch die Politik.

Der Unterschied zur Ära des Faschismus bleibt so lange erhalten, wie die Ware darauf verzichten kann, sich der Massen zu bedienen, um ihre Reichskanzlei zu erobern. In ihrer Ausgeformtheit ist die Ware ein Zustand, der die Veränderung einschließt. Die Warengesellschaft produziert unaufhörlich ihre voraussetzende Modifikation, die den Wandel hervorbringt, in der sich die permanente Ausbeutbarkeit findet.

Der Faschismus hingegen ist die sich selbst hypnotisierende Ausbeutung einer einzigen, nicht wandelbaren Illusion, die der beendeten Geschichte. Der Faschismus als die an die Macht gelangte Idee, über alles gesiegt zu haben, materialisiert aber tatsächlich in seinem Sieg den Verlust dessen, was ihn siegen ließ: der Geschichte. Als ihre Entstehung leugnende, ausgeformte Macht ist der Faschismus der Ausschließlichkeit seines ungeschichtlichen Bewußtseins unterworfen, das im Fackelschein der Marschkolonnen seine Niederlage einleitet. Aus dem Zufallsagenten der Geschichte wird der richtungslos irrende Fahrdienstleiter des Kapitals, dessen Bewegungen den Herrn über die Bewegung zum Knecht seiner Transmissionsriemen werden läßt, Die Ware ist die geschichtlich ausgeformte materielle Wahrheit des Falschen. Stockt der darin mögliche Wandlungsprozeß, setzt die Politik als Coup ein und nimmt unter anderen Bedingungen wahr, was sich als Faschismus behauptete.

Die lange Krise der Warengesellschaft seit der Rückkehr der Geschichte hat eine Fülle von Neuerungen provoziert, in der die Unzufriedenheit als Ware die künstliche Antwort auf die drastische Denunzierung eines von Waren beherrschten Lebens wurde. Durch die letztendliche Überakkumulation des Scheinhaften im Modernismus, hat der Verlust der Ware als zentrale soziale Kontrolle begonnen, die unsinnig scheinende Frage zu stellen, was und wer in der Gesellschaft herrscht.

So erweist sich die Dominanz der Ware in diesem schwankenden Zeitalter als die fiebrige Manifestation einer Welt in der Dämmersphäre zwischen Kollaps und Erneuerung. Allerdings fehlt für eine Erneuerung heute die Kraft, die in einer Vereinfachung der Herrschaft bei gleichzeitiger Zurückdrängung des Modernismus auf eine Luxusstufe der Warenpräsentation gesucht wird. Die Politik kann zwar viel von ihrer gesellschaftlichen Überlegenheit zurückgewinnen, nicht aber die Tatsache wegwischen, daß ihre Dominanz keinen tragenden Boden mehr für einen Richelieu hergibt und daß die politische Repräsentation wesentlich glanzloser verbleiben muß, weil sie in der Gnade der Ware steht. Die Scheinwerfer des politischen Spektakels stehen im Dunkeln, und die geworfenen Schatten können nicht erkennen, wer in diesem Dunkel steht, welche universell herschende Repräsentation ihnen Gestalt verleiht.

Die Vormarschbewegung des politischen Spektakels, wie sie seit Mitte der siebzigger Jahre vor sich geht, ist der Niedergang eines aufgeblasenen modernistischen Lebens, in dem die Ware als Hedonismus wirkte.

Die angebliche Rohstoffverknappung hebt die ökonomische Krise als bloßgelegte Wahrheit der sozialen hervor, im “Olympia-Boykott” manifestierte sich die Politisierung der Lüge im Schleiergewand des Heroischen. Die verknappte Bewegungsfreiheit wird durch die Raserei des Banalen getarnt. Hierbei verbindet das Spektakel des Politischen die Furcht vor dem wirtschaftlichen mit den offensichtlichen Resultaten des politischen Zusammenbruchs. So werden das Verschwinden des iranischen Despotismus und das Versiegen einseitiger Kapitalströme – der billigen Rohstoffquellen – zu einem einzigen Programm, das Hoffnung und Furcht zugleich ist, daß die tauschbaren Schreckbilder nicht mehr über die offensichtlich demoralisierenden Resultate hinweghelfen. Von der ökonomischen Stabilität in manchen Gegenden dieses Planeten wußte diese Welt schon lange, wie sehr sie einem Trugbild gleicht, das wenig hergibt und wie dünn der sie tragende Ordnungsboden ist; angesichts lokaler Einstürze betreibt sie nun Panikstimmung, treffen diese doch nicht allein die “Bananenrepubliken”, sondern die Lieblingsschauplätze dieser Ökogeographie ebenso. Die lokalen Bankrotts der weltweiten Machtausübung zwingen die Ordnungskräfte in demselben Maß, wie diese Risse zunehmen, die darin zugrundegehende Politik zu lieben, um das Gleichgewicht der Ordnung zu wahren.

Die Auflösungstendenz der zwischen Stärke und Schwäche balancierenden Verhältnisse geht von den schwächsten Nahtstellen aus, beginnt in den dritten Zonen und nähert sich wie Erdbebenwellen den industriellen Zentren. Hierin tritt nicht der sinnentstellende Begriff der “Unterentwicklung” praktisch hervor, sondern vielmehr die Dominanz des politischen Spektakels und verweist auf die Isoliertheit der Ökonomie. Der Staat, der in diesen Ländern im Grenzbereich des Despotismus existiert, erkennt die wahren Grundlagen seiner Existenz – das ökonomische Wesen der Gesellschaft – durch deren Krise und erlebt diese als das ihn von der Welt Trennende. Die Krise wirkt dort in Gestalt eines objektiven Aufklärers. Deshalb sind diese Staaten existentiell dem Zwang ausgesetzt, die Gesellschaft abzuschaffen. Für diesen Vorgang unentwirrbarer Instabilität kennt die bolivianische Militäroligarchie 189 Variationen, der arabische Raum die panislamische Partei und für weitere Gelegenheiten 159 metaphysische Kreuzungen eines spekulativen Sozialismus.

Indem Maße, wie die ökonomische Armut die dritten Zonen in einen politischen Überfluß versinken läßt, dessen nachgebender Grund die militärische Drainage stabilisiert, hat der Warenüberfluß in den industriellen Zentren den Boden unterminiert, was die Politisierung zu einer notwendigen gesellschaftlichen Planierung herausfordert. Der Überfluß an Ursachen dieser Krise ist das Übermaß an Künstlichkeit, in dem die Peripherieländer als archaischer Gegensatz erscheinen. Die “Unterentwicklung” ist die bloße primitive Ausprägung einer dem Mangel verhafteten Welt.

Italien, Nicaragua, Iran, Afghanistan, Korea, die Türkei, San Salvador, Bolivien, das olympische Spektakel, Südafrika, Longville-Denain, Bremen, Zürich, Bohrstelle 1004, Turin, Lublin sind die hervorstehenden Vulkankegel der Krise, deren Eruptionen auf verschiedene Arten die ihnen allen gemeinsame Schlagader ausdrücken. Was nacheinander zusammenfließt und sich scheidet, bezieht sich aufeinander. Die Perspektiven verzweigen sich in die der Aufhebung und die der Verfestigung dieser Welt. Der Grundirrtum häuft sich nicht in der Taktik an, sondern darin, zu meinen, daß eine globale Krise der kapitalistischen Welt keine ebenso totale Perspektive ihrer Aufhebung herausbildet.

Die alte Welt ist schon dabei, das zu sein, was die Ökologie in ihrer Theorie des Überlebens zu sein wünscht, und so, wie dieser Wunsch nach einer Vernunft dieser Verhältnisse auf die Tatsache trifft, daß diese Welt über keine mehr verfügt, entspricht die Rastlosigkeit der Ökologen den 5 %, an denen es mangelt, um den praktischen Einklang mangelhafter Verhältnisse vernünftig scheinen zu lassen. Das ökologische Denken erweist sich als geschundene Humanität innerhalb der Dinge, als das Menschliche der Dinge durch die Vernunft des Gebrauchs. Sie ist die Hoffnung, das gänzlich Sinnlose mit einer moralischen Anstrengung zu reinigen. Sie ist die in Sack und Asche gehende Kritik der Politischen Ökonomie, der Sturz der kapitalistischen Utopie und der soldlose Hilfstrupp beim Putsch der Politik gegen dieses rastlos talwärts karrende Wrack.

Wer weniger von dem wundergläubigen Hoffen des wandelnden ökologischen Geistes eingenommen ist, sollte nicht versäumen sich mit den weiteren Perspektiven der kritisch-praktischen Theorie vertraut zu machen.

Namensverzeichnis

AAO: Aktionsanalytische Organisation, Kommune von Otto Muehl, ca. 1970-1991, bis zu 600 Mitglieder, bekannt für autoritäre Strukturen und sexuellen Missbrauch

Alternative Kooperation: Es konnten keine Informationen gefunden werden.

Amery, Jean (1912-1978): eigentlich Hans Mayer, in Österreich geborener Schriftsteller, Schoah-Überlebender, nach dem Krieg Auseinandersetzung mit dem andauernden Antisemitismus und der Projektionsfläche Israel

Bahro, Rudolf (1935-1997): DDR-Dissident und westdeutscher Politiker, Autor von “Die Alternative“, Mitglied der Grünen, in späten Jahren Sozialökologe

Bergengruen, Hermann (1936-1997): evang. Pastor, Friedensaktivist, Mitglied Grüne Liste Zukunft, Gründungsmitglied der Grünen

Beuys, Joseph (1921-1986): dt. Künstler

Blatt – Stadtzeitung für München: von 1973-1984 alternative Stadtzeitung, Vorläufer der späteren weitverbreiteten Stadtmagazine

Bookchin, Murray (1921-2006): amerk. Libertärer Sozialist und Professor, Gründer Institute for Social Ecology

Brand, Heinz unklar, eventuell Brandt, Heinz (1909-1986): Kommunist, DDR-Dissident, DGB Autor, Gründungsmitglied der Grünen

Carstens, Karl (1914-1992): dt. CDU-Politiker, 5. Bundespräsident der BRD

Centre for Alternative Technology: gegründet 1973, walisisches Zentrum zur Demonstration und Lehre von Nachhaltiger Entwicklung

Dombrowsky, Wolf (1948): dt. Soziologe mit Schwerpunkt Katastrophensoziologie

Duhm, Dieter (1942): Psychologe, im Umfeld des SDS aktiv, danach esoterisch orientiert und im Umfeld der AAO

Duve, Freimut (1936-2022): dt. SPD-Politiker

Eckermann unklar, eventuell Eckermann, Johann (1792-1854): Dichter und Freund Goethes

Ellinger, Theodor (1920-2004): dt. Ökonom

Eppler, Erhard (1926-2019): dt. SPD-Politiker, Persönlichkeit der Friedensbewegung

Forschungsinstitut für sanfte Technologie: Es konnten keine Informationen gefunden werden, außer, dass das Institut ein Magazin mit den Namen “Sanfte Technologie” herausgab.

Giscard d’Estaingm, Valéry (1926-2022): franz. Politiker, 1974-1981 Staatspräsident, Vorsitzender der Républicains indépendants (ehem. liberal/konservative Partei)

Glucksmann, André (1937-2015): franz, Philosoph

Gorz, André (1923-2007): franz. Philosoph, Mitarbeiter von Sartre, nach 1968 Fokus auf politische Ökologie

Gottschalk, Inka: Es konnten keine Informationen gefunden werden.

Gruhl, Herbert (1921-1993): dt. Politiker (CDU, Grüne, ÖDP), Gründer der Grüne Aktion Zukunft, konservativer Umweltschützer

Grüne Aktion Zukunft: dt. grüne Partei, von Herbert Gruhl 1978 gegründet, Gründungsorganisation der Grünen, später Bruch und Aufgehen in der ÖDP

Grüne Liste Umweltschutz: Gründungsorganisation der Grünen

Hardin, Garrett (1915-2033): amerk. Ökologe, Autor von Tragedy of the Commons (1968)

Harich, Wolfgang (1923-1995): dt. marxistischer Philosoph, Intellektueller in der DDR, Autor von Kommunismus ohne Wachstum (1975), was ihm den Vorwurf des Ökostalinismus einbrachte.

Haußleitner, August (1905-1989): dt. Politiker, Mitgründer der CSU, Mitgründer Deutsche Gemeinschaft (1949) und Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (1965) beide nationalistisch/ rechtsradikal und Mitbegründer der Grünen, Sprecher und Abgeordneter der Grünen in den 1980ern

Heinemann, Gustav (1899-1976): 3. Bundespräsident der BRD, Politiker (DDP, CSVD, Mitbegründer CDU, Gründer GVP, später SPD)

Hughes, Howard (1905-1976): amerk. Unternehmer, Flugzeugentwickler

Jungk, Robert (1913-1994): dt. Zukunftsforscher, Persönlichkeit der Friedensbewegung

Lenz, Reiner: Es konnten keine Informationen gefunden werden.

Mühl, Otto (1925-2013): auch Muehl, öster. Künstler, Gründer der AAO, wegen Kindesmissbrauch verurteilt

Müller-Reißmann, Friedrich (1940): Physiker, Systemforscher

ÖDP: dt. konservative Umweltschutzpartei

Pflasterstrand: Frankfurter Stadtmagazin (1976-1990)

Scheel, Walter (1919-2016): dt. FDP-Politiker, 4. Bundespräsident der BRD

Schumacher: Es konnten keine Informationen gefunden werden.

Sire Jean: Es konnten keine Informationen gefunden werden.

Smigielski: Es konnten keine Informationen gefunden werden.

Sorel, Georges (1847-1922): franz. Sozialphilosoph und Vordenker des Syndikalismus

Sponti: deutsche anti-autoritäre/ linke Subkultur der 70er und 80er, “Nachfolger” der 69er und APO, Teile von ihnen gingen in der Alternativbewegung und den Grünen auf, starker Einfluss auf die späteren Autonomen der BRD

Springmann, Baldur (1912-2003): dt. Öko-Bauer und Politiker, Gründungsmitglied der Grünen und ÖDP, ab Mitte der 80er aktiv in faschistischen Zusammenhängen

Steffen, Jochen (1922-1987): dt. SPD-Politiker

Strohm, Holger (1942): dt. Autor, schreibt u.a. über die Gefahren der Kernenergie

Thalheimer, August (1884-1948): dt. kommunistischer Politiker und Faschismustheoretiker, Mitglied SPD, Spartakusbund, KPD, KPO

Todd, Bob: Es konnten keine Informationen gefunden werden.

Tofler, Alvin (1928-2016): amerk. Futurist, Autor, Unternehmer, beschäftigte sich mit Themen der digitalen Revolution

Trikon-Verlag: dt. Verlag der 60er bis 80er, wichtiger Verlag der Alternativbewegung und Spontiszene

Vendee: gemeint ist der Aufstand von Vendée (1793-1796) der royalistisch-katholischen Bevölkerung des Départments gegen die 1. franz. Republik

Voyer, Jean-Pierre (1938-2019): franz. Post-Situationist

Weizenbaum, Joseph (1923-2008): dt.-amerk. Informatiker, Wissenschafts- und Gesellschaftskritiker, bezeichnete sich selbst als “Dissident und Ketzer” der Informatik, Professor am MIT