Nexialistische Internationale – Der Bereich der Vermittlung

Es geht nicht darum, die organisatorische Praxis zu idealisieren, indem auf illusorische Weise von der Wirklichkeit abstrahiert wird oder indem sie dieser genauso illusorisch entgegengesetzt wird: sie ist nichts als die getreue Wiederspiegelung der Autonomie ihrer Protagonisten.

Die Gesammelten Schriften der N.I. finden sich digitalisiert hier

Der Bereich der Vermittlung

Bemerkungen zur revolutionären Organisation

1

Gegenstandslos, ihres Sinnes entleert. Wenn sie nicht in dem Zusammenhang ihres geschichtlichen Auftretens gestellt wird, ist die Frage der Organisation lediglich eine verdummende Abstraktion, ein Verbrechen der Kritik.

Die Notwendigkeit der Verwirklichung der revolutionären Organisation vorausgesetzt – wirklich die gesamte Ausdehnung ihres Möglichen -, bezieht die Organisationsfrage sich auf das Wirkliche, auf das Spektakel, auf das Verneinende: hier, jetzt.

Die organisatorische Fragestellung faßt das Sichtbare der revolutionären Kämpfe zusammen. Nicht aller Kämpfe – Banalisierung durch den Kaffeesatz der Radikalität -, sondern derjenigen, welche bewußt den noch spontanen Charakter der proletarischen Revolte zerbrechen.

Wenn man sich vollständig dem Spiel der Revolution aussetzt, kann niemand die wesentliche Frage der Organisation stellen ohne folgerichtig den radikalen Umsturz der ideologischen Beziehungen zu verlangen, die die alten organisatorischen Perspektiven genauso belasten wie ihre unveränderten Projektionen in der Gegenwart, in der wir kämpfen.

Um mit gezielten Wörtern die Widerstände zu brechen: Es gibt keine andere organisatorische Perspektive als in der direkten Beziehung zu unserer Zeit. Dort, wo die Schwierigkeiten des Entwurfs eines positiven Inhaltes des proletarischen Projekts erscheinen und sich auflösen; dort, wo der lediglich verneinende Widerstand gegen das Spektakel aufgehoben wird durch die befreiende Verwirklichung einer wesentlichen Positivität, wie es, noch unbewußt, eine derartige hyper-konzentrierte Negativität verlangt.

Der mehr qualitative Moment des Bewußtseins: dieses ist nicht mehr allein durch das bestimmt, was es einer Welt entgegenstellt, sondern ebenso wesentlich durch das, was es an kreativen Reichtum in sich trägt, bereits nachprüfbar in seiner Wirkung bei einer radikalen Umgestaltung dieser Welt: seiner Welt.

Es ist die qualitative Veränderung des Bewußtseins, die durch diesen Riß in der Totalität hervorsprudelt. Das feindliche Einfallen der geschichtlichen Klugheit, welche die entfremdete Behaglichkeit der geschlossenen, fertigen, ideologisierten Systeme durchbricht. Diese Positivität, die sich innerhalb des alltäglichen Lebens ausdrückt, ist die bewußte Rückkehr des kollektiven Unterbewußtseins der Revolte; die Verneinung und Aufhebung von all dem, was das Bewußtsein in Unkenntnis hält über das, was es ist, über das, was es kann … über das, was es will.

Daß es nur ist, was es kann und dass es nur kann, was es will, wissen wir.

2

Innerhalb noch sehr realer Beschränkungen, jedoch als Keimzelle, die die Schranken zerbrechen wird, ist das proletarische Projekt in das Herz einer Epoche zurückgekehrt, die an ihrer unaufhaltsamen Vernichtung herumstottert. Dieses letzte Jahrzehnt ist zu dem der Entdeckung und einer schüchternen und unbeholfenen Erprobung geworden: endlich sprach das revolutionäre Proletariat mit erhobener Stimme von der Revolution, von Seiner Revolution und von deren theoretischen Inhalt. Ein nicht zu vernachlässigender qualitativer Unterschied. Zwischen einer Epoche, die nur unbewußt das proletarische Projekt in sich trug und der jetzigen, in der es sich täglich erprobt und verändert, gibt es die Erfahrung eines nicht rückgängig zu machenden Bruchs im Verlauf der spektakulären Zeit: Das Proletariat weiß ausdrücklich, dass es entweder revolutionär oder nichts ist, selbst wenn dieses Wissen noch nicht das Wie und viel zu leise das Warum seines historischen Zustands ausdrückt.

Daß die Revolution sich von neuem im Herzen der Welt befindet, heißt dabei deshalb noch nicht, dass die gerade ausreichenden materiellen Grundlagen, die zu seiner Verwirklichung notwendig sein werden, diese Welt bereits vollständig umzingelt haben. Daß es schon viel ist im Vergleich zu anderen Epochen, welche ein weniger umfassendes Projekt in sich trugen, wiegt überhaupt nicht die Tatsache auf, dass es noch viel zu wenig für das Projekt selbst ist.

Noch befindet sich alles in einer viel zu parzellierten Form, als dass eine Epoche, die sich revolutionär weiß, die praktische Bestätigung ihres Wissens mit sich bringt. Und tatsächlich hat sich die revolutionäre Theorie in der Epoche lediglich auf eine stillschweigende, stark lineare Art verbreitet, wobei sie nur von Zeit zu Zeit die hypersensible Haut des Spektakels ritzte, Darüberhinaus war es oft nicht so sehr die revolutionäre Theorie, welche sich ausbreitete, sondern meistens ihre spektakularisierte Repräsentation.

Die revolutionäre Theorie dieses letzten Jahrzehnts hat nicht vermocht, theoretisch ihr eigenes praktisches Projekt herauszustellen in ihrer bewußten Eintragung in das Wirkliche: es herauszustellen in einer derartigen Weise, dass es praktisch seine Welt erobert.

Daß es seine Neuheit selbst sein soll, die zum Teil dafür verantwortlich ist, verschlimmert noch darüber hinaus die wirklich verarmte Erscheinung einer derartigen praktischen Erprobung.

Tatsächlich haben die ersten proletarischen Konkretionen die Arbeit des Negativen erstarren lassen zu einer Folge von einfachen oppositionellen Momenten gegenüber dem Spektakel, ohne direkte und bewußte Verbindung zum Gesamtgebiet des Negativen: der Totalität.

Es hat einen Verfall des dialektischen Eingreifens der Wirklichkeit in dem Sinne gegeben, dass jeder Moment, derartig willkürlich abgetrennt, nicht mehr mittelbar einen Bezug zur Totalität in sich vereinigte, sondern die Parzellierung dieses Moments ausdehnte als Totalität an sich, Das war eine nicht weiterwirkende Negation, die den dialektischen Sinn einer totalen Negativität gegenüber dem Spektakel verloren hatte: dadurch, dass man sich ausschließlich auf einen Moment der totalen Kritik bezieht, findet dieser Moment sich durch irgendeine voluntaristische Magie wieder als Ausdruck der Arbeit des Negativen in seiner Quasi-Totalität.

Das hat sich bewahrheitet in dem Ansteigen der parzellierten Forderungen: Frauen, Gastarbeiter, Jugendliche, Schwule, Verrückte, Gefangene, Verbraucher, Autonomisten, Ökologisten usw., Die revolutionäre Theorie hat sich dem Spektakel lediglich verarmt, verkommen und rekuperierbar entgegengestellt: Stück für Stück rekuperiert.

Indem die Einheit der Kritik parzelliert wurde, hat die Mehrheit der modernen Kämpfe den Kampf gegen die Welt der Trennungen in einer Form aufgenommen, die selber getrennt war, so dass ewig die gleichen Übel wiederkehrten.

Es handelt sich doch darum, in diesen verschiedenen Kämpfen beides zu erfassen: Ebensosehr das, was sie wieder an das Spektakel bindet (wohl wissend, dass sie getrennt rekuperierbar sind, wenn sie auf dem Gebiet des Getrennten erscheinen), als auch das, was sie bereits radikal davon trennt (wissend, dass sie hier und jetzt der sehr unvollkommene Ausdruck des proletarischen Projekts sind in dem, was sie an blindem Glauben mit sich führen, an Unausgesprochenem, an Uneingestandenem, an Verdrängtem, an Rekuperierbarem, Sie drücken nichts destoweniger bereits einen direkten entgegengesetzten Bezug zum kolonisierenden Raum der Ware aus.) In der Tat erscheint die Totalität und ihr Urteil in dieser parzellierten Kritik der Totalität der alten Welt noch nicht als Urteil über die Totalität, sondern als Totalität der getrennten Urteile, Alles ist kritisierbar und zu kritisieren, aber es fehlt dieser Kritik die dialektische Intelligenz des Fließens vom Besonderen zum Allgemeinen, vom Allgemeinen zum Besonderen: kurz, das Bewußtsein der räumlichen und zeitlichen Ausdehnung seiner eigenen Welt.

3

Die beschleunigte Zunahme von Zeichen der allgemeinen Auflehnung und ihres Zusammenströmens in Bezug auf ein gemeinsames Projekt haben die organische Zusammenstellung der revolutionären Theorie des letzten Jahrzehnts über den Haufen geworfen: das Fehlen einer Theorie der Praxis – diese wesentliche Lücke in der Einheit der revolutionären Kritik -, und folgerichtig die Dringlichkeit ihrer unmittelbaren Erprobung, ist offensichtlich geworden, Eben über diese Lücke ist das revolutionäre Proletariat bei seinen letzten radikalen Versuchen gestolpert. Das Ungenügen des theoretischen Inhalts des proletarischen Projekts – besonders in Bezug auf das, was sein praktisches Dasein begründet – muß zunächst innerhalb der Grenzen seiner getrennten revolutionären Aktivität ergründet werden.

In einer Epoche, die ihrer revolutionären Zukunft fremd gegenüber stand, die selbst die Möglichkeit einer solchen Zukunft außer Acht ließ, stieß sich jeder subversive Versuch entweder an der Sackgasse der Zurückführung einer von den vorherigen proletarischen Kämpfen geerbten ideologischen Praxis, kurz, am Überdauern eines erstarrten Systems am Rande seiner Zeit, oder er scheiterte, soweit aus ihm das Neue der sozialen Wirklichkeit hervorsprudelte und soweit er versuchte, möglichst genau seinen theoretischen Zusammenhang auszudrücken, an dem völligen Unverständnis einer Epoche, der selbst das Wesen eines solchen Bemühens zutiefst fremd war. Ein furchtbarer und reichlich grauer Abschnitt von der Nachkriegszeit bis Mai 68, Ein bemerkenswertes Abenteuer der situationistischen Internationale: während alles erstarrt schien, die Ankündigung dessen, was trotz allem unaufhaltbar im Gange war, ahnen zu können.

Obwohl die Theorie des Proletariats in erster Linie in Organisationsbereichen hervorgebracht wurde, die sich in Randbezirken des Proletariats befanden (siehe die Entwicklung der S.I, von 58 – 68), beinhaltete eine derartige theoretische Produktion in ihrer eigenen Ausformung die vollständige Richtigstellung ihres getrennten Handelns. (Wissend, dass das Proletariat sich nur noch ausdrückte durch rückwärtsgewandte oder prophetische Träumereien zukünftiger Tage des Gesangs, die immer erwartet, immer wieder aufgeschoben wurden, kann selbst der Begriff der getrennten Aktivität in Frage gestellt werden: das Proletariat war höchstens getrennt von seiner Theorie.)

Es war umgekehrt gerade das Proletariat, das bei der bewußten Rückkehr der revolutionären Geste seine eigene Theorie wiedererkannt hat in dieser von außen kommenden Theorie, das dabei jedoch auch alle Grenzen und Unzulänglichkeiten erkannte, da die Theorie hervorgegangen war aus vorhergehenden geschichtlichen Bedingungen, von außerhalb, aus ihrem eigenen Ursprung und vollständig die praktischen Zusammenstöße außer Acht ließ, welche sich das Proletariat mit dem Spektakel liefern würde. Die Theorie der Revolution hat ihre eigene praktische Erprobung verursacht: sie wurde sofort geprüft, zurückgewiesen, verbessert aufgrund der Tatsachen, die hervorgingen aus einem praktischen Konflikt, der vollkommen offen war:

Der Umschwung der Epoche. Die Rückkehr der Revolution, des proletarischen Projekts. Mai 68, wirklicher Ausdruck einer derartigen Rückkehr.

Mit dieser explosiven Rückkehr hörte eine gewisse Illusion über die nahezu magische Natur der Theorie, sowie der theoretischen Aktivität als solcher auf: die revolutionäre Theorie, falls sie Trägerin des Projekts der Verwirklichung der Kunst ist, nimmt dennoch nicht teil an der spektakulären Kunst als Idee des Ästhetizismus und als Ästhetizismus der Ideen. Im Bezug auf das Reelle und Überprüfbare zerbricht die Rückkehr des proletarischen Projekts die getrennte theoretische Tätigkeit; im Innern des Projekts wird die Unauflösbarkeit des eigenen Inhalts sowohl theoretisch wie auch praktisch erarbeitet.

Auch wenn die moderne proletarische Revolte noch spontan in ihren Zielen und Mitteln ist, handelt es sich doch bereits um Revolte, Der erste große Sieg der Rückkehr des proletarischen Projekts besteht in seiner bewußten Rückkehr. Das Aufbegehren gegen alle Aspekte der alten Welt verallgemeinern sich.

Proletarier sind bestrebt, sich über die Zeichen ihrer Zurückweisungen hinaus – vielfältig im Ausdruck, jedoch einheitlich in der Zielrichtung – die organisierte Form zu schaffen, um die Einheit ihrer Verweigerung auf höhere Ebene zu bringen, Innerhalb dieser einheitlichen Perspektive zielt einer der Aspekte der Erneuerungskraft der modernen Bewegung auf die Zerschlagung aller getrennten Tätigkeiten, sowohl der theoretischen wie auch der praktischen: die Epoche der getrennten Theoretiker und Praktiker, die sich dieser Trennung bewußt waren und sie doch immer wieder schufen, hat sich überlebt. Sowohl die theoretische wie auch praktische Überprüfung dessen, was sowohl praktisch wie auch theoretisch vorgebracht worden ist, zeigt sich nicht mehr als uneingestandene Trennung zwischen einer spezialisierten Aktivität und der Welt ihrer Erprobung, sondern als die einzige und selbe Bewegung, welche alle ungleichmäßigen und zusammengesetzten Äußerungen der proletarischen Revolte umfaßt. Wenn es heute möglich ist, die Untrennbarkeit von revolutionärer Theorie und Praxis zu bestätigen, ohne dass sich auch nur im geringsten Voluntarismus oder militante Nostalgie mithineinmischen, so deshalb, weil die sichtbaren Tatsachen der Revolution diese Untrennbarkeit erzwingen. Heute über Theorie und Praxis als eigenständliche Begrifflichkeiten zu sprechen, bedeutet bereits, eine Trennung zu vollziehen; sie zusammenzuwerfen, ohne ihre gegenseitige Durchdrungenheit zu verstehen, heißt, das Getrennte als Getrenntes zu vereinigen; eins von beiden für sich zu betrachten führt zu einem Rückfall in die Fehler des theoretischen und praktischen Aktivismus.

Darin, dass sich der theoretische Aktivismus in einer unveränderten und spezialisierten Form erhalten hat, liegt die Ursache seines Scheiterns, Erneuerung einer vergangenen historischen Form, die fremd bleibt gegenüber der modernen Welt, die sie zu bekämpfen vorgibt, Der theoretische Aktivismus hat gegenüber all jenen radikalen Formen versagt, die sich ebenso gründlich von dem ihnen zugrunde liegenden Projekt getrennt haben, die die Einheit ihrer Kritik verloren haben.

Ob es sich um den spektakulären Terrorismus eines theoretischen oder praktischen Aktivismus handelt (ihre falsche Gegenüberstellung ergibt sich aus derselben Entdialektisierung der Theorie des Proletariats): beide vereinigen sich auf dem Gebiet des getrennten und des ideologischen Denkens. Das Ungenügen der Praxis ist immer nur der Ausdruck einer viel umfassenderen Unzulänglichkeit der Theorie dieser Praxis, Eine der Hauptschwierigkeiten, denen das Proletariat begegnen muß, liegt in der Erarbeitung einer anti-ideologischen Theorie, die es vermag, die Einheit der qualitativen dialektischen Bewegung zusammenzufassen, die es vermag, die theoretische Einheit der totalen Kritik zu erhalten im Innern einer Praxis der Theorie, welche ihre eigene Theorie der Praxis einschließt, ohne dass jemals eine derartige Theorie der Praxis die Einheit dieser totalen Kritik verdunkelt.

4

Alles was in der Form eines gescheiterten Projekts gelebt wurde, ist vollständig zurückzuweisen. Es ist wichtig, das, was eines Tages unser Werk zerstören könnte für immer zunichte zu machen: die subversiven Schrotthaufen haben ein sich hinziehendes Ende. Weit entfernt von der Wirklichkeit ist der theoretische und praktische Aktivismus ein Teil des Strandguts der proletarischen – Praxis. Als Relikt einer anderen Zeit führt er vollständig das Scheitern durch seinen fehlenden Bezug zur Bewegung des Bewußtseins mit sich. Der Aktivismus, egal ob praktischer oder theoretischer Art, vernebelt seinen Mangel, indem er eine Epoche in eine spektakuläre Aktivität eingliedert und so gleichzeitig, durch dieselbe Vernebelung, seinen wirklichen Mangel an Leben verdeckt. Das ist der Hechtsprung in die Ideologie: die Partei der Selbstverleugnung und des Anscheins.

Der theoretische Aktivismus bezieht sich als Pseudo-Bewußtsein des Proletariats auf eine magische Identität durch seinen Quasi-messianischen Beitrag der Theorie der Epoche. Soweit der theoretische Aktivismus seine Position rechtfertigt als einen Bezug des vollständig außerhalb – oder des teilweise innerhalb Stehen, so rechtfertigt er doch letzten Endes nur eine parzellierte theoretische Produktion und eine, die insgesamt fremd gegenüber dem Proletariat bleibt, da er fremd bleibt in Bezug auf den aktuellen Inhalt der Klassenkämpfe.

Kurz: wir haben es mit dem Bereich der neuen Spezialisten des getrennten Denkens zu tun: neue Künstler, Avantgardisten, modernistische Philosophen. Da sie sich bewußt sind, dass die Epoche nicht mehr für jeden interpretierbar ist, interpretieren sie den Verlauf ihres Umsturzes. Das ist die letzte Stufe der Abfallverwertung: der Ausdruck der Vorherrschaft der Ideen, der in sich die äußerste Totenbeschwörung der Idee der Macht vereinigt.

Der praktische Aktivismus ist die spektakuläre Bestätigung dafür, dass die Theorie der Revolution unzureichend ist. Er ist das negative Gegenstück zu einem theoretischen Aktivismus, der seine Rechtfertigung bildet und den er umgekehrt ebenso rechtfertigt. Er bildet oft die Partei der romantischen Verzweiflung: mangelnde Fähigkeit, sich aus der Gegenwart anzueignen, was sie bereits schon als Zukunft enthält. Blind für das Ansteigen des Bewußtseins, verzweifelt, nirgendwo wie gewünscht, die Zeichen eines allgemeinen Aufstandes zu sehen, entlädt er sich spektakulär in einer Praxis der abgetrennten Gewalt, wobei er auf diese Weise ebenso den langen Prozeß der Revolution, wie auch seine eigene getrennte Fähigkeit vernebelt. Er wird von der voluntaristischen Wirklichkeit bestimmt: zusammengedrängte Gewalt, verstümmelt in der real-sozialen Totalität: Verräumlichung der revolutionären Gewalt. Die Publizität des Terrorismus ist identisch mit dem Terrorismus der Publizität: er trennt jegliche Kreativität ab, er teilt sie ein und beschränkt sie auf seinen Zweck.

Die proletarische Revolte bleibt im Dunkeln was den wirklichen Umfang ihres Urteils anbelangt. Sie wird auf eine Praxis zurückgeworfen, die lächerlich ist, anekdotisch. Schläge ins Wasser. Leicht zu rekuperieren und leicht rekuperiert: leicht zerstörbar und bald zerstört, denn der praktische Aktivismus tritt dem Spektakel gegenüber als eine großartige, unmittelbare Negativität, ohne Bewußtsein des Bezugs, der ihn in seinem eigenen getrennten subversiven Prozeß mit dem Spektakel verbindet. Er ist bestrebt, nur das anzugreifen, was innerhalb der spektakulären Logik angreifbar ist und was gerade deshalb sehr gut verteidigt wird.

Spucken wir beiläufig noch denen in die Fresse, die am praktischen Aktivismus seinen gewalttätigen Teil verurteilen. Solche Leute sind ein Schurkenpack (z.B. Barrot*), unfähig zu verstehen, dass es nicht so sehr die Gewalt ist, die zu verurteilen ist, sondern ihre unzureichende, abgetrennte Anwendung. Jene sind unfähig, die handelnde Poesie der Revolution (Carrero Blanco) zu begreifen, weil sie nicht in der Lage sind, das Gras der Geschichte dort wachsen zu hören, wo es am schwierigsten ist, nämlich in ihrem eigenen Leben.

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*Jean Barrot, eigentliche Gilles Dauve, französischer Ultra-Linker.

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Die wesentliche Rolle der organisatorischen Form lediglich aus den Niederlagen und Erfolgen des ersten proletarischen Ansturms zu bestimmen, würde bedeuten, die Geschichte passiv zu bestätigen. Bestenfalls läuft sowas auf eine Banalität hinaus, schlimmstenfalls auf eine Rechtfertigung des Unvermögens, der Gegenwart zu begegnen. Allein die Wahrnehmung der Rückkehr der modernen organisatorischen Praxis verleiht dem was gewesen ist eine tätige Kraft. Die Rückkehr zur Vergangenheit vollzieht sich nicht mehr passiv, sondern handelnd. Die Niederlagen und Erfolge in ihrer künstlichen Gegenüberstellung zu belassen, führt genau zur illusorischen Rückkehr ihrer unveränderten Formen in der Gegenwart. Die Täuschung über die Organisation ist vergleichbar der Illusion über die theoretisch-praktische Welt, die ihr zugrunde liegt. Hervorgebracht durch die Frage der Organisation drückt die Erfahrung dieses Rückblicks die wirkliche Positivität der modernen organisatorischen Form aus: Sie erscheint nicht mehr unter der Form einer auf die Vergangenheit bezogenen ideologischen Festlegung, sondern weitet ihre Annäherung an die Vergangenheit aus, durch die Fortführung einer bewußten gegenwärtigen Tätigkeit.

Um mit der organisierten und organisatorischen Täuschung der Vergangenheit fertig zu werden, muß schon die noch unbeholfene Theorie der revolutionären Organisationen dieser Zeit wieder zur Tätigkeit erweckt werden.

Die Zurückweisung jeglicher organisatorischen Perspektive unter dem trügerischen Vorwand vergangener Niederlagen, verleiht der Niederlage sowohl räumlich als auch zeitlich eine allumfassende Bedeutung. Verurteilt wird so die organisatorische Form als Ort der bevorzugten Entwicklung der proletarischen Praxis und nicht eine ihrer gesonderten historischen Erstarrungen. Ein vereinzelter Moment – jedoch, wenn man ihn vollständig wahrnimmt: in seiner Totalität erstarrt – überträgt den absoluten Wesenszug seines Scheiterns auf die soziale Totalität und auf die augenblicklichen Bedingungen seiner radikalen Umwälzung. Ein undialektisches Erfassen des Real-Sozialen und seiner verschiedenen revolutionären Ausformungen strukturiert auf ideologische Weise das Denken in der Ablehnung der organisatorischen Perspektive: die – überaus spitzfindig – einen einigermaßen trügerischen Eindruck auf den Grundlagen einer anti-ideologischen Position hinterläßt. Die Welt der Totalität wird verdunkelt; das Urteil scheint richtig zu sein, jedoch lediglich innerhalb der Grenzen einer derartigen Entdialektisierung des Denkens. Durch seine abgetrennte methodologische Darlegung ist diese Position – im Spiel der falschen Gegenüberstellungen – derjenigen benachbart, die von vornherein die absolute Gültigkeit der organisatorischen Form behauptet, während sie das Geschichtliche im Dunkeln läßt: das, was einer solchen Form zugrunde liegt. Die auf vergangenes bezogene Festlegung bleibt auf reichlich spektakuläre Weise bei dem stehen, was zur Seite des Erfolgs gehört. Das ist die letzte Zuflucht. Eine, die sich dabei auf das bezieht, was in anderen Zeiten als besser erfahren wurde, egal, was insgesamt dabei das Scheitern ausmachte. Die Seite des Erfolgs verdunkelt bewußt die Gesamtheit des Scheiterns. Zwar handelt es sich dennoch bei beiden Fällen um einen Bezug zur Geschichte, jedoch um einen indirekten, der durch Ideologie vermittelt ist. Diese stark trügerische Art von Position vermeidet die wesentlichen Fragen. Wieso das Scheitern, und schließlich: welche Verbesserung im Einzelnen oder welche radikale Änderung ist am besten für das Ausgangsprojekt?

6

Über die Frage der Organisation hat es bisher selten ein vergleichbares Stelldichein gegeben: überall spricht man davon und in allen Schattierungen … offensichtlich schlecht! Auf alle möglichen Arten, weil es Mode ist; vom eingestandenen Stalinismus bis zu den Ideologen des Rätegedankens erstreckt sich ihre verfinsterte Gegenwart über alle Kampffronten des spezialisierten Denkens bis zu ihren hartnäckigen Verleumdern, den Überresten des unorganisierbaren Elends des anarchistischen Individualismus oder des situationistischen Subjektivismus, für den die organisatorische Perspektive etwas unaussprechbares ist, wodurch er auf negative Weise die Dringlichkeit dieser Perspektive durch die heruntergekommene Form ihrer Zurückweisung erneuert. Eine Epoche, die noch nicht mal mehr die organisatorische Fragestellung auf nur theoretische oder allein praktische Weise zusammenfassen kann.

Das organisatorische Gestöhn dieses Jahrzehnts ist nichts als Sophismus!

Weisen wir die Ideologie zurück, wir werden uns Spaß verschaffen. Es gibt nichts anderes als eine organisatorische Fragestellung. Die Revolutionäre haben deshalb so viele Schwierigkeiten die Grundlagen ihrer organisierten Übereinkunft zu definieren, weil sie niemals verstanden haben, vorher die materiellen Grundlagen zu bestimmen, welche die historische Notwendigkeit einer solchen Übereinstimmung ausmachen. Die Revolutionäre überwinden nicht qualitativ die Versumpfung, in der scheinheilig und kümmerlich die moderne Bewegung dahinlebt, indem sie einzig und allein die Sphäre des Scheiterns – seine Ursachen, seine Relikte – vernebeln, noch indem sie sich in der bequemen Zuflucht der ewigen Wiederholung vergangener Formen – weil sie zu ihrer Zeit die radikalsten gewesen sind – unter dem Deckmantel der Modernität einrichten. Es sind immer noch die ideologischen Giftschwaden, die die heutigen proletarischen Kämpfe verpesten. Was auch immer ihr tatsächlicher Gehalt ist, er ist geringer als das, was sie bereits als unmittelbare Zukunft in sich vereinigen. Die Unzufriedenheit, die daraus entsteht ist proportional zum kurzlebigen Bewußtwerden des Qualitativen, welches diese Kämpfe – noch unausgesprochen – mit sich führen. Die Geschichte des Proletariats ist die seines Handelns und sein Handeln besteht darin, aus sich selbst als Klasse den Gegenstand seines Bewußtseins zu machen. Das Bewußtsein des praktischen Wissens, welches sein praktisches Können enthält, bestimmt als Mittelpunkt die organisatorischen Bekundungen des proletarischen Projekts. Kein Fetischismus, kein Romantizismus, keine Wiederholung vergangener Formen, keine Beschneidung der Gegenwart, keine Vernebelung wird zu dulden sein, weil sie durch das Spektakel geduldet wird. Die beste Würdigung, die den Revolutionären des ersten proletarischen Ansturms zu erweisen erlaubt sein soll, besteht in dem vollständigen Begreifen und Kritisieren dessen, was Sie waren und was sie zum Scheitern brachte, alle Relikte zu kritisieren als Wiederholung dessen, was der Grund ihres Scheiterns gewesen ist, sei es durch Unwissen oder durch reinen Fetischismus. Und darüberhinaus vor allem zu kritisieren, dass diese Wiederholung Ständig in modernem Gewand erscheint.

7

Der Respekt hierarchischer Strukturen

• dieser Verzicht auf Autonomie

• dieser Vereinigungspunkt aller Repräsentation
aller Enteignungen

war der wesentliche Grund für das Scheitern des ersten proletarischen Ansturms.

Rußland, Deutschland, Spanien: Die Religion der Macht überdauerte im Innersten einer Bewegung, die theoretisch der Träger des Endes aller Macht war.

Der theoretische Respekt dieser hierarchischen Strukturen in der marxistischen Strömung: die offizielle Avantgarde als ausführende Trägerin dieser ideologischen Verdichtung.

Der praktische Respekt – einer, der seinen theoretischen Inhalt vernebelte – in der anarchistischen Strömung: treue Kriecherei vor den Chefs … Heiligenscheine einer berühmten Vergangenheit … nicht verraten können … der Gipfel aller Radikalitäten, aller übersinnlichen und moralischen Werte.

Alle vergangenen organisatorischen Erfahrungen waren in einer ausschließlich quantitativen Form festgelegt: sie enthielten ein Ungenügen einer kollektiven Bewußtwerdung; sie verhalfen einem avantgardistischem Elitedenken zur Geltung; sie führten zu einer vollständigen Abhängigkeit des Kämpfenden von seiner Organisation, von seinen eingestandenen oder uneingestandenen Chefs.

Die Organisation, die sich als eigener Endzweck aufdrängte,
Das Abgleiten der Klasse zur Partei,
Das Abgleiten der anarchistischen Gewerkschaft zur Verwaltung der revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft.

Der Ruin einer authentisch revolutionären Perspektive, deren Zukunft eng verbunden gewesen ist mit der Autonomie von allen und jedem.

Von der Fähigkeit zur Autonomie hängt Erfolg oder Mißerfolg der neuen proletarischen Kämpfe ab, die in diesem Wechsel von Erfolg und Scheitern nichts anderes ausdrücken als den Grad der Autonomie ihrer Protagonisten. Das bedingt ebenso die kühle und enttäuschte Feststellung eines Mangels an allgemeiner autonomer Praxis (gerade am häufigsten in dem Bereich des Erfolgs), wie auch – innerhalb der Rückkehr in einer wirklich materiellen Realität – die erneute Bekräftigung einer gemeinsamen, qualitativeren Praxis, die die Begriffe des Kampfes auf eine höhere Stufe bringt: kurz, eine autonomere Praxis. In diesem Sinn war es der erste Verdienst der neuen proletarischen Kämpfe, die die Frage der Autonomie aufgeworfen haben, dass sie ihren wirklichen Gehalt praktisch verdeutlichten, indem sie von Grund auf die Frage von ideologischer Schlacke gereinigt haben und indem sie sie gründlich ausschmückten mit einer vollständigen praktischen Erprobung, welche total vom Unausgesprochenen, von dem ausschließlich Theoretischen befreit war.

Tatsächlich prüft und erprobt die Autonomie sich in den organisierten Kämpfen. Bei Abwesenheit eines derartigen Kampfes läuft die Autonomie nur auf das hinaus, was sie verneint: auf Stumpfsinn des Individualismus, auf Subjektivismus. In diesem Sinn bedeutet eine Verneinung der Autonomie, sie zu fordern, jedoch unter einer derartigen Form, dass sie sich nicht mehr als Sublimation eines sozialen Zustandes offenbart, sondern als handelnde Kritik dieses Zustandes. Das ist die Zurückweisung der anarchistischen Ideologie der reinen und idealen Freiheit, diesem illusorischem Gerede, welches die Autonomie anpreist, um sich ihrer besser bedienen zu können, diesem a-dialektischen Gerede, welches sich von den sozialen Kämpfen entfernt, um deren organisatorischen Charakter zu vernebeln.

8

Das proletarische Bewußtsein eines Mangels an Autonomie der Kämpfe wird subjektiv empfunden als Mangel an Leben, Mangel an Erfassen einer Epoche, Mangel der Möglichkeit sich selbst zu erfassen, tief einzudringen in die Epoche. Wut über einen Kampf, der immer wieder dieselben praktischen Irrtümer, dieselben verschobenen Zielsetzungen hervorbringt. Wut über die Kritik der Gewerkschaften und politischen Parteien, die über die Zwischenstufe der Basisgruppen die gleichen gescheiterten wilden Streiks, die selben schnell geplatzten Illusionen – die viel zu rasch zusammengeflickt werden – wieder hervorbringen.

Kaum weniger Spitzfindigkeiten als in der Ausbeutung …
Was soll ein Kampf gegen die herrschende Welt, wenn er nur auf ihr rationelleres Funktionieren abzielt!

Den Mangel an Positivität in den modernen Kämpfen (z.B. bei Lip und Fiat) und deren Ungenügen zu erkennen, bedeutet umgekehrt auch, die Frage nach dem positiven Gehalt zu stellen, der den autonomen Kämpfen gegeben werden kann: das ist nichts als ein erster Schritt zum Erfassen der Epoche. Die Weigerung, eine totgeborene Praxis weiterzuführen, sicher … aber diese Weigerung muß auch die modernen Kämpfe positiv, kreativ, erneuernd bereichern, indem sie ihren Charakter als untaugliche Opposition historisch korrigiert.

Das Scheitern aller Basisgruppen
aller wilden Streiks,

liegt nicht so sehr an einem Ungenügen ihrer tätigen Kritik an den konterrevolutionären Strukturen der Gewerkschaften, der Parteien, der Linken usw., sondern mehr an der inneren Begrenzung einer solchen abgetrennten und isolierten Kritik:

• wenn sie das Erfassen des Urteils über die Totalität verliert,

• wenn sie den revolutionären Inhalt verkommen läßt zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen durch Lohn innerhalb des Lohnsystems, der Arbeit wie auch aller anderen Entfremdungen der Klassengesellschaft vernachlässigt.

Die Stärke und Schwäche der modernen proletarischen Bewegung liegt darin,
auf unausgesprochene Weise bereits überall anwesend zu sein

und es noch nirgends ausdrücklich zu wissen.

Soweit der proletarische Kampf die Positivität der handelnden Negation ist, muß er seine eigene radikale Sprache sprechen, muß er, was ihn betrifft, sein eigener Bezugspunkt sein: einen ständigen Konflikt mit dem spektakulären Totalitarismus darstellen.

Er muß alle Forderungskataloge der Vergangenheit zurückweisen: alles fordern, und zwar sofort!!

Man muss es verstehen, niemals einen Streik zu beenden.

9

Die Repräsentation ist ein Filter zwischen dem Bewußtsein und seiner Welt, ein Hindernis bei der vollständigen Entwicklung der Welt des Bewußtseins. In ihrer sichtbarsten Form ist die Repräsentation ein Teil der Herrschaft der generalisierten Passivität. Kurz: ein Teil von all dem, was die individuelle Verwirklichung der Geschichte hemmt. In ihrer hochentwickelten Form nimmt sie an derselben wirklichen Enteignung teil; sie findet sich ebenso in der Entfremdung der militärisch Kämpfenden wie in der einfachen, trügerisch sicheren und illusorischen Konzession an das Vorgegebene, die in den radikalen Strömungen des Proletariats grassiert.

Da gibt es noch die spektakuläre Öffentlichkeit des Leninismus, dieser verdammten politischen Ideologie.

Da gibt es immer noch den Respekt vor hierarchischen Strukturen, die Bestätigung einer wirksamen Nicht-Autonomie. Für einen Revolutionär gibt es keinen Lichtblick in irgendeiner spektakulären Öffentlichkeit. Die Zustimmung zu dieser Öffentlichkeit ist ein Kriterium der Welt der Herrschaft, ein Kriterium der Hauptdarsteller, der Trugbilder. Dieser Starkult, mit oder ohne Zuschauer führt wie jeder Starkult zur Zirkulation der Ware zurück
zur archetypischen Erscheinung:
gefangen in der Wirkung des Spektakels.

Vermittelt durch das getrennte Bild einer offiziell anerkannten Repräsentation des proletarischen Projekts – welches fetischisiert, personalisiert ist – vollzieht sich indirekt die Umkehr zurück zur Klasse des historischen, vergangenen Bewußtseins:
die vollzogene Negation jeder autonomen organisatorischen Perspektive.

Die Bejahung der Autonomie zeigt sich in der Zerstörung jeden Bezugs zur spektakulären Wirklichkeit, zur Zirkulation der Ware: sie muß alles zerstören, was in ihr Inneres entfremdete und hierarchische Beziehungen aus der Welt, die sie bekämpft, wieder einführt.

Die Revolutionäre leben im Anonymat*, um so eine radikale Kritik aller zugegebenen oder uneingestandenen avantgardistischen Tendenzen zu vollziehen: eine radikale Kritik jeden Versuchs der Schaffung einer getrennten Macht inmitten der revolutionären Organisationen. Die Avantgarde führt immer nur zu Macht und Machtgelüsten: insgesamt also zur Politik, wäre sie auch revolutionär. Das ist die getrennte Repräsentation der wirklichen Bewegung, die sich dann als diese Bewegung ausgibt.

Der Ruf nach Autonomie unter dem Deckmantel einer spezialisierten Vermittlung verurteilt jede organisatorische Perspektive zum Scheitern. Die Avantgarde als spektakuläre Konzentration der Bewegung wird autonom von eben dieser Bewegung. Sie ist ebenso gut Abbild der Bewegung, wie die Entschuldigung ihrer Passivität.

Die Autonomie bestimmt den Grad des Anonymats. Umgekehrt jedoch, wenn das Anonymat nicht vorrangig die Autonomie bestimmt, führt die Autonomie ohne Anonymat von neuem nur zu dem zurück, was sie bereits verneint hat. Das Anonymat ist ein Moment der Autonomie, eine praktische Stellungnahme gegen alle Formen der Repräsentation und Enteignung. Sie ist eine der modernen Bekundungen der direkten proletarischen Kontrolle: die praktische Unterbindung der Herausbildung einer getrennten Avantgarde, dieser Erbschaft der alten Politik. Die handelnde Fähigkeit der proletarischen Bewegung entwickelt sich vermittels des Anonymats, welche diese kollektive Bewegung sehr viel gefährlicher macht, da sie unfaßbar, nicht mehr klassifizierbar im Sinne herrschender Maßstäbe sein wird. Der Kampf gegen die Trennung im Allgemeinen und die getrennte Macht im Besonderen zwingt das Proletariat zur organisatorischen Autonomie und untrennbar davon, zum Anonymat als sofortige praktische Verwirklichung seiner selbst.

Wir schmeicheln uns damit, niemals in die Erinnerung der Menschen zu gelangen.

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• Anonymat ist nicht zu verwechseln mit Anonymität. Anonymat steht im Gegensatz zum Avantgardismus, der sich nur bestätigt in der Öffentlichkeit des „Über-andere-hinaustretens“. Anonymat ist die Verbundenheit mit dem sich entwickelnden Zusammenhang des revolutionären Proletariats in dem Wissen, dass meine Autonomie sich durch die Autonomie der anderen bestimmt. (Anmerkung des Übersetzers)

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Den spielerischen Charakter der organisatorischen Praxis zu bejahen, bedeutet, die subjektive Natur aller Bedingungen zu bejahen, die einer derartigen Praxis zugrunde liegen, aber auch, die Kohärenz dieses Spielerischen in der Praxis zu bejahen. Es geht nicht darum, die organisatorische Praxis zu idealisieren, indem auf illusorische Weise von der Wirklichkeit abstrahiert wird oder indem sie dieser genauso illusorisch entgegengesetzt wird: sie ist nichts als die getreue Wiederspiegelung der Autonomie ihrer Protagonisten.

Die Vereinigung der Erfahrungen und Qualitäten des Proletariats fügt ebenso ideologische Nachwehen zusammen, wie sie charakteristisch für die Klassengesellschaft sind: das Sichtbare der Ungleichmäßigkeit der Bewußtwerdung.

(Ungleichmäßigkeit in dem Sinn, dass die proletarische Inbeschlagnahme als Anfang wirklichen Bewußtseins sich auf verschiedenen Ebenen vollzieht als individuelle Geschichte, als Zerbrechen der spektakulären Vermittlungen zwischen „mir und der Welt“. Noch ist dies das Gebiet der Entfremdungen und der Trennungen, die im nur umgekehrten Moment der Bewußtwerdung einer vollständigen Tätigkeit des Negativen grassieren).

Zu wissen, dass die organisatorische, autonome und anonyme Praxis (vom Kugelschreiber zur Waffe, von der Waffe zum Kugelschreiber unter Durchlaufen aller nötigen Zwischenstufen) das einzige Heilmittel dieser Nachwehen ist, schließt mit ein, dass wir auch wissen, dass wir uns eines derartigen geschichtlichen Mittels zunächst nur in Bezug zu diesen Nachwehen versichern: als deren erste und unerläßiche Kritik.

Die Teilnahme an jeglichem organisatorischem Projekt setzt also äußerste Vorsicht voraus: gegenüber den „Feinden von außen“, ebenso wie gegenüber dem „inneren“.

Von außen: Man darf niemals aus den Augen verlieren, dass die Ziele des proletarischen Kampfes von einer wesentlichen Gefährlichkeit sind, auch wenn sie sich noch, zumindest in Frankreich, einer allzu illusorischen Straflosigkeit erfreuen. Gemeint ist das, was bereits sichtbar wird im Wiederauftreten eines gewissen Typs von sozialdemokratischem Faschismus in Europa, in einer immer gewalttätigeren Unterdrückung, die einhergeht mit dem sichtbaren Erscheinen des proletarischen Projekts.

In dem Milieu, das im Umkreis der Situationistischen Internationale herumplätschert, ist es Mode, eine systematische Übertreibung der Gefahren einer Bedrohung durch die Polizei her vorzubringen: sie gehen dabei so weit, vom falschen Bewußtsein zu sprechen. Sie haben recht. Aber sie haben recht in dem Sinn, dass sie selbst die Grenzen ihrer eigenen Bedingungen errichten. Innerhalb dieser Grenzen kann eine derartige Übertreibung auf ziemlich objektive Weise verstanden, wahrgenommen und erfahren werden. Es handelt sich also nicht darum, sich über eine derartige Haltung lustig zu machen, sondern vielmehr darum, zu begreifen, dass eine solche Haltung wirklich das Ausmaß ihrer Determinierung und, davon nicht zu trennen, ihrer nicht weniger wirklichen Ansprüche wiedergibt. Von ihrer a-dialektischen und parzellierten Betrachtungsweise aus, haben sie recht und rechtfertigen ihre Position. In Hinblick auf einen globalen Prozeß ist ihre Position nicht einfach nur falsch, sondern verdeutlicht den Umfang ihrer Praxis, die sich auf einer verringerten Ebene bewegt, wodurch ebenso ihre Qualität als Revolutionäre auf eine verringerte Ebene gebracht wird.

Im Innern: die Kohärenz der Kritik und die Kritik der Inkohärenz bilden ein und dieselbe Bewegung, die jedoch von dem Augenblick an dazu verurteilt ist, sich aufzulösen und in Ideologie zu erstarren, in dem sich die Trennung einschleicht zwischen verschiedenen Gruppen einer Föderation, zwischen Einzelnen innerhalb einer Organisation, zwischen Theorie und Praxis eines Mitglieds dieser Organisation. Innerhalb des globalen Kampfes bedeutet das Nachgeben um Fingerbreite an der Front der Kohärenz, dass man der Trennung auf der ganzen Linie den Sieg davontragen läßt. Und das sollte wirklich zur größten Vorsicht führen: niemals die Kohärenz als etwas bereits erreichtes betrachten, sich über die Gefahren im Klaren bleiben, die innerhalb der grundsätzlichen Einheit das individuelle und kollektive Verhalten bedrohen, um diesen Gefahren zuvorzukommen und sie zu vermeiden.

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Die Grenzenlosigkeit des subjektiv subversiven Spiels verurteilt jede organisatorische Formalisierung; nicht aufgrund irgendeines außernormalen Vorbewußtseins, sondern ganz einfach aufgrund der direkten Zurückwendung zum Real-Sozialen, zur Wurzel der Ausbeutung der Wünsche. Entlarvt wird dabei die Erscheinung eines jeden Formalismus, jeder ideologischen Festlegung: dieser unerträglichen spektakulären Toleranz, die völlig toleriert wird durch den Totalitarismus des Spektakels.

Die revolutionäre Organisation ist gezwungen Sich von allen bisherigen Bezugspunkten loszureißen: diesen manchmal unbewußten Erstarrungen eines Projekts. Sie zuzulassen wäre die Anerkennung einer Errichtung der revolutionären Bewegung auf dem Gebiet der Ideologie, wäre die Wahrnehmung der Bewegung der Revolution als eine einfache Rückführung auf eine gestaffelte, organisatorische Form, die in der Kontemplation ihres stolzen Zustandes verbleibt. Die Totalität der Revolte des Alltags, des tagtäglich erlebten, muß sich vollständig in der Alltäglichkeit des Lebens der Organisation wiederfinden: ohne Trennung, als einheitlicher Prozeß, den die revolutionäre Theorie dieser Zeit Schritt für Schritt durchdringt.

Die revolutionäre Organisation ist die Unabhängigkeit der Beziehungen und nicht die Beziehungen der Abhängigkeit.

Die Organisation beurteilt sich also nach ihren direkten Beziehungen zum Alltag und zwar in dem Sinn, dass sie es letztlich selber ist, mit der sie im Erfassen dieser Alltäglichkeit die Beziehung herstellt. Ihre Welt ist „das Alltägliche“, in das auch alles wieder eingebracht wird, in das alles zurückfließt aufgrund der eindeutigen Aufgabe, deren Träger die spezifische Bewegung der Organisation ist. In dieser gegenseitigen qualitativen Durchdringung erneuert sich exemplarisch die moderne revolutionäre Organisation. Es geht also um die Totalität, die wirklich das historische Kriterium geworden ist und nicht so sehr um die Organisation selbst – als ideelle – als Mittelpunkt der vorrangigen Produktion des Denkens … und die dann schnell formalisiert, parzelliert, ruiniert ist.

Das Ende des Getrennten vollzieht sich durch dieses Alltägliche und seiner vollständigen Rückkehr – (dieses ersehnte Erscheinen) – , ohne das diese Bewegung irgendetwas kreisförmiges oder endgültiges hätte. Die revolutionäre Organisation muß das Wirkliche äußerst eng zusammenfügen, darin aufgehen, ohne sich darin jemals zu verlieren. Das unerzwungene Auftreten der Welt des Alltags wälzt so ihre Form ständig um, verändert und bereichert sie in der Gleichheit der Rückbezüglichkeit. An diesem Punkt ist die revolutionäre Organisation nicht mehr jene willkürlich von der Klasse getrennte Form: sie ist ihr unmittelbar sichtbarer Ausdruck.

Den uneingestandenen Fetischismus der Form zu zerstören, bedeutet für die revolutionäre Organisation die trügerische Bezugnahme auf ideologische Zugeständnisse zu zerbrechen. Auf diese Weise entlarvt sie die voluntaristische Position der periodischen Infragestellung der Form, die illusorische Angleichung an den Inhalt. Von daher ist die Bejahung einer solchen Infragestellung noch das Verdrängte einer wirklichen/möglichen Kritik, die sich entwickelt, wobei unausgesprochen eine Erstarrung sowohl der Praxis als auch der Theorie der Organisation unterstellt wird. Die objektiven Stufen der Infragestellung erscheinen auf dem Gebiet des getrennten Denkens, des linearen Denkens. Mechanisierung des Bewußtseins. Die revolutionäre Organisation trägt in ihr selbst, in ihrer eigenen Form, die bedeutsamen Elemente ihrer ständigen Aufhebung: ihre Form ist der vollständige Ausdruck dieser Bewegung. So wird die Linearität der ziemlich illusorischen Angleichung von Form/Inhalt ruiniert. Das, was dahintersteckt, wenn sich ein Inhalt auf magische Art und Weise über die Form stellt, entpuppt sich als nichts anderes, als ein dramatisches Ungenügen der Theorie der Organisation zu sein. Vollständig angeglichen waren bisher nur der Mangel an Bewußtsein und seine beständig lächerlichen Dekorateure. Innerhalb der Perspektive der Totalität wird alles ununterbrochen in Frage gestellt. Mit der Politik der objektiven Stufen als spektakuläre Vermittlung des Bewußtseins ist Schluß. Mit der Totalität als Einsatz sieht sich die moderne revolutionäre Organisation gezwungen, sich völlig zu beurteilen. Das Verständnis des Urteils über die Totalität erlaubt ihr, sich innerhalb dieser Totalität zu beurteilen durch Beurteilung des Spektakels und das Spektakel umzustürzen, indem sie sich selbst umstürzt.

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Die gegenwärtige organisatorische Bewegung zu verstehen, bedeutet, die Totalität ihrer Erscheinungen zu verstehen und sich bewußt zu sein, dass jede ihrer Erscheinung vollständig an dieser Bewegung teilnimmt. Innerhalb des Kampfes ist das Wissen um eine theoretische Zugehörigkeit zum Proletariat unwesentlich, wenn es nicht auch das praktische Wissen um einen materiellen Bezug zu ihm, dessen Materialität in jedem Augenblick überprüfbar ist, einschließt. In der Totalität der Beziehungen und in der Beziehung der Totalität zur organisatorischen Bewegung finden die proletarischen Kämpfe zu sich selbst: sie zerbrechen den moralischen Bezug zum Spektakel, zum Quantifizierbaren, zum Repräsentativen. Sie machen Schluß mit den enttäuschten Hoffnungen, weil sie Schluß machen mit ungerechtfertigten Erwartungen. Sie durchbrechen die Armseligkeit der getrennten, parzellierten Kämpfe. Sie erneuern ständig ihre wirklichen subversiven Aufgaben.

Die Positivität der proletarischen Kämpfe liegt in der Bewußtheit/Praxis eines uneingeschränkten Klassenbezugs zwischen ihnen, was auch immer die äußerste Heterogenität der Zeichen sein mag, die ihnen zugrunde liegen. Das ist die Suche nach einer praktischen organisatorischen Wirklichkeit, die nicht getrennt ist vom Proletariat.

Die geschichtlichen Bedingungen der Revolution haben nicht nur die Illusion ruiniert, die die Parteien ebenso mit sich brachten wie die Gewerkschaften, die linken Sekten und alle Avantgarden, sondern auch die Lebensfähigkeit einer revolutionären Organisation, die sich quantitativ-repräsentativ darstellt.

Die Epoche wiederholt nicht mehr passiv die Vergangenheit. Es ist also unnütz, der gegenwärtigen organisatorischen Bewegung einen Pfandbrief auszustellen in Hinblick auf spätere Zinsen einer zukünftigen Massenorganisation: irgendein Hirngespinst einer vergangenen A.I.T. (Association International de Travail) zukünftiger Zeiten.

Die revolutionäre Organisation ist ein Produkt und ein Produzent der Bewegung des Proletariats, die sich als Partei im höchst historischem Sinn des Ausdrucks herstellt: ein qualitativer Moment des Bewußtseins, vorrübergehend, in ständiger Entwicklung, auf der Suche nach einem noch höheren Qualitativen, lebend in der Geschwindigkeit der Radikalisierung der Ereignisse, um sie auf ihre Weise zu radikalisieren. Das exemplarisch Neue der modernen organisatorischen Praxis ist begründet in der Qualität dieser dialektisch-qualitativen Bewegung*. Eine Unbegrenztheit der Bezugsarten, die sich ohne Formalismus durchdringen, auf einer ständigen qualitativen Suche, mit einer ständigen Infragestellung: die Bewegung der Organisation als unabtrennbarer Ausdruck der proletarischen Bewegung.

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• Wie bei der Fondation pour le Depassement de l‘ Economie Pre-histoire, die sich im Frühling 1976 auflöste.

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Die autonome, anonyme organisatorische Praxis ist anti-hierarchisch:

• sie bildet das Gebiet, auf dem sich die Beziehungen auf der gleichen Ebene vollziehen, jedoch ohne Gleichmacherei: dieser Ideologisierung der Beziehungen unter der Form einer ideell/idealen Gleichheit der historischen Erfahrungen.

• sie ist die radikale Kritik jeglichen Versuchs einer Einebnung von unten (dieser Banalisierung in der Mittelmäßigkeit) und jeder lediglich voluntaristischen Negation der Herrschaft der Trennung.

• sie ist das Gebiet der Zusammenfassung: konkret aufzeigen, wo durch die proletarische Erfahrung (individuell oder kollektiv) historisch die Ungleichmäßigkeit der Bewußtwerdung durch die Verstärkung einer bewußt hergestellten Autonomie korrigieren; aufzeigen, weshalb es auf das gemeinsame Handeln ankommt; aufzeigen inwieweit es die Gemeinsamkeit ist, die den Proletariern alle Mittel in die Hand gibt.

Die Strategie des einzelnen Augenblicks ergibt sich aus ihrer direkten Erfahrung: sie müssen dabei all ihre Kräfte einsetzen und sie müssen allen Gefahren unmittelbar entgegentreten. Im Erfolg oder Scheitern des konkreten gemeinsamen Projekts, bei dem sie gezwungen sind, ihr gesamtes Leben aufs Spiel zu Setzen, zeigt sich ihnen allen die geschichtliche Erfahrung.

Im Mittelpunkt der revolutionären Bewegung zu stehen, heißt für einen Proletarier, zu jedem Zeitpunkt fähig zu sein, dieses in seiner Praxis und im Zusammenfließen dieser Praxis mit der der anderen nachzuprüfen …. Die Proletarier begegnen Sich, kämpfen gemeinsam, erproben praktisch, auf gleicher Ebene, die Beziehung, die sie vereint: hierin liegt der konkrete Grundstein der revolutionären Organisation (im Herzen eines wirklichen Kampfes): hierauf beruht praktisch die Existenz der einheitlichen Beziehung.

Die einheitliche Beziehung ist die Beziehung „Gleicher unter Gleichen“. Sie ist der Ort des wirklichen Austausches, der Wechselbezüglichkeit, der Gleichheit in der Teilnahme an einem bestimmten Niveau der organisatorischen Praxis. Kein Bezug kann über das theoretisch-praktisch Ausgedrückte hinausgehen, ohne dass der Bewegung eine ideologische Erstarrung droht. Von Organisation und organisatorischer Praxis zu Sprechen bedeutet von der einheitlichen Beziehung zu sprechen. Ohne einheitliche Beziehung ist die Organisation nur eine Filiale des Spektakels. Die einheitliche Beziehung ist eine qualitative Beziehung: eine Beziehung zur Qualität. Die Zerstörung jedes Hinterherlaufens, jeder Avantgarde ist die Minimalbasis jeder durchführbaren organisatorischen Perspektive.

Der praktische Kampf gegen die Ungleichheit der Bewußtwerdung: ein leidenschaftliches Streben nach einer vollständigen Autonomie des proletarischen Kampfes, nach einer uneingeschränkten Kreativität.

Einen elitären Formalismus durch die einheitliche Beziehung zu befürchten bedeutet sowohl, eine quantifizierte Illusion auf die anderen zu übertragen, wie auch seine eigenen individuellen qualitativen Forderungen zurückzustecken und sämtliche politische Ideologie der Trennung wieder einzuführen unter dem Vorwand, sie zu verneinen. Das ist eine modernistische Form der militanten Verachtung: die anderen werden behandelt als wären sie verschieden von einem selbst durch die Einführung einer uneingestandenen, verdrehten hierarchischen Beziehung. Unter pseudo-revolutionärem Gewand versteckt sich immer noch der Kult des Opfers: die Verwandlung von Heilsbringern zu Opferlämmern.

Die einheitliche Beziehung ist das Sichtbare der radikalen Veränderung des Ausdrucks der gegenwärtigen proletarischen Praxis: ihre Schlagkraft.

Die organisatorische Praxis hat nur Sinn für die, die fähig sind, mit der Belastung der Ideologien zu brechen: der Anschein, die Geisterbeschwörung, magische Bezüge, alles Mitläufertum, alle spektakulären Aufstände von Verschworenen und Verschwörern des Zufalls. Die organisatorische Praxis drückt sich allumfassend aus, denn ihre Operationen laufen in alle Richtungen und es gibt dabei kein anderes Zusammenfließen als das im modernen revolutionären Projekt. Der polyzentrische Charakter der organisatorischen Praxis setzt ein Kennen der Anderen und der Mittel über die sie verfügen, voraus, wenn die Verwirklichung begonnen werden soll. Jedoch werden die anderen von einer Perspektive aus betrachtet, die nichts gemein hat mit den zähflüssig klebrigen und vorgeschichtlichen Beziehungen des Spektakels: eine Wachsamkeit, die kein Mißtrauen ist, eine Strenge, die keine Schroffheit ist, eine Leidenschaft, die nicht in Passivität verbleibt, eine Unverwundbarkeit, die keine Verstärkung des Charakterpanzers mit sich bringt.

Die organisatorische Praxis ist der Moment der praktischen Wahrheit: dort, wo alles erscheint, dort, wo alles sich klärt. Sie ist der besondere Moment, wo alle Formen des getrennten, menschlichen Denkens in ihrer einheitlichen Zukunft zusammenfließen. Sie ist der Moment des nexialistischen Gebrauchs des menschlichen Denkens, der bewußte Beginn des Endes der Spezialisierungen.